Bei einer chronischen Hepatitis kann vom Versorgungsamt auf Antrag ein Grad der Behinderung (GdB) bzw. ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) festgestellt werden. Die Höhe des GdB/GdS richtet sich bei chronischer Hepatitis nach der Entzündungsaktivität, bei den sonstigen Leberschäden meist nach den Funktionsbeeinträchtigungen.
Das Versorgungsamt, Amt für Soziale Angelegenheiten oder Amt für Soziales und Versorgung richtet sich bei der Feststellung der Behinderung nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (= Anlage 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung). Diese enthalten Anhaltswerte über die Höhe des Grads der Behinderung (GdB) bzw. des Grads der Schädigungsfolgen (GdS). Die Bezeichnung GdS wird im Sozialen Entschädigungsrecht verwendet. Im Unterschied zum GdB, bei dem jede Behinderung unabhängig von ihrer Ursache berücksichtigt wird, zählt beim GdS nur die Schädigungsfolge.
Beispiel: Frau B. hat sich Ende der 70er Jahre durch ein mit Viren belastetes Blutprodukt mit Hepatitis C infiziert und dadurch eine Behinderung. Später hat sie sich bei einem Autounfall die Hüfte gebrochen, was ihre Behinderung verstärkt hat. Beim GdS zählen nur die Folgen der chronischen Hepatitis, beim GdB zählen auch die Auswirkungen des Autounfalls dazu.
Die Versorgungsmedizin-Verordnung mit der besonders wichtigen Anlage 2 gibt es in ständig aktualisierter Form unter www.gesetze-im-internet.de/versmedv/anlage.html oder als übersichtliche Broschüre mit einer erläuternden Einleitung zum PDF-Download beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter www.bmas.de > Suchbegriff: "K710".
Der GdB/GdS wird nur auf Antrag festgestellt, Näheres unter Grad der Behinderung.
Ab einem GdB von 50 besteht ein Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis.
Unter chronischer Hepatitis werden alle chronischen Verlaufsformen von Leberentzündungen (Hepatitiden) zusammengefasst. Dazu gehören insbesondere eine Leberentzündung aufgrund einer Virusinfektion, als Autoimmunerkrankung, als Nebenwirkung von Medikamenten und mit unbekannter Ursache (= kryptogene Hepatitis).
Folgende Regeln gelten, wenn die Hepatitis aufgrund ihrer Symptome (der sog. klinischen Auswirkungen) festgestellt wurde:
Chronische Hepatitis |
GdB/GdS |
ohne (klinisch-)entzündliche Aktivität |
20 |
mit geringer (klinisch-)entzündlicher Aktivität |
30 |
mit mäßiger (klinisch-)entzündlicher Aktivität |
40 |
mit starker (klinisch-)entzündlicher Aktivität, je nach Funktionsstörung |
50–70 |
bei der sich nur das Virus vermehrt, aber der Mensch als Virusträger gesund bleibt (= alleinige Virus-Replikation) |
10 |
Wenn die Leberentzündung durch Laboruntersuchung einer kleinen Gewebeprobe aus der Leber festgestellt wurde (= histologischer Befund) gelten für Leberentzündungen, die von Viren verursacht wurden, folgende Besonderheiten:
Der GdB/GdS ergibt sich aus folgender Tabelle. Diese GdB/GdS-Werte berücksichtigen die üblichen Symptome (= klinischen Auswirkungen) mit.
Fibrose** null – gering |
Fibrose mäßig |
Fibrose stark |
|
Nekro-inflammatorische Aktivität* gering |
20 |
20 |
30 |
Nekro-inflammatorische Aktivität mäßig |
30 |
40 |
40 |
Nekro-inflammatorische Aktivität stark |
50 |
60 |
70 |
* Nekro-inflammatorische Aktivität = Entzündung und Absterben von Leberzellen
** Fibrose = stark vermehrtes Bindegewebe in der Leber
Die Laborbefunde werden in der Regel anhand des sog. modifizierten histologischen Aktivitätsindex (HAI) ausgewertet. Das ist eine wissenschaftliche Einteilung, die bei Leberentzündungen in der Medizin verwendet wird.
Für Virushepatitis C gelten bei fehlender Gewebeuntersuchung im Hinblick auf die chemischen Laborwerte folgende Besonderheiten:
ALAT/GPT ist ein Enzym, dass in der Leber gebildet wird und einen Hinweis auf die Leberfunktion geben kann. Ein Anstieg von ALAT/GPT weist darauf hin, dass die Leber geschädigt ist. Die Bewertungen der ALAT-/GPT-Werte werden nur berücksichtigt, wenn sie sich in das klinische Gesamtbild des bisherigen Verlaufs einfügen.
Die nachfolgenden Angaben gelten unabhängig davon, was den Leberschaden ausgelöst hat.
GdB/GdS |
|
Fibrose der Leber ohne Komplikationen |
0–10 |
Leberzirrhose |
|
kompensiert inaktiv (= keine oder kaum Symptome, nicht voranschreitend) |
30 |
kompensiert gering aktiv (= keine oder kaum Symptome, nur wenig voranschreitend) |
40 |
kompensiert stärker aktiv (= keine oder kaum Symptome, stärker voranschreitend) |
50 |
dekompensiert, also mit deutlichen Symptomen und z.B. mit Aszites (= Wasser im Bauch), portaler Stauung (= Bluthochdruck in bestimmten Adern, der zu inneren Blutungen führen kann), hepatische Enzephalopathie (= Schädigung des Gehirns durch die Leberentzündung) |
60–100 |
GdB/GdS |
|
Fettleber (auch ernährungsbedingt oder durch Gifte verursacht, wie z.B. Alkohol oder Medikamente) |
0–10 |
Toxischer Leberschaden: |
|
Kreislaufstörungen der Leber (z.B. Pfortaderthrombose): |
|
Leberteilresektion (= durch Operation wird ein Teil der Leber entfernt): |
Das Amt muss in den ersten Jahren nach folgenden Eingriffen einen GdB von 100 während der Zeit der sog. Heilungsbewährung feststellen:
Nach einer Lebertransplantation muss das Immunsystem unterdrückt werden. Deshalb muss das Amt dabei nach der Heilungsbewährung auch bei günstigem Heilungsverlauf mindestens einen GdB/GdS von 60 feststellen.
Mit einem festgestellten GdB kommen folgende Hilfen und Nachteilsausgleiche in Betracht:
Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über alle GdB-abhängigen Nachteilsausgleiche: GdB-abhängige Nachteilsausgleiche
Ja nach Art und Umfang der Behinderungen durch die chronische Hepatitis können bestimmte Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis eingetragen werden. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über alle Nachteilsausgleiche bei Merkzeichen: Merkzeichenabhängige Nachteilsausgleiche
Menschen mit Behinderungen haben außerdem Anspruch auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe, auch wenn bei ihnen (noch) kein GdB festgestellt wurde.
Beispiele:
Hepatitis C > Finanzielle Hilfen