Entgeltfortzahlung

1. Das Wichtigste in Kürze

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhalten Arbeitnehmende, wenn sie arbeitsunfähig sind und ihr Arbeitsverhältnis schon mindestens 4 Wochen dauert. Die Arbeitsunfähigkeit muss dem Arbeitgeber gemeldet werden. Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung beträgt 6 Wochen.

2. Gesetzliche Grundlage der Entgeltfortzahlung

Die Entgeltfortzahlung ist im Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt. Dort finden sich neben den Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch solche zur Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen und zur wirtschaftlichen Sicherung bei Krankheit sowie der Feiertagsbezahlung von Beschäftigten in Heimarbeit.

3. Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung

  • Entgeltfortzahlung erhalten alle Arbeitnehmenden, die ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis von mind. 4 Wochen vorweisen können. Das gilt auch für geringfügig Beschäftigte und Auszubildende, unabhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit.
  • Als arbeitsunfähig gilt, wer die vertraglich vereinbarten Leistungen in Folge einer Krankheit oder eines Unfalls nicht erbringen kann, oder wer Gefahr läuft, dass sich eine Erkrankung durch Weiterarbeiten verschlimmern würde. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn zunächst noch ein Weiterarbeiten möglich wäre, aber bei einem Weiterarbeiten absehbar ist, dass es zu einer Arbeitsunfähigkeit kommen würde.
  • Die Arbeitsunfähigkeit muss ohne Verschulden der arbeitnehmenden Person eingetreten sein.
    Als selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit gilt ein vorwerfbares Verhalten, z.B. Verkehrsunfall infolge von Trunkenheit oder grob fahrlässigem Verhalten, grob fahrlässige Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften, eine besonders gefährliche oder die Kräfte übersteigende Nebentätigkeit oder selbst provozierte Raufereien.
    Unachtsamkeit allein genügt nicht, um eine Entgeltfortzahlung zu verweigern.
  • Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht auch bei

3.1. Praxistipp

Wenn Sie innerhalb der ersten 4 Wochen nach Beginn Ihres Arbeitsverhältnisses krank werden, bekommen Sie zwar keine Entgeltfortzahlung, aber Sie haben in der Regel Anspruch auf Krankengeld. Dafür müssen Sie sich schon am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit krankschreiben lassen, weil der Krankengeldanspruch erst am Tag der Krankschreibung (= Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) beginnt. Ein Antrag ist nicht nötig, sondern nur die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss bei der Krankenkasse vorliegen. Bei gesetzlich Krankenversicherten übermittelt in der Regel die Arztpraxis oder das Krankenhaus die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung elektronisch an die Krankenkasse. Näheres unter Arbeitsunfähigkeit.

4. Pflichten von Arbeitnehmenden

  • Die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer müssen dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden.
  • Besteht die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, muss am folgenden Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) (= Krankschreibung) vorliegen, aus der auch die voraussichtliche Dauer der Erkrankung hervorgeht. Seit 1.1.2023 müssen Arbeitgebende die elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU) digital bei den Krankenkassen ihrer Beschäftigten abrufen.
    Bis 31.12.2022 hatten Beschäftigte eine Übermittlungspflicht an den Arbeitgeber. Diese ist entfallen, außer die Arztpraxis hat technische Probleme bei der digitalen Übermittlung. Dann gibt es weiter Papierausdrucke, die zum Arbeitgeber geschickt werden müssen.
    Arbeitgebende können jedoch auch früher eine ärztliche Bescheinigung fordern und abrufen. Falls die Arbeitsunfähigkeit länger andauert, müssen Beschäftigte wie bisher für eine weitere Krankschreibung durch die Praxis sorgen.
  • Für Privatversicherte gibt es keine eAU, sondern weiterhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auf Papier.
  • Gibt es keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, kann der Betrieb die Entgeltfortzahlung verweigern, muss sie jedoch bei Vorliegen der eAU rückwirkend ab dem ersten Arbeitsunfähigkeitstag nachzahlen. Wer trotz Aufforderung des Arbeitgebenden nicht in eine Arztpraxis geht und die Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lässt, kann nach entsprechender Weisung und Abmahnung auch gekündigt werden.
  • Werden Arbeitnehmende im Ausland krank, sind sie ebenfalls zur Mitteilung verpflichtet. Zusätzlich muss die voraussichtliche Dauer und die genaue Auslandsadresse mitgeteilt sowie die Krankenkasse benachrichtigt werden. Hält die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage an, ist auch aus dem Ausland eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Die Meldung aus dem Ausland läuft nicht digital. Hier besteht die Vorlagepflicht der Beschäftigten weiter.
  • Die Diagnose muss dem Betrieb nur mitgeteilt werden, wenn dieser Maßnahmen zum Schutz von anderen Arbeitnehmenden ergreifen muss.

