Schulden

1. Das Wichtigste in Kürze

Ausnahmsweise kann das Sozialamt oder das Jobcenter Schulden als Darlehen oder als nicht zurückzuzahlende Beihilfe übernehmen, um eine Notlage abzuwehren. Wer Mietschulden oder Stromschulden hat oder Nebenkosten nicht bezahlen konnte, kann schnell in eine Notlage geraten: Es drohen eine Räumungsklage und Wohnungslosigkeit oder der Strom, das Wasser und/oder die Heizung werden abgestellt.

Schuldnerberatung kann helfen, langfristig die Schulden loszuwerden, z.B. über eine Privatinsolvenz, die auch bei Bezug von Bürgergeld oder Sozialhilfe möglich ist.

2. Voraussetzungen der Übernahme von Schulden durch Jobcenter und Sozialamt

Das Jobcenter bzw. das Sozialamt können unter folgenden Voraussetzungen ausnahmsweise auch Schulden begleichen:

  • drohende Wohnungslosigkeit
    oder
  • eine vergleichbare Notlage, z.B. drohende Stromsperre, Abstellung von Wasser oder Heizung

Näheres unter Mietschulden und Stromkosten Stromschulden.

 

Übernommen werden können z.B.:

  • Mietschulden
  • Schulden bei Versorgungsunternehmen
  • Tilgungsraten für einen Hauskredit oder Wohnungskredit

Das Jobcenter und das Sozialamt übernehmen keine Schulden, wenn die Betroffenen sie mit Geld aus ihrem sog. Schonvermögen begleichen können. Damit ist das Geld gemeint, das beim Bürgergeld und bei der Sozialhilfe nicht angerechnet wird, Näheres unter Sozialhilfe > Vermögen und Bürgergeld > Einkommen und Vermögen. Die Betroffenen müssen aber z.B. nicht erst ihren gesamten Hausrat verkaufen, damit eine Schuldenübernahme möglich wird.

3. Leistungsberechtigte

Die Übernahme von Schulden ist möglich für Menschen, die Anspruch auf eine der folgenden Leistungen haben:

Sie ist auch für Menschen möglich, die keinen Anspruch auf eine dieser Leistungen haben, weil sie z.B. ihren Lebensunterhalt selbst decken können. Voraussetzung ist dann, dass sie dennoch nicht in der Lage sind, die Schulden zu begleichen.

4. Ermessensentscheidung des Jobcenters bzw. des Sozialamts

Das Jobcenter bzw. Sozialamt entscheidet nach Ermessen, das heißt, es muss alle wichtigen Umstände berücksichtigen, z.B:

  • Kann die Übernahme der Schulden wirklich dauerhaft eine Wohnungslosigkeit, Stromsperre oder ähnliches verhindern?
  • Was hat die Schulden verursacht?
  • Gibt es andere Möglichkeiten, z.B. eine Stundung oder einen privaten Kredit?

Wenn die Übernahme von Schulden gerechtfertigt und notwendig ist, um Wohnungslosigkeit zu verhindern, darf das Jobcenter bzw. Sozialamt die Leistung nur in besonderen Ausnahmefällen ablehnen.

Beispiel: Absichtlich gemachte Mietschulden, damit das Amt sie dann übernimmt.

Selbst dann muss das Jobcenter bzw. Sozialamt aber beachten, dass auch Obdachlosigkeit hohe Kosten für den Staat verursachen kann, und dies in die Entscheidung einbeziehen.

Die Schulden können als Beihilfe, die nicht zurückgezahlt werden muss, oder als Darlehen übernommen werden. Wenn das Jobcenter zuständig ist, gibt es jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen Beihilfe. Eine solche Ausnahme liegt z.B. vor, wenn die Schulden durch Fehler des Jobcenters entstanden sind.

Möglich ist auch eine nur teilweise Darlehensgewährung. Ein anfängliches Darlehen kann später auch in eine Beihilfe umgewandelt werden. Ob eine Beihilfe oder ein Darlehen gewährt wird, muss die Behörde unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entscheiden.

