Ein Rechtsanspruch liegt vor, wenn eine bestimmte Rechtsfolge eintritt, sobald bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Er kann wirksam mittels Widerspruch und Klage durchgesetzt werden. Hat die Behörde hingegen bei einer Entscheidung Ermessen, so besteht nur ein durchsetzbarer Anspruch darauf, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung ihr Ermessen ohne Fehler ausübt. Unterschieden werden freies und gebundenes Ermessen. Das gebundene Ermessen gibt der Behörde nur für untypische Fälle einen eigenen Entscheidungsspielraum.
In einigen Fällen regelt das Gesetz, dass bestimmte Rechtsfolgen immer dann eintreten, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Bei einem Rechtsanspruch muss z.B. eine Sozialleistungsbehörde eine bestimmte Leistung in jedem Fall bewilligen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Ihr bleibt dann kein eigener Handlungsspielraum, was bedeutet, dass die Behörde auch keine Ausnahmen machen darf.
Ob auf eine Leistung ein Rechtsanspruch besteht, zeigt sich daran, wie das Gesetz formuliert ist. Bei Rechtsansprüchen heißt es dann z.B. "der Träger gewährt" oder "dann muss" oder "es besteht ein Anspruch auf".
Gewährt eine Behörde einen Rechtsanspruch nicht, obwohl dessen Voraussetzungen vorliegen, so können Betroffene sich wirksam dagegen wehren: Sie können gegen einen Bescheid Widerspruch einlegen und ggf. eine Klage erheben. Wer sich Anwaltskosten dafür nicht leisten kann, hat ggf. Anspruch auf Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe. Die Entscheidung der Behörde darf das zuständige Gericht dann voll überprüfen.
Rechtsansprüche werden auch als "Muss-Leistungen" bezeichnet.
Entscheidungen, die im freien Ermessen einer Behörde stehen, werden auch als "Kann-Leistungen" bezeichnet. Im Gesetz stehen dann Formulierungen wie "der Träger kann" oder "kann gewährt werden".
Beim freien Ermessen hat die Behörde einen großen Handlungsspielraum. Liegen die Leistungsvoraussetzungen vor, so bedeutet das noch lange nicht, dass die Leistung auch gewährt werden muss. Die Behörde hat nur die Möglichkeit dazu, die Leistung zu bewilligen, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen. Sie darf sich aber in der Regel auch dagegen entscheiden oder aus verschiedenen Möglichkeiten eine aussuchen.
Freies Ermessen darf nicht mit Willkür verwechselt werden. Eine Behörde muss sich immer an Regeln halten, wenn sie Entscheidungen in ihrem Ermessen trifft. Insbesondere gilt:
Für Betroffene bedeutet das:
Sie haben in der Regel kein durchsetzbares Recht auf eine bestimmte Entscheidung. Sie können also z.B. nicht eine bestimmte Leistung einklagen. Sie haben aber ein Recht auf eine Entscheidung ohne Ermessensfehler.
Nach folgender Checkliste können Sie Hinweise darauf finden, ob sich ein Widerspruch und ggf. eine Klage gegen einen Bescheid wegen Ermessensfehlern lohnen könnten:
Beim gebundenen Ermessen wird auch von einer "Soll-Leistung" gesprochen. Im Gesetz steht dann z.B., dass die Behörde einen bestimmten Anspruch gewähren soll. Das bedeutet, dass die Behörde in der Regel keinen Ermessensspielraum hat, sondern wie beim Rechtsanspruch auch die Leistung immer dann bewilligen muss, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Wenn aber ein untypischer Fall vorliegt, darf sie ausnahmsweise Ermessen ausüben.
Es gelten dann die selben Regeln wie beim freien Ermessen.
Auch wenn das Gesetz in einer Angelegenheit der Behörde einen Ermessensspielraum gibt, kann es sein, dass der Behörde nur genau eine Entscheidungsmöglichkeit bleibt. Wenn eine Behörde z.B. grundsätzlich zwischen verschiedenen Leistungen auswählen darf, aber nur eine davon den Bedarf eines Menschen erfüllen kann, dann bleibt der Behörde nichts anderes übrig, als genau diese eine Leistung zu bewilligen.