5. Zweifel an der Krankschreibung

Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber von der Krankenkasse der betroffenen Person verlangen, dass diese ein Gutachten des Medizinischen Dienstes (MD) einholt. Dazu sind die Krankenkassen grundsätzlich verpflichtet, außer wenn sich die AU eindeutig durch die vorhandenen ärztlichen Unterlagen belegen lässt.

Arbeitgeber können an der Arbeitsunfähigkeit zweifeln, wenn die Beschäftigten während der Entgeltfortzahlung eine Nebentätigkeit ausüben, aber die Zweifel sind nicht immer berechtigt:

Viele denken, Arbeitsunfähigkeit bedeute, nicht arbeiten zu können, aber so einfach ist es nicht. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer wegen einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr seiner bisherigen Arbeit nachkommen kann, oder wenn das Arbeiten zu einer Verschlimmerung des Gesundheitszustands führen könnte. Eine andere Arbeit kann durchaus noch möglich sein.

Beispiel: Ein Erzieher ist wegen Mobbing am Arbeitsplatz depressiv geworden und kann nicht dorthin zurück. Er kann aber Kletterkurse für Kinder geben. Die damit verbundene Bewegung kann sogar dazu beitragen, die Depression zu verringern.

Eine Nebentätigkeit während der Entgeltfortzahlung ist erlaubt, wenn sie die Genesung fördert oder ihr zumindest nicht schadet. Die Arbeitsunfähigkeit darf dann nur für die Haupttätigkeit bestehen, nicht für die Nebentätigkeit, so wie oben im Beispiel des Erziehers.

Viele Arbeitsverträge und viele Tarifverträge enthalten aber eine Klausel, dass Nebentätigkeiten immer vorher angemeldet werden müssen und oft auch, dass eine Genehmigung des Arbeitgebers nötig ist.

6. Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

  • Die gesetzliche Anspruchsdauer auf Entgeltfortzahlung beträgt 6 Wochen. Manche Tarif- oder Arbeitsverträge sehen eine längere Leistungsdauer vor. Sie beginnt in der Regel mit dem ersten Tag der Erkrankung. Entsteht die Erkrankung während der Arbeit, so besteht für diesen Tag kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sondern auf das volle Arbeitsentgelt. Die fehlenden Stunden müssen nicht nachgearbeitet werden. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung beginnt dann erst am nächsten Tag.
  • Im Anschluss an die Entgeltfortzahlung gibt es in der Regel Krankengeld.
  • Jede Arbeitsunfähigkeit, die auf einer neuen Krankheit beruht, führt in der Regel zu einem neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Kommt es nach Ende der ersten Arbeitsunfähigkeit zu einer anderen Krankheit samt Arbeitsunfähigkeit, so beginnt ein neuer Zeitraum der Entgeltfortzahlung von 6 Wochen. Falls jedoch während einer Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, verlängern sich die 6 Wochen Entgeltfortzahlung nicht.
  • Wegen derselben Erkrankung besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch nur für insgesamt 6 Wochen. Ein erneuter Anspruch besteht erst, wenn Arbeitnehmende mindestens 6 Monate nicht wegen derselben Erkrankung arbeitsunfähig waren oder wenn seit Beginn der ersten Erkrankung infolge derselben Krankheit 12 Monate verstrichen sind.
    Dieselbe Erkrankung bedeutet, dass sie auf derselben Ursache und demselben Grundleiden beruht.
  • Nach einem Wechsel des Arbeitsverhältnisses muss die Frist von 6 Monaten nicht erfüllt werden, nur die 4 Wochen ununterbrochene Beschäftigung.

Fallbeispiele:

Herr Maier hat Migräne und fällt deswegen immer wieder an einzelnen Tagen oder für wenige Tage auf Grund von Anfällen aus.

  • In seinem neuen Arbeitsverhältnis fällt er zum ersten Mal am 1.1.2023 wegen Migräne für einen Tag aus und bekommt Entgeltfortzahlung.
  • Danach fällt er noch viele Male wegen Migräne aus. Der längste Abstand zwischen zwei Krankschreibungen liegt bei 4 Wochen.
  • Am 30.10.2023 erleidet er erneut einen Migräneanfall und lässt sich für 2 Tage krankschreiben. Doch bis dahin war er schon insgesamt 6 Wochen wegen Migräne krankgeschrieben, weshalb er dieses Mal Krankengeld beantragen muss, weil er kein Recht mehr auf Entgeltfortzahlung hat.
  • Am 20. November erkrankt er erneut, dieses Mal ist es aber kein Migräneanfall, sondern eine Grippe mit hohem Fieber. Weil es sich um eine neue Erkrankung handelt, bekommt er jetzt wieder die Entgeltfortzahlung.
  • Als er am 4.1.2024 erneut eine Krankschreibung wegen eines Migräneanfalls braucht, bekommt er ebenfalls wieder Entgeltfortzahlung, weil die 12 Monate seit der ersten Krankschreibung wegen Migräne schon vergangen sind.

