Leistungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wie z.B. eine Schulbegleitung, ein Talker, ein Braille-Display, ein Berufscoaching oder eine persönliche Assistenz, die Wohnen außerhalb einer Einrichtung ermöglicht, werden oft dringend benötigt. Wenn die dafür zuständigen Kostenträger eine Teilhabeleistung nicht rechtzeitig bewilligen oder zu Unrecht ablehnen, können die betroffenen Menschen mit Behinderungen sich unter Umständen die Leistung zunächst selbst beschaffen und sich dann die Kosten erstatten lassen.
Wenn ein Mensch mit Behinderung ein Recht auf eine Teilhabeleistung hat, gelingt es nicht immer, die Leistung auch rechtzeitig vom dafür zuständigen Kostenträger zu bekommen:
Das Sozialsystem schafft es also nicht immer, den Bedarf eines Menschen mit Behinderung rechtzeitig zu decken. Das System hat dann versagt.
Selbstbeschaffung einer Teilhabeleistung bedeutet, dass ein Mensch mit Behinderung sich selbst darum kümmert, die Leistung zu bekommen. Er kauft sich z.B. selbst einen Talker oder ein Braille-Display, stellt als Arbeitgeber selbst die benötigten Assistenzkräfte ein, oder seine Eltern beauftragen selbst einen Träger, der Schulbegleitung anbietet. Die Kosten dafür lässt der Mensch mit Behinderung sich hinterher vom zuständigen Reha-Träger erstatten.
Für die Finanzierung der Selbstbeschaffung gibt es folgende Möglichkeiten:
Für alle Reha-Träger gilt:
Selbstbeschaffte Leistungen müssen in der entstandenen Höhe erstattet werden, wenn
Für den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gibt es eine Sonderregelung. Alle folgenden Voraussetzungen müssen vorliegen:
Wenn die Voraussetzungen einer Kostenerstattung bei Systemversagen nicht vorliegen, kann ggf. ein Reha-Träger zur Kostenerstattung wegen Fristüberschreitung verpflichtet sein.
Die folgenden Fristenregelungen gelten nicht für die Träger der Eingliederungshilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der sozialen Entschädigung, aber für alle anderen Reha-Träger:
Kann der sog. leistende Reha-Träger (Näheres unter Teilhabeplanverfahren) nicht innerhalb von 2 Monaten über den Antrag entscheiden, muss er dem Menschen mit Behinderung oder dessen Vertretung auf den Tag genau mitteilen, wann dieser die Entscheidung bekommt. Zudem muss er die Fristverlängerung begründen. Es sind nur folgende Gründe zulässig:
Erfolgt keine solche Mitteilung oder liegt kein zureichender Grund vor, gilt der Antrag als genehmigt. Der Fachbegriff dafür ist "Genehmigungsfiktion". Der Mensch mit Behinderung kann sich dann die Leistung selbst beschaffen und der Reha-Träger muss zahlen (§ 18 Abs. 3 f. SGB IX).
Es gibt aber eine Ausnahme:
Die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung werden nicht erstattet, wenn und soweit der Mensch mit Behinderung oder dessen Vertretung wusste oder hätte wissen können und müssen, dass kein Anspruch auf Bewilligung der selbstbeschafften Leistungen bestanden hätte (sog. Böswilligkeit). Dadurch soll Rechtsmissbrauch verhindert werden.
Im Zweifel muss der Reha-Träger, der die Kosten erstatten soll, die Böswilligkeit vor Gericht beweisen. Das wird nicht gelingen, wenn ein Mensch mit Behinderung oder dessen Vertretung die Leistung erst nach fachlicher Beratung selbst beschafft hat. Eine unabhängige Teilhabeberatung muss dafür ausreichen. Es kann nicht verlangt werden, dass Betroffene immer erst anwaltliche Beratung einholen.
Den Antrag auf Kostenerstattung nach einer Selbstbeschaffung können Betroffene formlos beim Kostenträger stellen. Enthalten muss der Antrag
Betroffene sollten damit rechnen, dass solche Kostenerstattungsanträge zunächst abgelehnt werden. Gegen die Ablehnung ist ein Widerspruch und bei weiterer Ablehnung eine Klage ratsam. Sollte über den Antrag 6 Monate lang nicht entschieden werden (bei Zuständigkeit des Trägers der Jugendhilfe 3 Monate), kommt eine sog. Untätigkeitsklage in Betracht. Für Widersprüche und Klagen in diesem Zusammenhang fallen keine Verfahrenskosten oder Gerichtskosten an. Wer sich damit verbundene Anwaltskosten nicht leisten kann, kann Beratungshilfe und/oder Prozesskostenhilfe beantragen.
Viele Menschen mit Behinderungen haben nicht die Möglichkeit, sich eine Leistung selbst zu beschaffen. Ihnen fehlen die finanziellen Mittel dafür und es steht auch kein Träger zur Verfügung, der auf eigenes Risiko zunächst ohne Vergütung tätig werden will.
Solange der zuständige Kostenträger nicht entschieden hat, bekommen sie auch die nötige Teilhabeleistung nicht. Wird ihnen einen Leistung abgelehnt, können sie Widerspruch einlegen, aber so lange über diesen nicht entschieden wurde, bekommen sie ebenfalls noch keine Leistung.
Als Alternative zur Selbstbeschaffung haben diese Menschen die Möglichkeit, ihren Anspruch gerichtlich durchzusetzen, z.B. über ein gerichtliches Eilverfahren oder eine Untätigkeitsklage.
Diese Verfahren sind für die betroffenen Menschen mit Behinderung gerichtskostenfrei, aber die Anwaltskosten müssen zunächst selbst gezahlt werden und können nur erstattet werden, wenn das Verfahren gewonnen wird. Damit auch finanziell Bedürftige sich anwaltlich helfen lassen können, können sie Beratungshilfe und/oder Prozesskostenhilfe beantragen.
Wenn Betroffene sich eine Leistung selbst beschaffen, besteht das Risiko, dass sie das ausgelegte Geld für die Leistung nicht zurückbekommen. Wer diesen Weg geht, sollte sich dessen bewusst sein.
Bei einem gerichtlichen Eilverfahren trifft das Gericht nur eine vorläufige Entscheidung, das heißt es kann sein, dass Betroffene dann hinterher das Geld für die gewährte Leistung dem Kostenträger erstatten müssen. Auch dieses Schuldenrisiko sollte Betroffenen bekannt sein.
Bei einer Untätigkeitsklage besteht ein solches Risiko nicht. Hier verpflichtet lediglich das zuständige Gericht den Kostenträger dazu, endlich zu entscheiden oder es entscheidet selbst, ob die Leistung gewährt wird oder nicht.
Unabhängige Teilhabeberatung und ggf. eine im Sozialrecht tätige Rechtsanwaltskanzlei
Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen
Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen