Schwangerschaftsabbrüche können in Deutschland strafbar sein (§ 218 StGB). In den ersten 12 Wochen nach der Empfängnis und nach vorheriger Schwangerschaftskonfliktberatung ist ein ärztlich durchgeführter Schwangerschaftsabbruch aber nicht strafbar (§ 218a Abs. 1 StGB), für die Schwangere selbst sogar in den ersten 22 Wochen (§ 218a Abs. 4 Satz 1). In anderen Fällen kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Schwangere beim Eingriff in besonderer Bedrängnis war. Daneben gibt es auch gerechtfertigte (= nicht rechtswidrige) Schwangerschaftsabbrüche, bei denen die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Mit medizinischer Indikation sind sie bis zur Geburt möglich, mit kriminologischer Indikation nur in den ersten 12 Wochen nach der Empfängnis.
Die Krankenkassen bezahlen Schwangerschaftsabbrüche, wenn sie gerechtfertigt (= nicht rechtswidrig) sind (§ 24b SGB V).
Nicht rechtswidrig sind ärztlich durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche mit Einwilligung der Schwangeren bei medizinischer oder kriminologischer Indikation.
Dass ein Schwangerschaftsabbruch gerechtfertigt ist, bedeutet: Er erfüllt zwar den Tatbestand einer Straftat (§ 218 StGB), ist aber erlaubt, weil es einen von unserem Staat anerkannten guten Grund (= Rechtfertigungsgrund) dafür gibt. Ein anderes Beispiel für einen Rechtfertigungsgrund für Straftaten ist Notwehr.
Eine medizinische Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch liegt nur vor, wenn aus ärztlicher Sicht
Die aktuellen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren müssen bei der ärztlichen Feststellung berücksichtigt werden.
Bei einer medizinischen Indikation ist ein Schwangerschaftsabbruch zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft gerechtfertigt, also auch als Spätabtreibung, wenn das Kind schon außerhalb des Mutterleibs lebensfähig wäre.
Nach einer Vergewaltigung oder bei Schwangeren unter 14 Jahren wird in einigen Fällen auch eine medizinische Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch festgestellt. Der Schwangerschaftsabbruch ist dann noch nach der 12. Woche möglich.
Keine Indikation für einen nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch sind (anders als früher)
Diese sog. embryopathische Indikation wurde 1995 abgeschafft.
In der Praxis wird allerdings in diesen Fällen oft festgestellt, dass eine medizinische Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch vorliegt, dass also die Gesundheit der Schwangeren schwerwiegend gefährdet ist oder ihr Leben gefährdet ist. Wenn keine anderen Gründe gefunden werden, dann wird es z.B. meist als schwerwiegende Gefährdung der seelischen Gesundheit der Schwangeren anerkannt, wenn sie mit einem Kind mit Behinderung leben muss.
Dagegen wird in der Praxis selten als schwerwiegende Gefährdung der seelischen Gesundheit der Schwangeren anerkannt, wenn sie darunter leidet, dass sie gegen ihren Willlen schwanger bleiben und Mutter werden muss, obwohl Selbstbestimmung sehr wichtig für die seelische Gesundheit ist.
Eine kriminologische Indikation liegt in den ersten 12 Wochen seit der Empfängnis vor, wenn ärztliche festgestellt wurde, dass die Schwangerschaft sehr wahrscheinlich auf einer der folgenden Straftaten beruht:
Dafür ist weder eine Strafanzeige noch eine Verurteilung des Täters nötig.
Schwangere müssen vor einem gerechtfertigten Schwangerschaftsabbruch nicht zur Schwangerschaftskonfliktberatung in eine Beratungsstelle.
Allerdings dürfen Ärzte einen gerechtfertigten Schwangerschaftsabbruch mit medizinischer oder kriminologischer Indikation nur vornehmen, wenn ihnen vorher eine schriftliche Bescheinigung über diese Indikation von einem anderen Arzt vorliegt.
Ärzte dürfen eine Bescheinigung über eine medizinische Indikation nur unter folgenden Voraussetzungen ausstellen, sonst müssen sie ein Bußgeld zahlen:
Die ärztliche Beratung muss folgende Inhalte haben:
Wenn Pränataldiagnostik ergibt, dass sehr wahrscheinlich die körperliche oder geistige Gesundheit des Kindes nach der Geburt geschädigt sein wird, muss die Beratung zusätzlich folgende Inhalte haben:
Wenn der beratende Arzt selbst keine Erfahrungen mit der zu erwartenden Gesundheitsschädigung bei geborenen Kindern hat, muss er für die Beratung einen darin erfahrenen Arzt hinzuziehen. Die Beratung muss allgemeinverständlich und ergebnisoffen sein. Das bedeutet, dass die Schwangere weder zu einem Abbruch noch zu einer Fortsetzung der Schwangerschaft gedrängt werden darf.