5. Rückzahlung des Darlehens durch Aufrechnung mit Sozialleistungen

Viele Menschen, deren Schulden das Jobcenter oder Sozialamt übernommen hat, sind auch danach noch von Sozialleistungen abhängig und können ein Darlehen nicht zurückzahlen.

5.1. Rückzahlung bei Darlehen des Sozialamts

Für Menschen, die ein Darlehen vom Sozialamt erhalten, gilt:

  • Wenn die Schulden entstanden sind, obwohl die betroffene Person für diese Bedarfe schon einmal Geld vom Sozialamt bekommen hatte:
    Das Sozialamt kann sich das Geld über eine Aufrechnung mit laufenden Sozialleistungen zurückholen. Dabei kürzt es die Leistungen um bis zu 168,90 € (30 % vom Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1), jedoch maximal 3 Jahre lang (§ 26 Abs. 2 SGB XII).
    Beispiel: Eine nicht erwerbsfähige junge Frau erhält Kosten für die Unterkunft vom Sozialamt. Das Geld, das eigentlich für die Miete gedacht ist, gibt sie dafür aus, dass sie ein Instrument lernen kann. Dadurch entstehen Mietschulden und ihr droht Wohnungslosigkeit. Das Sozialamt übernimmt deshalb die Mietschulden, kürzt zur Darlehensrückzahlung nun aber die Leistungen um 168,90 €.
  • In anderen Fällen holt sich das Sozialamt das Geld über eine Kürzung der laufenden Leistungen um höchstens 28,15 € (= 5 % vom Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1) zurück (§ 37 Abs. 4 SGB XII).
    Beispiel: Ein Rentner hat eine so niedrige Rente, dass sie seinen Bedarf nicht deckt und es zu Mietschulden kommt. Erst als ihm Wohnungslosigkeit droht, beantragt er Grundsicherung im Alter, da er zuvor nicht der Allgemeinheit zur Last fallen wollte.

5.2. Rückzahlung bei Darlehen des Jobcenters

Für Menschen, die ein Darlehen vom Jobcenter erhalten haben, gilt:

Das Jobcenter holt sich das Darlehen durch Aufrechnung mit laufenden Leistungen zurück. Dabei kürzt es die Leistungen um 10 % des Regelsatzes (§ 42a Abs.2 SGB II).

6. Privatinsolvenz

Mit einer Privatinsolvenz können Verschuldete innerhalb von 3 Jahren schuldenfrei werden. Der Fachbegriff dafür ist Verbraucherinsolvenz. Sie funktioniert so:

  1. Die Verschuldeten wenden sich an eine Schuldnerberatung oder eine Rechtsanwaltskanzlei und versuchen zunächst, sich außergerichtlich mit ihren Gläubigern zu einigen, z.B. über Ratenzahlungsvereinbarungen und Stundung sowie ggf. den Erlass von Schulden.
  2. Wenn das gescheitert ist, stellen sie einen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens und auf Restschuldbefreiung. Restschuldbefreiung bedeutet, dass noch vorhandene Schulden per Gerichtsentscheidung wegfallen.
  3. Das Gericht versucht dann ggf. erneut, eine Einigung mit den Gläubigern zu erreichen.
  4. Wenn das Gericht keine Einigung erreicht oder Verhandlungen darüber nicht für sinnvoll hält, beginnt das Insolvenzverfahren, das heißt, es stellt fest, welche Schulden und ggf. welches Vermögen vorhanden ist. Wenn pfändbares Vermögen vorhanden ist, verteilt das Gericht es an die Gläubiger.
  5. Eventuell versucht das Gericht in einem sog. Insolvenzplanverfahren erneut, eine Einigung zu erreichen, damit das Insolvenzverfahren schneller an ein Ende kommt.
  6. Ansonsten schließt sich die sog. Wohlverhaltensphase an. Das ist die Zeit, die abgewartet werden muss, bis die Restschuldbefreiung erfolgt. Die Wohlverhaltensphase dauert in der Regel 3 Jahre und sie beginnt bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Bei einer zweiten Privatinsolvenz dauert sie 5 Jahre. In dieser Zeit müssen die Betroffenen ihr gesamtes pfändbares Vermögen an ihren Insolvenzverwalter abgeben, der es dann an die Gläubiger verteilt. Sie müssen außerdem Arbeit annehmen, wenn sie zumutbar ist, und müssen dem Insolvenzverwalter und dem Gericht melden, wenn sich etwas für das Insolvenzverfahren Relevantes ändert, z.B. wenn sie in eine andere Wohnung ziehen, wenn sie Kinder bekommen, für die sie nun unterhaltspflichtig werden, wenn sie heiraten oder sich scheiden lassen oder wenn sie eine Arbeit aufnehmen oder beenden. Wer schon im gesetzlichen Rentenalter ist, muss keine Arbeit mehr annehmen.
  7. Nach der Wohlverhaltensphase erlässt das Gericht die verbliebenen Schulden mit der Restschuldbefreiung.

Mit einer Privatinsolvenz können Betroffene nicht alle Schulden loswerden, denn z.B. Schadenersatzforderungen, Steuerschulden oder Unterhaltschulden aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung (z.B. einer Straftat) bleiben nach der Restschuldbefreiung bestehen. Wer z.B. Steuern hinterzogen hat, muss die Steuerschulden trotz Restschuldbefreiung weiterhin abzahlen.

7. Wer hilft weiter?

Schuldnerberatungsstellen bei größeren Kommunen, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden helfen Schuldnern zum Teil, wieder auf die Haben-Seite zu gelangen. Allerdings geben die Schuldnerberatungen nie Geld, sondern suchen nach dauerhaften Wegen aus der Schuldenkrise. Eine seriöse Schuldnerberatung ist in der Regel kostenlos für Menschen, die Bürgergeld oder Sozialhilfe beziehen.

Die Schuldnerberatung bietet ver- und überschuldeten Personen unter anderem:

  • Informationen und Beratung zur Privatinsolvenz
  • Unterstützung bei der Sicherung der notwendigen Existenzgrundlage, z.B. Antragstellung für Sozialhilfe oder Bürgergeld (früher: Arbeitslosengeld II und Sozialgeld, Hartz IV)
  • Beratung über Vollstreckungsschutz-Möglichkeiten, z.B. bei laufender Lohnpfändung
  • Erstellen von Einnahmen-/Ausgaben-Übersichten und individuellen Haushaltsplänen
  • Hilfe bei der Verhandlung mit Gläubigern

 

Viele gemeinnützige Träger bieten zum Thema Schulden Informationen und Hilfestellungen an, zum Teil auch Online-Beratung, z.B.:

Schuldnerberatungsstellen in Ihrer Nähe können Sie über die Suchfunktion der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. unter www.meine-schulden.de > Hilfe finden > Schuldnerberatungsstelle finden finden.

8. Praxistipps

  • Ihre laufenden Leistungen vom Jobcenter oder Sozialamt dürfen nicht zur Rückzahlung eines Darlehens wegen übernommener Schulden gekürzt werden, wenn dadurch Ihre Existenz gefährdet würde. Eine Aufrechnung zusammen mit einer Leistungsminderung oder einer weiteren Aufrechnung ist deshalb in vielen Fällen rechtswidrig. Ein Widerspruch und ggf. ein gerichtliches Eilverfahren können sich hier lohnen. Sie können Beratungshilfe und/oder Prozesskostenhilfe beantragen, damit Ihre Anwaltskosten übernommen werden. Eine Anwaltspflicht besteht beim Sozialgericht nicht, Sie können also auch eigenständig eine Klage einreichen.
  • Hilfreiche Informationen können Sie bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. unter www.meine-schulden.de abrufen.
  • Die Broschüre "Schuldenfrei im Alter" der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) können Sie unter www.bagso.de > Publikationen > Ratgeber > Schuldenfrei im Alter kostenlos herunterladen.

9. Verwandte Links

Stromkosten Stromschulden

Mietschulden

Bürgergeld

Sozialhilfe

Private Krankenversicherung > Notlagentarif

Basiskonto Pfändungsschutzkonto

 

Rechtsgrundlagen: §§ 11, 36 SGB XII - § 22 Abs. 8 SGB II - §§ 286 ff., 304 ff. InsO

Letzte Bearbeitung: 05.12.2024

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