Ein gerichtliches Eilverfahren (einstweiliger Rechtsschutz) kann z.B. helfen schnell Sozialleistungen zu erhalten, wenn Sozialleistungsträger oder Ämter zu lange brauchen oder wenn ein normales Gerichtsverfahren zu lange dauern würde. Das ist z.B. bei Krankheit, Behinderung oder dringend benötigten Geldleistungen für Wohnung und Essen wichtig. Zuständig ist meistens das Sozialgericht, teilweise aber auch das Verwaltungsgericht oder Finanzgericht. Das Gericht trifft in Eilverfahren immer nur eine vorläufige Entscheidung. Die abschließende Entscheidung kann anders ausfallen. Es besteht also das Risiko, erhaltenes Geld später zurückzahlen oder die Kosten für eine erhaltene Leistung erstatten zu müssen.
Gerichtliche Eilverfahren ermöglichen vorläufige Entscheidungen in dringenden Fällen. Diese Eilentscheidungen sind aber höchstens solange gültig, bis das normale Verfahren abgeschlossen ist. Zum normalen Sozialverfahren gehören das Antragsverfahren, ein ggf. nötiges Widerspruchsverfahren und ein mögliches Klageverfahren, das bei mehreren Gerichten stattfinden kann. Dieses normale Verfahren heißt Hauptsacheverfahren.
Ein Eilverfahren ist ein eigenes Verfahren, das zusätzlich neben dem Hauptsacheverfahren stattfinden kann. Es heißt Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Eine bewilligende Entscheidung im Eilverfahren heißt einstweiliger Rechtsschutz. Ein anderes Wort dafür ist vorläufiger Rechtsschutz.
Die endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren kann anders sein als die vorläufige Entscheidung im Eilverfahren. Es kann z.B. sein, dass ein Amt im Eilverfahren zu einer vorläufigen Zahlung oder Leistung verpflichtet wird, aber im Hauptsacheverfahren kommt heraus, dass das Amt doch nicht zahlen muss. Dann kann das Amt die vorläufigen Zahlungen zurückfordern.
Viele Eilverfahren sind Anträge auf eine einstweilige Anordnung des Gerichts.
Anträge auf einstweilige Anordnung können helfen, wenn es um abgelehnte oder nicht rechtzeitig bewilligte Sozialleistungen geht.
Bei einer einstweiligen Anordnung verpflichtet das Gericht eine Behörde oder einen Sozialleistungsträger dazu, eine bestimmte Leistung vorläufig zu gewähren oder eine bestimmte vorläufige Entscheidung zu treffen.
Beispiele:
Wer eine einstweilige Anordnung beantragt, muss dem Gericht 2 Dinge glaubhaft machen:
Glaubhaftmachen ist weniger als beweisen. Wer etwas glaubhaft macht, muss das Gericht nicht voll überzeugen. Es reicht, wenn das Gericht die behauptete Tatsache für überwiegend wahrscheinlich hält. Deswegen reicht bei Anträgen auf eine einstweilige Anordnung zum Teil eine sog. eidesstattliche Versicherung aus, wenn kein richtiger Beweis möglich ist. Das ist eine Erklärung, die aus folgendem Grund besonders glaubhaft ist: Falsche eidesstattliche Erklärungen sind strafbar. Es droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren.
Nach einer einstweiligen Anordnung ist noch nicht klar, wie das Hauptsacheverfahren ausgehen wird. Die Gerichte entscheiden im Hauptsacheverfahren zwar häufig genauso wie im Eilverfahren, aber nicht immer. Wer im Eilverfahren gewinnt, aber im Hauptsacheverfahren verliert, muss erhaltenes Geld zurückzahlen oder die Kosten für die erhaltene Leistung erstatten.
Im Sozialrecht geht es oft um hohe Summen und die Betroffenen sind nur selten nach der Entscheidung über die Hauptsache in der Lage, so viel zu bezahlen. Ein Eilverfahren kann darum bedeuten, über lange Zeit Schulden zurückzahlen zu müssen. Wer beim Jobcenter oder beim Sozialamt Schulden hat, bekommt oft über lange Zeit etwas weniger Geld pro Monat ausgezahlt, um so die Schulden zu begleichen.
Bei Schulden kann eine Privatinsolvenz sinnvoll sein, auch wenn es Schulden beim Jobcenter oder beim Sozialamt sind. Näheres unter Schulden.
