Grad der Behinderung bei Hirnschäden

1. Das Wichtigste in Kürze

Bei Hirnschäden wird vom Versorgungsamt auf Antrag ein Grad der Behinderung (GdB) bzw. Grad der Schädigungsfolgen (GdS) festgestellt. Er richtet sich nach der Schwere der Beeinträchtigung und den Auswirkungen. Ab einem GdB von 50 besteht ein Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis. Menschen mit Behinderungen können bestimmte Hilfen und Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen.

2. Antrag auf Grad der Behinderung und Schwerbehindertenausweis

Der GdB/GdS wird nur auf Antrag festgestellt, Näheres unter Grad der Behinderung.

Ab einem GdB von 50 besteht ein Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis.

3. Versorgungsmedizinische Grundsätze

Das Versorgungsamt, Amt für Soziale Angelegenheiten oder Amt für Soziales und Versorgung richtet sich bei der Feststellung der Behinderung nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (= Anlage 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung). Diese enthalten Anhaltswerte über die Höhe des Grads der Behinderung (GdB) bzw. des Grads der Schädigungsfolgen (GdS). Die Bezeichnung GdS wird im Sozialen Entschädigungsrecht verwendet. Im Unterschied zum GdB, bei dem jede Behinderung unabhängig von ihrer Ursache berücksichtigt wird, zählt beim GdS nur die Schädigungsfolge.

Beispiel: Herr W. hat durch eine Gewalttat einen Hirnschaden erlitten. Wenige Jahre später erkrankt er an Prostatakrebs. Beim GdS zählen nur die Folgen des Hirnschadens, beim GdB auch die Auswirkungen der Krebserkrankung.

Die Versorgungsmedizin-Verordnung mit der besonders wichtigen Anlage 2 kann in ständig aktualisierter Form unter www.gesetze-im-internet.de/versmedv/anlage.html oder als übersichtliche Broschüre mit einer erläuternden Einleitung zum PDF-Download beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter www.bmas.de > Suchbegriff: "K710" gefunden werden.

4. Hirnschäden in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen

Wenn Symptome einer organischen Veränderung des Gehirns – nach Verletzung oder Krankheit nach dem Abklingen der akuten Phase – festgestellt worden sind, ist ein Hirnschaden nachgewiesen.

Wenn bei späteren Untersuchungen keine hirnorganischen Funktionsstörungen und Leistungsbeeinträchtigungen mehr zu erkennen sind, beträgt der GdB/GdS (auch unter Einschluss geringer Beschwerden, z.B. Schwindel, Kopfschmerzen) 20. Nach offenen Hirnverletzungen beträgt der GdB/GdS nicht unter 30.

Entscheidend für den GdB/GdS ist das Ausmaß der bleibenden Ausfallserscheinungen.

Folgendes muss das Amt dabei beachten:

  • den neurologischen Befund
  • die Ausfallserscheinungen im psychischen Bereich unter Berücksichtigung der Persönlichkeit vor dem Hirnschaden
  • ggf. das Auftreten zerebraler (= das Großhirn betreffender) Anfälle

 

Bei einem mit Ventil versorgten Hydrozephalus (="Wasserkopf") beträgt der GdB/GdS mindestens 30.

Kommt es nach einer Gehirnerschütterung zu nicht nur vorübergehenden vegetativen Störungen (= Störungen des Teils des Gehirns, der Körperprozesse steuert), muss das Amt im ersten Jahr nach der Verletzung einen GdB/GdS von 10–20 feststellen.

4.1. Grundsätze der Gesamtbewertung von Hirnschäden

Die folgende Tabelle steht als Gesamtbewertung bei der Bewertung von Hirnschäden im Vordergrund. Die anschließenden "isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndrome" sind eine ergänzende Hilfe zur Beurteilung von GdB/GdS. In den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen stehen Hirnschäden im Kapitel 3.1.

 

GdB/GdS

Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung

30–40

Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung

50–60

Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung

70–100

4.2. Bewertung von Hirnschäden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen

Die verschiedenen Störungen sind oft kombiniert und gehen fließend ineinander über.