Nach der Bedenkzeit, aber bevor die medizinische Indikation bescheinigt wird, muss die Schwangere eine schriftliche Bestätigung über die ärztliche Beratung, Information und Vermittlung oder den Verzicht darauf unterschreiben.
Gewährt werden in allen Fällen
Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit durch einen gerechtfertigten Schwangerschaftsabbruch besteht in der Regel Anspruch auf Entgeltfortzahlung bzw. Krankengeld.
Ein Schwangerschaftsabbruch (auch ohne medizinische oder kriminologische Indikation) ist straffrei, wenn alle folgenden Voraussetzungen vorliegen:
Schwangerschaftsabbrüche unter diesen Voraussetzungen brauchen keine Rechtfertigung, weil ohnehin keine Strafe droht, gelten aber trotzdem als unrechtmäßig.
Die Kosten eines straffreien Schwangerschaftsabbruchs ohne medizinische oder kriminologische Indikation muss die Patientin tragen: Sie betragen nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung etwa 300 bis 700 € für einen ambulanten Abbruch.
Dazu gehören die Kosten für den Abbruch selbst und die Nachbehandlung bei einem Verlauf ohne Komplikationen.
Die Krankenkasse übernimmt aber die Kosten für ärztliche Beratung zum Erhalt oder Abbruch der Schwangerschaft und die ärztliche Behandlung vor und nach dem Eingriff, Medikamente, Verbandmittel, Heilmittel (z.B. Physiotherapie) und eine Krankenhausbehandlung aus folgenden Gründen:
Es besteht kein Anspruch auf Krankengeld. Der Arzt kann jedoch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen, sodass die Betroffene Entgeltfortzahlung erhält.
Die vorhergehende Beratung durch die Beratungsstelle ist kostenlos und wird auf Wunsch anonym durchgeführt. Die Beraterinnen stehen unter Schweigepflicht.
Die Beratung ist ergebnisoffen, soll ermutigen, aber weder belehren noch bevormunden und dient zwar dem Lebensschutz, aber die Entscheidung trifft allein die Schwangere. Sie wird nicht zu einer bestimmten Entscheidung gedrängt und muss sich auch nicht rechtfertigen.
Laut Gesetz wird zwar von der Schwangeren erwartet, dass sie im Beratungsgespräch die Gründe nennt, warum sie über einen Abbruch nachdenkt, und dass sie diese Gründe mit der Beraterin erörtert, aber sie darf nicht dazu gezwungen werden.
Zum Beratungsinhalt gehören auch alle von der Schwangeren benötigen medizinischen, sozialen und juristischen Informationen, auch über Rechtsansprüche von Mutter und Kind nach einer Geburt und mögliche praktische Hilfen, besonders wenn sie die Fortsetzung der Schwangerschaft erleichtern und die spätere Lage der Mutter und des Kindes verbessern können. Ihr muss auch konkrete Hilfe angeboten werden, z.B. beim Stellen von Anträgen auf Sozialleistungen, bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach Betreuungsplätzen für das Kind. Die Schwangere kann z.B. bei Bedarf direkt einen Antrag bei der Bundesstiftung "Mutter und Kind" auf finanzielle Hilfen stellen, falls sie sich dafür entscheidet, das Kind auszutragen. Auch eine Nachbetreuung muss ihr angeboten werden.
Nur wenn die Schwangere es wünscht, gehört auch eine Aufklärung über Verhütungsmöglichkeiten dazu.
Nach der Beratung wird eine schriftliche Bestätigung der Beratung ausgestellt. Dieser Beratungsschein muss Namen und Datum, darf aber keine Gesprächsinhalte enthalten.
Die wesentlichen Inhalte des Beratungsgesprächs und die angebotenen Hilfen muss die Beraterin zwar zur Qualitätskontrolle der Beratungseinrichtung aufschreiben, aber nur in anonymisierter Form.
Für die Schwangere selbst ist ein ärztlich durchgeführter Schwangerschaftsabbruch nach einer Schwangerschaftskonfliktberatung mit entsprechender Bescheinigung auch noch nach der 12. Woche nach der Empfängnis bis zur 22. Woche straffrei.
Allerdings ist ein solcher Schwangerschaftsabbruch ohne medizinische Indikation rechtswidrig und für Ärzte und andere Beteiligte auch strafbar. Deswegen haben Schwangere in dieser Schwangerschaftsphase in der Regel nur noch mit medizinischer Indikation eine tatsächliche Möglichkeit zu einem straffreien Schwangerschaftsabbruch.
Bei einem Schwangerschaftsabbruch ohne Einhaltung der genannten Regeln kann das zuständige Strafgericht von einer Strafe absehen, wenn die Schwangere in besonderer Bedrängnis war. In dem Fall hat die Frau zwar eine rechtswidrige Straftat begangen und ist auch schuldig, aber sie wird trotzdem nicht bestraft. Das ist immer eine Einzelfallentscheidung und die Schwangere muss darlegen, warum sie nicht den straffreien oder gerechtfertigten Weg wählen konnte, am Besten mit anwaltlicher Strafverteidigung.