Widersprüche und Klagen können aufschiebende Wirkung haben. Das bedeutet, dass der angegriffene Bescheid erst wirksam wird, wenn über den Widerspruch oder die Klage eine Entscheidung gefallen ist.
Manche Widersprüche und Klagen haben automatisch aufschiebende Wirkung, andere nicht. Wenn ein Widerspruch oder eine Klage keine aufschiebende Wirkung hat, dann kann die betroffene Person beim Gericht die aufschiebende Wirkung beantragen. Damit können sich Betroffene gegen belastende Bescheide wehren.
Beispiel:
Das Jobcenter verpflichtet Frau Melnik zu einem unnötigen Bewerbungstraining. Sie legt dagegen einen Widerspruch ein, aber der hat keine aufschiebende Wirkung. Obwohl noch nicht klar ist, ob das Jobcenter Frau Melnik wirklich zu diesem Bewerbungstraining verpflichten darf, muss sie also trotzdem erst einmal hingehen. Sie kann aber beim Sozialgericht beantragen, dass ihr Widerspruch aufschiebende Wirkung bekommt. Sobald das Gericht die aufschiebende Wirkung angeordnet hat, muss Frau Melnik nicht mehr an dem Bewerbungstraining teilnehmen, solange, bis das Jobcenter über den Widerspruch entschieden hat.
Im Sozialrecht ist oft kein Antrag auf Anordnung einer aufschiebenden Wirkung nötig, weil viele Widersprüche automatisch aufschiebende Wirkung haben.
Beispiel:
Das Jobcenter fordert von Herrn Müller 2000 € zurück, die es angeblich im letzten Jahr zu viel gezahlt hat. Herr Müller legt dagegen einen Widerspruch ein. Dieser Widerspruch hat automatisch aufschiebende Wirkung. Darum muss Herr Müller das Geld erst einmal noch nicht erstatten, bis das Jobcenter über den Widerspruch entschieden hat.
Sozialleistungsträger oder Ämter entscheiden nicht immer rechtzeitig über einen Antrag oder einen Widerspruch. Oft sind sie z.B. wegen Personalmangel überlastet. Auch die Sozialgerichte und Verwaltungsgerichte sind stark beansprucht. Gerichtsverfahren können deswegen mehrere Jahre dauern.
Menschen mit Krankheiten oder Behinderungen können aber oft nicht so lange auf Hilfe warten. Außerdem geht es im Sozialrecht häufig um existenzsichernde Leistungen, z.B. für die Miete oder fürs Essen. Ohne ein Eilverfahren können sich z.B. Krankheiten verschlimmern oder Menschen verlieren ihre Wohnung.
Für Menschen mit Behinderungen sind oft Leistungen zur Teilhabe notwendig, damit sie z.B. zur Schule gehen, eine Ausbildung machen oder Arbeiten können, damit sie Freizeitbeschäftigungen nachgehen können oder damit sie in einer eigenen Wohnung leben können. Auf beantragte Leistungen warten zu müssen, bedeutet dann oft, für lange Zeit mit sehr großen Einschränkungen leben zu müssen.
Wer einen Eilantrag bei einem Gericht stellt, muss gut begründen, warum es so eilig ist. Folgende Begründungen kann ein Gericht z.B. anerkennen:
Meistens ist das Sozialgericht für die Eilverfahren im Sozialrecht zuständig, teils aber auch das Verwaltungsgericht oder das Finanzgericht, Näheres unter Sozialgericht. Im Sozialrecht sind Gerichtsverfahren meistens für die Betroffenen kostenlos. Die wichtigste Ausnahme sind Verfahren wegen Kindergeld beim Finanzgericht: Hier berechnen sich die Gerichtskosten nach dem Streitwert.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie ein Eilantrag beim Gericht gestellt werden kann:
Im Sozialrecht fallen für die Eilverfahren zwar meistens keine Gerichtskosten an, aber eventuell Anwaltskosten.
Jeder Mensch hat ein Recht auf ein faires Eilverfahren, auch wer wenig Geld hat. Darum gibt es die Beratungshilfe für den außergerichtlichen Bereich, z.B. für eine Beratung dazu, ob ein Eilverfahren Aussicht auf Erfolg hat. Für Gerichtsverfahren gibt es Prozesskostenhilfe für notwendige Anwaltskosten.
Näheres unter Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe und Verfahrenskostenhilfe.
Bei Verfahren mit Anwaltszwang sind die Anwaltskosten immer notwendig, weil dabei anwaltliche Vertretung Pflicht ist. Ohne die Prozesskostenhilfe könnten die Betroffenen das Verfahren also gar nicht durchführen.
Für sozialrechtliche Eilverfahren besteht aber beim Sozialgericht, beim Landessozialgericht, beim Verwaltungsgericht und beim Finanzgericht kein Anwaltszwang. Das bedeutet, anwaltliche Hilfe ist dort freiwillig. Auch wenn es erlaubt ist, ein sozialrechtliches Eilverfahren ohne anwaltliche Hilfe durchzuführen, kann anwaltliche Hilfe aber notwendig sein, um die eigenen Rechte gut durchsetzen zu können. Die Sach- und Rechtslage im Sozialrecht ist oft so schwierig, dass juristische Laien damit überfordert sind. In diesen Fällen besteht auch ohne Anwaltszwang ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe für die Anwaltskosten, weil diese als notwendig anerkannt werden.
Die Gerichte haben in Eilverfahren folgende Möglichkeiten, zu einer Entscheidung zu kommen:
Wenn das Gericht die Sach- und Rechtslage schon im Eilverfahren abschließend prüfen kann, dann entscheidet es ausschließlich nach den Erfolgsaussichten und macht keine Folgenabwägung mehr.
Manchmal drohen ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare Nachteile, die das Hauptsacheverfahren nicht wieder gut machen kann, wie z.B. bleibende Gesundheitsschäden oder dass zumindest vorübergehend kein Leben in Würde möglich ist. In dem Fall gelten für das Gericht besondere Regeln. Diese hat das Bundesverfassungsgericht festgelegt:
Beispiel:
Wenn es um Bürgergeld oder Sozialhilfe geht, können die Betroffenen ohne die Leistung oft nicht menschenwürdig leben. Ohne einstweiligen Rechtschutz kann es z.B. zu Hunger und Obdachlosigkeit kommen. Solche Nachteile wiegen schwerer als der mögliche Nachteil, dass der Staat eventuell auf Dauer zu Unrecht Steuergelder verliert, weil der Mensch das Geld hinterher nicht erstatten kann.
Wenn ein Sozialgericht einen Eilantrag ablehnt, können die Betroffenen sich in vielen Fällen mit einer Beschwerde ans Landessozialgericht (LSG) dagegen wehren. Das geht ohne anwaltliche Hilfe. Die Beschwerde zum LSG ist aber nicht immer möglich, vor allem nicht, wenn es um weniger als 750 € geht. Ob die Beschwerde zum LSG möglich ist oder nicht steht unten auf der Entscheidung des Sozialgerichts.
Gegen Entscheidungen vom LSG ist keine Beschwerde mehr möglich, sondern nur noch eine Verfassungsbeschwerde, wenn Grundrechte verletzt wurden. Auch eine Verfassungsbeschwerde ist ohne anwaltliche Hilfe möglich.
Wenn ein Verwaltungsgericht oder ein Finanzgericht einen Eilantrag ablehnt, können Betroffene sich dagegen aber nur mit anwaltlicher Hilfe wehren. Bei den dafür zuständigen Oberverwaltungsgerichten oder Verwaltungsgerichtshöfen bzw. beim Bundesfinanzhof herrscht nämlich Anwaltszwang.
Wenn Sie eine Behinderung haben und vom zuständigen Kostenträger eine Teilhabeleistung nicht rechtzeitig bekommen oder bei einer unrechtmäßigen Ablehnung, gibt es eine Alternative zu einem Eilverfahren: Sie können sich unter Umständen die Leistung zunächst selbst beschaffen und sich dann die Kosten erstatten lassen. Näheres unter Selbstbeschaffung von Teilhabeleistungen. Teilhabeleistungen sind z.B. eine Ausbildung oder Umschulung, Schulbegleitung, ein Talker, ein Braille-Display, ein Berufscoaching oder eine persönliche Assistenz, die Wohnen außerhalb einer Einrichtung ermöglicht.
Prozesskostenhilfe und Verfahrenskostenhilfe
Selbstbeschaffung von Teilhabeleistungen
Rechtsgrundlagen: § 86b SGG – §§ 80 Abs. 5, 123 VwGO – §§ 96, 114 FGO