Im Sozialrecht lohnt sich in vielen Fällen ein Widerspruch, da falsche Bescheide häufig vorkommen. Der Widerspruch bewirkt, dass die Behörde selbst den Bescheid (für Betroffene meist kostenfrei) noch einmal prüft. Außerdem können Betroffene ihre Ansprüche nur einklagen, wenn sie vorher mit einem Widerspruch keinen Erfolg hatten. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids bei der Behörde eingegangen sein, die den Bescheid erlassen hat.
Die betroffene Person selbst oder ein von ihr Bevollmächtigter kann den Widerspruch schriftlich (formlos, auch per Fax, nicht per Email) oder zur Niederschrift bei der Behörde einlegen. Der Widerspruch muss spätestens einen Monat nach Erhalt des Bescheids bei der Behörde eingegangen sein. Das heißt, es reicht nicht aus, wenn er nur innerhalb der Frist losgeschickt wurde. Er muss vor Ablauf des Monats bei der Behörde angekommen sein.
Die Frist berechnet sich grundsätzlich so:
Fristbeginn: |
Poststempel des Briefs mit dem der Bescheid verschickt wurde |
Fristende: |
24 Uhr des Tages vor Ablauf des Monats nach Fristbeginn. Wenn die Frist an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag endet, verschiebt sich das Fristende auf den nächsten Werktag. |
Fallbeispiel: Herr Melnik erhält einen Bescheid von der Krankenversicherung mit Poststempel vom 2. April 2024. Die Widerspruchsfrist beginnt 3 Tage später, also am 5. April 2024. Die Frist würde eigentlich am Ende des Tages vor Ablauf des Monats nach Fristbeginn enden, also um 24 Uhr am 5. Mai 2024. Das ist allerdings ein Sonntag. Deswegen verschiebt sich das Fristende auf den nächsten Werktag, also auf den 6. Mai 2024 um 24 Uhr.
Es ist keine Pflicht, aber unbedingt ratsam, eine Begründung beizufügen. Zur Fristwahrung reicht es, sie zunächst wegzulassen und später nachzureichen. Dafür kann die betroffene Person sich dann auch in Ruhe Hilfe holen.
Notwendige Voraussetzungen für einen wirksamen Widerspruch:
Wird der Widerspruch fälschlicher Weise anders bezeichnet (z.B. als Einspruch oder Beschwerde) ist das nicht schlimm, solange die Behörde erkennen kann, dass die betroffene Person die erneute Überprüfung durch die Behörde wünscht.
Die Behörde muss auf dem Bescheid über Form und Frist des Widerspruchs informieren. Diese Information heißt Rechtsbehelfsbelehrung. Fehlt sie oder ist sie falsch, so verlängert das die Widerspruchsfrist auf ein Jahr.
Für Betroffene kostet der Widerspruch im Sozialrecht grundsätzlich nichts. Anwaltskosten können aber anfallen. Die Anwaltskosten für einen erfolgreichen Widerspruch muss die Behörde erstatten, wenn anwaltliche Hilfe notwendig war.
Wer anwaltliche Hilfe benötigt, sich das aber nicht leisten kann, kann dafür Beratungshilfe bei der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts beantragen. Manchmal übernehmen das auch die Rechtsanwaltskanzleien selbst.
In Bremen und Hamburg gibt es statt dessen öffentliche Rechtsberatungsstellen, welche die Beratung übernehmen. In Berlin kann man zwischen Beratungshilfe durch Anwaltskanzleien und der öffentlichen Beratung wählen.
Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Anwaltskosten für einen Widerspruch nur, wenn der außergerichtliche Bereich und das Sozialrecht ausdrücklich erfasst sind. Ob das der Fall ist, kann vorab bei der Versicherung erfragt werden.
Nicht selten korrigieren Behörden im Widerspruchsverfahren ihre Fehler selbst und schicken einen neuen Bescheid, der die Fehler korrigiert. Ein solcher Bescheid heißt Abhilfebescheid. Anderenfalls erlässt die Behörde einen Widerspruchsbescheid, gegen den dann eine Klage zum Sozialgericht möglich ist. Diese Klage ist erst nach einem erfolglosen oder nur teilweise erfolgreichen Widerspruch zulässig.
Manchmal ist ein Widerspruch nur teilweise erfolgreich. Dann erlässt die Behörde einen Teilabhilfebescheid und einen Widerspruchsbescheid (manchmal kombiniert in einem Schreiben).
Die Begründung des Widerspruchs richtet sich nach dem Einzelfall.
Um den Widerspruch begründen zu können, ist es bei schwierigeren Fällen ratsam, zunächst Akteneinsicht zu beantragen. Die Akte kann man sich im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren zuschicken lassen. Für die Begründung ist anwaltliche Hilfe oft sinnvoll, aber nicht unbedingt erforderlich.
Rechtsgrundlagen: §§ 64, 78ff SGG (Sozialgerichtsgesetz), Beratungshilfegesetz, § 25 Abs. 4 und § 64 SGB X