Widerspruch im Sozialrecht

1. Das Wichtigste in Kürze

Im Sozialrecht lohnt sich in vielen Fällen ein Widerspruch, da falsche Bescheide häufig vorkommen. Der Widerspruch bewirkt, dass die Behörde selbst den Bescheid (für Betroffene meist kostenfrei) noch einmal prüft. Außerdem können Betroffene ihre Ansprüche nur einklagen, wenn sie vorher mit einem Widerspruch keinen Erfolg hatten. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids bei der Behörde eingegangen sein, die den Bescheid erlassen hat.

2. Form und Frist des Widerspruchs

Die betroffene Person selbst oder ein von ihr Bevollmächtigter kann den Widerspruch schriftlich (formlos, auch per Fax, nicht per Email) oder zur Niederschrift bei der Behörde einlegen. Der Widerspruch muss spätestens einen Monat nach Erhalt des Bescheids bei der Behörde eingegangen sein. Das heißt, es reicht nicht aus, wenn er nur innerhalb der Frist losgeschickt wurde. Er muss vor Ablauf des Monats bei der Behörde angekommen sein.

Die Frist berechnet sich grundsätzlich so:

Fristbeginn:

Poststempel des Briefs mit dem der Bescheid verschickt wurde
+ drei Tage.

Fristende:

24 Uhr des Tages vor Ablauf des Monats nach Fristbeginn. Wenn die Frist an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag endet, verschiebt sich das Fristende auf den nächsten Werktag.

 

Fallbeispiel: Herr Melnik erhält einen Bescheid von der Krankenversicherung mit Poststempel vom 2. April 2024. Die Widerspruchsfrist beginnt 3 Tage später, also am 5. April 2024. Die Frist würde eigentlich am Ende des Tages vor Ablauf des Monats nach Fristbeginn enden, also um 24 Uhr am 5. Mai 2024. Das ist allerdings ein Sonntag. Deswegen verschiebt sich das Fristende auf den nächsten Werktag, also auf den 6. Mai 2024 um 24 Uhr.

Es ist keine Pflicht, aber unbedingt ratsam, eine Begründung beizufügen. Zur Fristwahrung reicht es, sie zunächst wegzulassen und später nachzureichen. Dafür kann die betroffene Person sich dann auch in Ruhe Hilfe holen.

Notwendige Voraussetzungen für einen wirksamen Widerspruch:

  • Der Widerspruch muss den Namen und die Adresse der betroffenen Person enthalten,
  • es muss eindeutig erkennbar sein, dass die Behörde den Bescheid noch einmal überprüfen soll („hiermit lege ich Widerspruch ein“),
  • es muss eindeutig erkennbar sein, um welchen Bescheid es geht (Aktenzeichen und Datum des Bescheids),
  • der Widerspruch muss unbedingt unterschrieben sein.

Wird der Widerspruch fälschlicher Weise anders bezeichnet (z.B. als Einspruch oder Beschwerde) ist das nicht schlimm, solange die Behörde erkennen kann, dass die betroffene Person die erneute Überprüfung durch die Behörde wünscht.

Muster-Widerspruch

Die Behörde muss auf dem Bescheid über Form und Frist des Widerspruchs informieren. Diese Information heißt Rechtsbehelfsbelehrung. Fehlt sie oder ist sie falsch, so verlängert das die Widerspruchsfrist auf ein Jahr.

3. Kosten des Widerspruchs

Für Betroffene kostet der Widerspruch im Sozialrecht grundsätzlich nichts. Anwaltskosten können aber anfallen. Die Anwaltskosten für einen erfolgreichen Widerspruch muss die Behörde erstatten, wenn anwaltliche Hilfe notwendig war.
Wer anwaltliche Hilfe benötigt, sich das aber nicht leisten kann, kann dafür Beratungshilfe bei der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts beantragen. Manchmal übernehmen das auch die Rechtsanwaltskanzleien selbst.
In Bremen und Hamburg gibt es statt dessen öffentliche Rechtsberatungsstellen, welche die Beratung übernehmen. In Berlin kann man zwischen Beratungshilfe durch Anwaltskanzleien und der öffentlichen Beratung wählen.

Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Anwaltskosten für einen Widerspruch nur, wenn der außergerichtliche Bereich und das Sozialrecht ausdrücklich erfasst sind. Ob das der Fall ist, kann vorab bei der Versicherung erfragt werden.

4. Entscheidung über den Widerspruch

Nicht selten korrigieren Behörden im Widerspruchsverfahren ihre Fehler selbst und schicken einen neuen Bescheid, der die Fehler korrigiert. Ein solcher Bescheid heißt Abhilfebescheid. Anderenfalls erlässt die Behörde einen Widerspruchsbescheid, gegen den dann eine Klage zum Sozialgericht möglich ist. Diese Klage ist erst nach einem erfolglosen oder nur teilweise erfolgreichen Widerspruch zulässig.
Manchmal ist ein Widerspruch nur teilweise erfolgreich. Dann erlässt die Behörde einen Teilabhilfebescheid und einen Widerspruchsbescheid (manchmal kombiniert in einem Schreiben).

5. Begründung des Widerspruchs

Die Begründung des Widerspruchs richtet sich nach dem Einzelfall.
Um den Widerspruch begründen zu können, ist es bei schwierigeren Fällen ratsam, zunächst Akteneinsicht zu beantragen. Die Akte kann man sich im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren zuschicken lassen. Für die Begründung ist anwaltliche Hilfe oft sinnvoll, aber nicht unbedingt erforderlich.

6. Praxistipps

  • Um nachweisen zu können, dass die Widerspruchsfrist eingehalten wurde, sollten Sie den Widerspruch vor Ort bei der Behörde abgeben und sich dort den Eingang auf einer Kopie des Widerspruchs bestätigen lassen. Auch Fax-Sendeberichte mit einer Kopie des gefaxten Widerspruchs werden von den Sozialgerichten meist als Nachweis anerkannt.
  • Läuft die Widerspruchsfrist in Kürze ab, kann es sinnvoll sein, einen Boten zu bitten, den Brief direkt zur Behörde zu bringen. Wenn dieser den Inhalt des Briefs kennt, kann er im Zweifel bezeugen, dass der Brief rechtzeitig angekommen ist.
  • Es ist hingegen eher nicht sinnvoll, den Widerspruch per Einschreiben (auch mit Rückschein) zu senden: Belege von Postunternehmen reichen den Sozialgerichten nicht als Nachweis für die Einhaltung der Frist.
    Besser ist es, bei der Behörde telefonisch nachzufragen, ob ein normaler Brief eingegangen ist und eine umgehende Eingangsbestätigung anzufordern.
  • Um einen Widerspruch möglichst einfach einzulegen, reicht es, wenn Sie die erste Seite des Bescheids kopieren und darauf schreiben: "Hiermit lege ich Widerspruch gegen diesen Bescheid ein." Dann müssen Sie nur noch Datum, Name und Unterschrift ergänzen und fertig ist der fristwahrende Widerspruch.
  • Haben Sie im Sozialrecht die Widerspruchsfrist versäumt oder befürchten, die Frist nicht mehr einhalten zu können, bedeutet das nicht unbedingt, dass nichts mehr zu machen wäre. Denn oft ist dann noch ein Überprüfungsantrag oder ein Antrag auf Wiedereinsetzung möglich. Ergänzen Sie Ihren Widerspruch um eine Erklärung, warum es Ihnen nicht möglich war, den Widerspruch früher einzulegen und um den Satz: "Aus den genannten Gründen beantrage ich Wiedereinsetzung. Sollte die Widerspruchsfrist nicht eingehalten sein, ist dieses Schreiben als Überprüfungsantrag zu werten."

7. Wer hilft weiter

  • Rechtsanwaltskanzleien mit sozialrechtlichem Tätigkeitsschwerpunkt.
  • SoVD – Sozialverband Deutschland e.V. und Sozialverband VdK Deutschland e.V., Kontakt unter Sozialverbände.

8. Verwandte Links

Widerspruch Klage Berufung

 

Rechtsgrundlagen: §§ 64, 78ff SGG (Sozialgerichtsgesetz), Beratungshilfegesetz, § 25 Abs. 4 und § 64 SGB X

Letzte Bearbeitung: 06.03.2024

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