Teilhabeplanverfahren

1. Das Wichtigste in Kürze

Das Teilhabeplanverfahren wurde durch das Bundesteilhabegesetz eingeführt, damit es leichter ist, Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu bekommen. Oft ist es schwer, herauszufinden, welche Behörden zuständig sind und teils sind es mehrere gleichzeitig, z.B. die Agentur für Arbeit und der Träger der Eingliederungshilfe. Durch das Teilhabeplanverfahren müssen Menschen mit Behinderungen nicht mehrere Anträge stellen und können sich einfach an irgendeinen Träger wenden, ohne vorher die Zuständigkeit zu kennen.

2. Ziele des Teilhabeplanverfahrens

Es soll verhindert werden, dass

  • Menschen mit Behinderungen von einem Träger zum anderen geschickt werden,
  • keine Hilfe bekommen, weil die Träger sich nicht einigen können, wer zuständig ist,
  • sich an mehrere Stellen wenden müssen,
  • die Leistungen unkoordiniert nebeneinander erbracht werden,
  • Menschen mit Behinderungen lange auf die Leistungen warten müssen.

Erreicht werden soll, dass

  • Leistungen "wie aus einer Hand" gewährt werden,
  • die Situation eines Menschen mit Behinderung ganzheitlich wahrgenommen wird,
  • die individuellen Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt werden.

3. Wie funktioniert das Teilhabeplanverfahren?

Unabhängig davon, wie viele Träger die Kosten für Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen tragen müssen, gilt:

  • Es ist immer nur ein Reha-Träger, als sog. leistender Reha-Träger, zuständig.
  • Menschen mit Behinderungen können sich an irgendeinen Träger wenden und müssen nicht wissen, ob dieser zuständig ist. Der Träger muss selbst klären, ob er zuständig ist und sich bei Unzuständigkeit darum kümmern, den Antrag innerhalb der gesetzlichen Fristen zur Zuständigkeitsklärung weiterzuleiten. Wenn er die Frist versäumt, wird er automatisch der leistende Träger.
  • Der leistende Träger muss ein Teilhabeplanverfahren einleiten und durchführen, sobald

Näheres unter Rehabilitation > Zuständigkeit.

4. Inhalte des Teilhabeplans

Der Teilhabeplan ist noch nicht die eigentliche Entscheidung über die Leistungen. Aber er beeinflusst das Ergebnis, nämlich die Bewilligung oder Ablehnung einer bzw. mehrerer Leistung/en.

Im Teilhabeplan wird festgehalten

  • an welchem Tag der Antrag eingegangen ist.
  • welche Träger wofür zuständig sind.
  • welche anderen Träger beteiligt werden.
  • was der individuelle Bedarf ist und wie dieser ermittelt wurde, z.B. durch Fragebögen, Tests oder Hospitationen im Alltag.
  • ggf. ob und welche Leistungen in welchem Umfang aus Sicht der Agentur für Arbeit nötig und mit Blick auf den Arbeitsmarkt sinnvoll sind.
  • wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bei Bezug von Bürgergeld gewährt werden.
  • wenn andere Dienste und Einrichtungen einbezogen werden, wenn die Leistungen gewährt werden.
  • welche Teilhabeziele festgelegt wurden, wobei die Ziele erreichbar und überprüfbar sein müssen.
  • wie die Wünsche und das Wahlrecht des Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden (besonders bei einem Antrag auf ein persönliches Budget).
  • Wenn mehrere Träger beteiligt sind: Der trägerübergreifende Rehabilitationsbedarf, der alle Bedarfe umfasst und einvernehmlich festgestellt wurde.
  • was eine ggf. stattgefundene Teilhabeplankonferenz (siehe unten) ergeben hat.
  • was sich aus Mitteilungen von anderen öffentlichen Stellen ergibt, z.B. von der Pflegekasse oder vom Integrations- oder Inklusionsamt.
  • wenn der Mensch mit Behinderung einen Angehörigen pflegt und medizinische Reha bekommt, wie der pflegebedürftige Angehörige in der Zeit versorgt wird (z.B. in der Reha-Einrichtung, in Kurzzeitpflege oder zu Hause über die Ersatzpflege)

4.1. Praxistipp

Der Mensch mit Behinderung kann Einsicht in den Teilhabeplan oder eine Kopie davon verlangen, bei digitalen Akten als Datei. (§ 19 Abs. 3 Satz 3 SGB IX i.V.m. § 25 SGB X)

5. Beteiligte am Teilhabeplanverfahren

Am Teilhabeplan arbeiten der Mensch mit Behinderung (und/oder eine Person seines Vertrauens), der leistende Reha-Träger sowie weitere beteiligte Reha-Träger mit. Wenn nötig beteiligen sich auch die zuständige Pflegekasse, das Integrationsamt, das Jobcenter sowie die Betreuungsbehörde oder das Jugendamt.