Hirnschäden mit psychischen Störungen

GdB/GdS

leicht (im Alltag sich gering auswirkend)

30–40

mittelgradig (im Alltag sich deutlich auswirkend)

50–60

schwer

70–100

4.3.  

Zentrale vegetative Störungen als Ausdruck eines Hirndauerschadens (z.B. Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Vasomotorenregelung* oder der Schweißregulation)

GdB/GdS

leicht

30

mittelgradig, auch mit vereinzelten synkopalen Anfällen (= kurzzeitiger Bewusstseinsverlust)

40

mit häufigeren Anfällen oder erheblichen Auswirkungen auf den Allgemeinzustand

50

*Vasomotoren sind Nerven, die die Weite der (Blut-)Gefäße regulieren. Sind diese gestört, kann es z.B. zu Schwindelanfällen oder Kreislaufproblemen kommen.

Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen

GdB/GdS

... (spino-)zerebellarer Ursache* je nach dem Ausmaß der Störung der Ziel- und Feinmotorik einschließlich der Schwierigkeiten beim Gehen und Stehen

30–100

* (spino-)zerebellarer Ursache = die Ursache liegt in einer Schädigung des Kleinhirns

Hirnschäden mit kognitiven Leistungsstörungen (z.B. Aphasie*, Apraxie**, Agnosie***)

GdB/GdS

leicht (z.B. Restaphasie)

30–40

mittelgradig (z.B. Aphasie mit deutlicher bis sehr ausgeprägter Kommunikationsstörung)

50–80

schwer (z.B. globale Aphasie)

90–100

*Aphasie ist eine Sprachstörung. Dabei können sowohl das Sprechen, Schreiben und die Kommunikation als auch das Verstehen von Sprache beeinträchtigt sein. Auch die Kommunikation über Zeichen, Bilder und Gesten kann gestört sein.

**Apraxie ist eine Störung, bei der sich die Betroffenen nicht an bestimmte Bewegungsabläufe und Bewegungsmuster erinnern können. Sie können deswegen bestimmte Bewegungen nicht mehr ausführen, obwohl sie körperlich gesehen dazu in der Lage wären. Apraxie kann sich auch in einer Sprachstörung äußern, wenn die Betroffenen sich nicht daran erinnern können, wie sie die Sprechbewegungen ausführen müssen.

*** Bei einer Agnosie werden Sinneseindrücke nicht erkannt, z.B. wird eine Melodie nicht erkannt, obwohl mit den Ohren und dem Hören alles in Ordnung ist.

Zerebral (das Großhirn betreffend) bedingte Teillähmungen und Lähmungen

GdB/GdS

leichte Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen

30

ausgeprägtere Teillähmungen und vollständige Lähmungen

Ableitung des GdB/GdS durch Vergleich mit Gliedmaßenverlusten, peripheren (= schlaffen) Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen

vollständige Lähmung von Arm und Bein (Hemiplegie**)

100

*Tonusstörungen = Störungen der Muskelspannung

**Hemiplegie = Halbseitenlähmung, egal ob das Gesicht mit betroffen ist oder nicht

4.4. Parkinson und Epilepsie

Parkinson > Schwerbehinderung

Epilepsie > Schwerbehinderung

5. Hilfen und Nachteilsausgleiche für Menschen mit Behinderungen

Mit einem festgestellten GdB kommen folgende Hilfen und Nachteilsausgleiche in Betracht:

Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über alle GdB-abhängigen Nachteilsausgleiche: GdB-abhängige Nachteilsausgleiche

Ja nach Auswirkung der Behinderungen durch Hirnschädigung können bestimmte Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis eingetragen werden. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über alle Nachteilsausgleiche bei Merkzeichen: Merkzeichenabhängige Nachteilsausgleiche

 

Menschen mit Behinderungen haben außerdem Anspruch auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe, auch wenn bei ihnen (noch) kein GdB festgestellt wurde.

Beispiele:

6. Verwandte Links

Leistungen für Menschen mit Behinderungen

Grad der Behinderung bei Hirnschäden im Kindes- und Jugendalter

Grad der Behinderung

Schädel-Hirn-Trauma

Schädel-Hirn-Trauma > Schwerbehinderung

Demenz

Demenz > Schwerbehinderung

Schlaganfall

Aphasie

Letzte Bearbeitung: 22.07.2024

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