Diese Regelung ist vor allem bei nichtärztlich durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen relevant, z.B. wenn die Schwangere in großer Not den Schwangerschaftsabbruch selbst durchführt. Bei ärztlichen Schwangerschaftsabbrüchen werden normalerweise die Regeln für einen nichtrechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch oder die Fristen- und Beratungsregeln eingehalten.
Wenn nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz die Kosten nicht zumutbar sind, erstatten die gesetzlichen Krankenkassen auf Antrag die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche. Schwangere ohne gesetzliche Krankenversicherung können sich für den Antrag eine gesetzliche Krankenversicherung an ihrem Wohnsitz oder Aufenthaltsort aussuchen.
Die Kasse hat nur das Recht, Auskünfte über das persönliche Einkommen und Vermögen einzuholen, nicht über die Gründe des Abbruchs. Die Schwangere muss die Kostenübernahme vor dem Abbruch beantragen, sonst lehnt die Krankenkasse sie ab.
Die Kostenübernahme kommt in Frage bei
In allen Fällen muss die Schwangere ihre finanzielle Bedürftigkeit nachweisen und Belege dafür einreichen.
Wann die Schwangere als finanziell bedürftig gilt, ist genau geregelt (§ 19 SchKG).
Schwangere, die eine der folgenden Sozialleistungen beziehen, müssen nur den Leistungsbescheid vorlegen:
Alle anderen Schwangeren müssen konkrete Nachweise über ihr Einkommen und Vermögen vorlegen.
Folgende Einkommensgrenzen gelten:
Einkünfte der Eltern, des Ehegatten, des Lebenspartners oder anderer Personen bleiben unberücksichtigt.
Wenn eine Schwangere Vermögen hat, muss sie es in der Regel für die Kosten des Schwangerschaftsabbruchs einsetzen und bekommt keine Kostenerstattung.
Ausnahmen:
Private Krankenversicherungen übernehmen die Kosten nicht ohne medizinische oder kriminologische Indikation. Schwangere mit keinem oder geringem Einkommen können sich zur Kostenübernahme an eine gesetzliche Krankenversicherung ihrer Wahl wenden.
Bei ausschließlich kriminologischer Indikation kann es sein, dass die private Krankenversicherung eine Kostenerstattung verweigert. Wenn die privatversicherte Schwangere nicht finanziell bedürftig ist, muss sie in dem Fall den Abbruch trotz kriminologischer Indikation selbst bezahlen.
Die Krankenasse prüft den Antrag und wenn die Voraussetzungen für die Kostenübernahme vorliegen, muss sie so schnell wie möglich eine Bescheinigung für die Kostenübernahme (= Berechtigungsschein) ausstellen. Damit kann die Frau in eine Arztpraxis oder Klinik ihrer Wahl gehen und den Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen.
Die Praxis oder Klinik rechnet anschließend direkt mit der Krankenkasse ab. Später holt sich die Krankenkasse das Geld vom jeweiligen Bundesland zurück, denn nicht die Krankenkassen, sondern die Bundesländer müssen am Ende die Kosten tragen.
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht bis zu 6 Wochen durch den Arbeitgeber bei jedem ärztlich vorgenommenen Schwangerschaftsabbruch, unabhängig ob rechtswidrig/straffrei oder nicht rechtswidrig (§ 3 Abs. 2 EntgeltfortzahlungsG).
In der "Richtlinie zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch" des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) können Sie z.B. nachlesen, welche Kosten Sie bei einem Schwangerschaftsabbruch ohne medizinische oder kriminologische Indikation selbst tragen müssen. Die Richtlinie können Sie unter www.g-ba.de > Richtlinien herunterladen.
Auskünfte erteilen Ärzte, Gesundheitsämter, Krankenkassen und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und andere Beratungsstellen für Schwangere oder auch allgemeine Frauenberatungsstellen.
Beratungsstellen vor Ort finden Sie unter www.familienplanung.de > Beratung. Dort können Sie auch auswählen, dass nur Beratungsstellen angezeigt werden sollen, die einen Beratungsschein für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen angezeigt werden sollen.
Erste Anlaufstelle können Hilfetelefone sein:
Die Gespräche der Hilfetelefone sind kostenlos und anonym, es werden keine Daten gespeichert. Auf Wunsch empfehlen die Beraterinnen am Telefon Ansprechpartner vor Ort.
Hilfe vom Sozialamt zu Schwangerschaft, Entbindung und Mutterschaft
Mittel der Bundesstiftung "Mutter und Kind"
Rechtsgrundlagen: § 24b SGB V - SchKG - §§ 218a, 218b, 219 StGB