6. Teilhabeplankonferenz

Wenn der betroffene Mensch mit Behinderung damit einverstanden ist, kann eine Teilhabeplankonferenz stattfinden. Hier treffen sich der Mensch mit Behinderung, die beteiligten Reha-Träger sowie evtl. Bevollmächtigte, Vertrauenspersonen, Beistände, Rehadienste und -einrichtungen sowie Pflegedienste, um gemeinsam den Bedarf sowie den Teilhabeplan zu besprechen.

Der Mensch mit Behinderung selbst sowie beteiligte Reha-Träger dürfen dem leistenden Träger vorschlagen, eine Teilhabeplankonferenz durchzuführen. Der leistende Träger darf das aber ablehnen, wenn

  • er den Bedarf schriftlich feststellen kann und der Aufwand unverhältnismäßig hoch wäre im Verhältnis dazu, was der Mensch mit Behinderung beantragt hat,
    oder
  • aus Datenschutzgründen, wenn der Mensch mit Behinderung nicht damit einverstanden ist, dass mehr Daten von ihm erhoben, gespeichert oder verwendet werden, als unbedingt nötig ist.

Nicht ablehnen darf der leistende Träger die Teilhabeplankonferenz, wenn ein Elternteil mit Behinderung

  • Leistungen zur Kinderbetreuung und/oder -versorgung (Näheres unter Elternassistenz bei Behinderungen) beantragt
    und
  • möchte, dass eine Teilhabeplankonferenz durchgeführt wird.

6.1. Praxistipps

7. Besondere Regeln zum Teilhabeplanverfahren

Wenn das Jugendamt, der Träger der sozialen Entschädigung oder der Träger der Eingliederungshilfe für das Teilhabeplanverfahren verantwortlich sind, gelten zusätzlich zu den genannten Regeln zum Teilhabeplanverfahren noch weitere besondere Regeln.

7.1. Hilfeplanverfahren beim Träger der Kinder- und Jugendhilfe

Ist ein Träger der Kinder- und Jugendhilfe für das Teilhabeplanverfahren verantwortlich, gelten für ihn auch die Vorschriften für den Hilfeplan, Näheres unter Jugendamt.

7.2. Fallmanagement beim Träger der sozialen Entschädigung

Wenn ein Träger der sozialen Entschädigung zuständig ist, z.B. bei Opfern von Gewalttaten, gelten auch die Regeln zum Fallmanagement, Näheres unter soziale Entschädigung.

7.3. Gesamtplanverfahren bei Eingliederungshilfe

Wenn der Träger der Eingliederungshilfe der leistende Träger (siehe oben) ist, gelten auch die Regeln zum Gesamptplan:

  • Über die Leistungen (Inhalt, Umfang und Dauer) soll in einer Gesamtplankonferenz entschieden werden. Für die Gesamtplankonferenz gelten dieselben Bedingungen wie für die Teilhabeplankonferenz, siehe oben.
  • Der Mensch mit Behinderung muss die ganze Zeit über beteiligt werden.
  • Die Wünsche des Menschen mit Behinderung zu den Zielen und Leistungsarten müssen dokumentiert werden.
  • Der individuelle Bedarf muss ermittelt werden.
  • Das Verfahren muss transparent sein, d.h. es muss alles nachvollziehbar und für den Menschen mit Behinderung und alle anderen Beteiligten offen gemacht werden.
  • Das Verfahren muss interdisziplinär ablaufen, das bedeutet, dass Menschen aus verschiedenen Fachbereichen (= Disziplinen) beteiligt sind, z.B. pädagogische, medizinische und psychologische Fachkräfte.
  • Das Verfahren muss konsensorientiert sein, d.h. es soll immer Ziel sein, dass sich am Ende bei der Entscheidung alle einig sind (= Konsens).
  • Das Verfahren muss individuell sein, also nicht nach einem für alle geltenden Schema ablaufen, sondern genau passend für den jeweiligen Menschen mit Behinderung.
  • Das Verfahren muss lebensweltbezogen und sozialraumorientiert sein. Das sind beides Begriffe aus der sozialen Arbeit. Sie bedeuten, dass beachtet werden muss, wo, wie und mit wem der Mensch mit Behinderung lebt oder gelebt hat.
  • Das Verfahren muss zielorientiert sein. Das bedeutet, dass Ziele aufgeschrieben werden müssen, die erreichbar sein müssen, z.B. "Frau Schneider kann in ihrer eigenen Wohnung leben." oder "Herr Khaled kann regelmäßig Sport treiben". Die Leistungen müssen auch zu den Zielen passen.

7.4. Praxistipp

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe (BAGüS) bietet die "Orientierungshilfe zur Gesamtplanung" unter www.bagues.de > Veröffentlichungen > Orientierungshilfen und Empfehlungen > Aus dem Jahr 2018.

8. Wer hilft weiter?

9. Verwandte Links

Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

Behinderung

Persönliches Budget

Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen

Leistungen für Menschen mit Behinderungen

 

Rechtsgrundlagen: §§ 19–23 SGB IX - §§ 117–122 SGB IX

Letzte Bearbeitung: 02.10.2024

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