Die Behörde hat also dann nur in der Theorie ein Ermessen, praktisch aber nicht. Das wird "Reduzierung des Ermessens auf Null" genannt.
Ist das der Fall, können Betroffene den Anspruch wie einen Rechtsanspruch durchsetzen.
Vom Ermessen zu Unterscheiden ist die Auslegung sog. unbestimmter Rechtsbegriffe mit und ohne einen behördlichen Beurteilungsspielraum.
Im Gesetz stehen viele Begriffe, die nicht gesetzlich definiert sind.
Da dann nicht einfach so klar ist, was damit gemeint ist, müssen diese ausgelegt werden. Das tun Gerichte mit Hilfe juristischer Methoden wie z.B. den folgenden:
Diese Auslegung ist Sache der Gerichte. Wenn es zu einer Sache schon viel Rechtsprechung gibt und schon hohe Gerichte (z.B. Bundessozialgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof) darüber entschieden haben, ist das relativ unproblematisch.
Wenn es aber zu einem bestimmten Begriff noch wenig oder keine Rechtsprechung gibt, muss die Behörde zunächst selbst auslegen, was ein Begriff bedeutet. Darum kümmern sich in der Regel die Rechtsabteilungen von Behörden. Ausnahme: Wenn die Behörde ausnahmsweise einen Beurteilungsspielraum (siehe unten) hat.
In einigen Fällen sind Betroffene mit der Auslegung eines Begriffs durch eine Behörde nicht einverstanden. Denn daraus kann sich eine für sie negative Entscheidung ergeben. Dann können die Betroffenen mittels Widerspruch und ggf. Klage die behördliche Entscheidung überprüfen lassen.
Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist durch das Gericht (außer bei einem behördlichen Beurteilungsspielraum) voll überprüfbar. Das heißt eine Behördenentscheidung kann auch dann falsch sein, wenn die Behörde einen Begriff nachvollziehbar ausgelegt hat und in der Auslegungsmethodik keine Fehler gemacht hat. Denn hier liegt die Entscheidungsgewalt ganz allein bei den Gerichten. Hat ein Gericht zur Auslegung eine andere Meinung als die Behörde, so zählt die Meinung des Gerichts.
Wenn eine Behörde einen Beurteilungsspielraum hat, dann hat sie wie beim Ermessen auch einen Spielraum für eigene Entscheidungen. Aber dabei darf sie nicht darüber entscheiden, welche Rechtsfolge eintreten soll. Statt dessen hat sie einen Spielraum für eigene Entscheidungen auf der Seite der Voraussetzungen.
Beispiel:
Der Anspruch auf Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung ist ein Rechtsanspruch. Das Jugendamt muss die notwendigen und geeigneten Leistungen in jedem Fall ohne Ausnahme gewähren, wenn die Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Sie hat also kein Ermessen.
Aber: Das Jugendamt darf und muss selbst in Zusammenarbeit mehrerer Fachkräfte beurteilen, welche Leistungen notwendig und geeignet sind. Es hat einen Beurteilungsspielraum.
Ähnlich wie beim Ermessen bedeutet ein Beurteilungsspielraum keine Willkür. Ist die Beurteilung der Behörde fachlich nicht vertretbar oder nicht nachvollziehbar, so ist die Entscheidung falsch und Widerspruch und ggf. Klage können sich lohnen.
Hier gilt ein Anspruch auf eine richtige Beurteilung:
Dieser Anspruch kann auch mittels Widerspruch und ggf. einer Klage durchgesetzt werden.
Behörden haben nur in Ausnahmefällen einen Beurteilungsspielraum, wenn das wegen besonderer Fachkenntnis in der Behörde erforderlich ist, wie z.B. beim Jugendamt.