 

Frau Ylmaz hat eine Epilepsie.

  • Sie erleidet einen Unfall als Anfallfolge, weswegen sie 6 Wochen am Stück krankgeschrieben ist.
  • 5 Monate und 3 Wochen nach Ende dieser Krankschreibung erleidet sie einen erneuten Anfall und fällt für 3 Tage aus. Sie hat dafür keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung und muss Krankengeld beantragen.
  • Wäre der Anfall erst einige Tage später gekommen, hätten 6 Monate zwischen den zwei Krankschreibungen gelegen. In dem Fall hätte sie einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gehabt.

7. Höhe der Entgeltfortzahlung

Die Entgeltfortzahlung beträgt 100 % des bisherigen üblichen Arbeitsentgelts. Berechnungsgrundlage ist das gesamte Arbeitsentgelt mit Zulagen, z.B.:

  • Zulagen für Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit, Schichtarbeit, Gefahren, Erschwernisse usw.
  • Vermögenswirksame Leistungen.
  • Ersatz für Aufwendungen, die auch während der Krankheit anfallen.
  • Mutmaßliche Provision für Beschäftigte, die festgelegte Provisionsfixa, Umsatz- und Abschlussprovisionen erhalten.
  • Allgemeine Lohnerhöhungen oder Lohnminderungen.

In Tarifverträgen kann die Grundlage für die Bemessung der Entgeltfortzahlung abweichend von den gesetzlichen Regelungen bestimmt werden.

Im Arbeitsvertrag oder in einer Vereinbarung zum Arbeitsvertrag kann geregelt sein, dass Sondervergütungen während der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gekürzt werden. Die Kürzung darf pro Tag höchstens 1/4 des durchschnittlichen Arbeitsentgelts pro Tag im Jahresdurchschnitt betragen.

Wenn ein Betrieb eine Entgeltfortzahlung trotz unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit verweigert, muss von der Krankenkasse Krankengeld gezahlt werden. Die Krankenkasse hat dann in der Regel einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Betrieb.

8. Erstattung von Teilen der Entgeltfortzahlung für Betriebe über das Umlageverfahren U1

Insbesondere für kleine Betriebe mit wenigen Beschäftigten kann die Pflicht zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eine große Belastung darstellen. Deshalb gibt es das Umlageverfahren U1. Wer weniger als 30 Beschäftigte in Vollzeit hat, nimmt daran verpflichtend teil. Darüber hinaus können auch Betriebe mit mehr Beschäftigten umfasst sein, z.B. wenn dort Menschen mit Schwerbehinderung arbeiten.

Diese Betriebe zahlen eine monatliche Umlage. Aus der U1-Umlage können die Betriebe sich bis zu 80 % der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erstatten lassen. Die Erstattung müssen die Betriebe beantragen.

9. Praxistipps

  • Das Krankengeld ist niedriger als die Entgeltfortzahlung. Wenn es zum Leben nicht reicht, können Sie ggf. Bürgergeld (früher: Arbeitslosengeld II, Hartz IV) vom Jobcenter erhalten, um das Krankengeld damit aufzustocken.
  • Wird Ihnen die Entgeltfortzahlung verweigert, z.B. wenn bei einem Teilzeitjob verlangt wird, dass Sie an einem anderen Tag die Stunden nachholen, oder weil angezweifelt wird, dass Sie arbeitsunfähig waren, können Sie die Entgeltfortzahlung vor dem Arbeitsgericht einklagen. Beachten Sie dabei jedoch, dass Sie Ihre Anwaltskosten für einen Streit vor dem Arbeitsgericht in der 1. Instanz immer selbst bezahlen müssen, auch wenn Sie den Prozess gewinnen.
    Anwaltliche Hilfe kann sich für Sie also nur lohnen, wenn die ausstehende Entgeltfortzahlung abzüglich des Krankengelds, das sie stattdessen bekommen, höher ist als die Anwaltskosten. Die Anwaltskosten für ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht mit Termin betragen in der Regel mindestens 169,58 €.
    Haben Sie zu wenig Geld, um sich den Prozess und die Anwaltskosten leisten zu können, können Sie Prozesskostenhilfe beantragen. Für anwaltliche Beratung vor einer Klage können Sie bei finanzieller Bedürftigkeit ggf. Beratungshilfe erhalten.

10. Wer hilft weiter?

Weitere Informationen erteilen die Arbeitgebenden oder das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Thema Arbeitsrecht), Telefon 030 221911-004, Mo–Do 8–17 und Fr 8–12 Uhr.

11. Verwandte Links

Arbeitsunfähigkeit

Krankengeld

Verletztengeld

Stufenweise Wiedereingliederung

Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit

Arbeitslosengeld > Nahtlosigkeit

 

Rechtsgrundlagen: EntgFG

Letzte Bearbeitung: 18.12.2024

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