1. Das Wichtigste in Kürze
Bei einer rechtlichen Betreuung legt das Betreuungsgericht sog. Aufgabenbereiche fest. Aus diesen ergeben sich die Aufgaben des rechtlichen Betreuers, den das Gericht einsetzt, wenn sich ein Mensch z.B. nach einem Unfall, im Krankheitsfall oder bei einer Behinderung nicht mehr selbst um seine eigenen Angelegenheiten kümmern kann. Wer für diesen Fall vorsorgen möchte, kann in einer Betreuungsverfügung Wünsche zur rechtlichen Betreuung festhalten, Näheres unter Betreuungsverfügung. Wer in einer Vorsorgevollmacht alle üblichen Aufgabenbereiche berücksichtigt, sorgt dafür, dass keine rechtliche Betreuung nötig wird, weil dann bereits umfassend geregelt ist, wer bei Bedarf die anstehenden Entscheidungen treffen kann.
Im Folgenden werden die wichtigsten Aufgabenbereiche dargestellt. Diese Aufgabenbereiche sind nicht gesetzlich festgeschrieben, d.h. dass z.B. verschiedene Betreuungsgerichte die Aufgabenbereiche unterschiedlich bezeichnen und dass die Festlegungen/Wünsche auch gelten, wenn in der Vorsorgevollmacht bzw. in der Betreuungsverfügung andere Worte als die Folgenden verwendet werden.
2. Aufgabenbereiche mit Zustimmung des Betreuungsgerichts
Die bevollmächtigte Person braucht für folgende Entscheidungen – genauso wie ein rechtlicher Betreuer – die Zustimmung des Betreuungsgerichts und eine Vorsorgevollmacht gilt nur für diese Aufgabenbereiche, wenn sie ausdrücklich in der Vollmacht erwähnt sind und dabei die sog. Schriftform (schriftlich mit eigenhändiger Unterschrift, öffentlich beglaubigt oder notariell beurkundet bzw. mit qualifizierter elektronischer Signatur) eingehalten wurde:
- Einwilligung oder Ablehnung medizinischer Maßnahmen bei hohem Todes- oder Gesundheitsrisiko
- Freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen
- Zwangseinweisung und Zwangsbehandlung
Eine allgemeine Vollmacht (= Generalvollmacht) reicht also nicht aus, wenn sie auch für diese Bereiche gelten soll.
Näheres unter Vorsorgevollmacht.
Es ist ratsam, schriftlich festzuhalten, was in diesen Bereichen gewollt ist, denn dann müssen die bevollmächtigte Person und das Betreuungsgericht sich daran halten.
2.1. Praxistipps
- Wenn Sie ihre Vorsorgevollmacht als Generalvollmacht erteilen wollen, die auch für diese Aufgabenbereiche gilt, müssen Sie die Vorsorgevollmacht mit einem Zusatz versehen. Es ist ratsam, dass Sie dafür so nah wie möglich an den gesetzlichen Formulierungen bleiben (§ 1820 Abs. 2 BGB), damit es zu keinen Missverständnissen kommen kann. Hier ein Formulierungsvorschlag, den Sie in Ihre Vorsorgevollmacht einkopieren können:
"Diese Vollmacht umfasst ausdrücklich folgende Maßnahmen:
- die Einwilligung sowie ihren Widerruf oder die Nichteinwilligung in Maßnahmen nach § 1829 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 BGB (= medizinische Maßnahmen bei einem hohen Todes- oder Gesundheitsrisiko),
- die Unterbringung nach § 1831 BGB (= freiheitsentziehende Unterbringung) und die Einwilligung in Maßnahmen nach § 1831 Absatz 4 BGB (= freiheitsentziehende Maßnahmen),
- die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nach § 1832 BGB (= Zwangsbehandlung) und die Verbringung nach § 1832 Absatz 4 BGB (= Zwangseinweisung).
Alle Verweise auf das BGB beziehen sich auf den Stand am 1.1.2023."
- Zum 1.1.2023 hat es eine Betreuungsrechtsreform gegeben, Näheres unter Rechtliche Betreuung. Wenn Sie schon eine Vorsorgevollmacht haben, müssen Sie diese aber nicht deswegen ändern. Es reicht aus, wenn Ihre Vorsorgevollmacht auf die Gesetze mit Stand vor der Reform verweist. Inhaltlich hat sich nämlich durch die Reform bei den Aufgabenbereichen, die ausdrücklich genannt werden müssen, nichts geändert. Sie stehen jetzt nur in anderen Paragraphen. Das Betreuungsgericht erkennt, wenn Ihre Vorsorgevollmacht sich auf die früheren Paragraphen bezieht.
3. Gesundheitssorge und Pflegebedürftigkeit
3.1. Gesundheitssorge
Im Rahmen der Gesundheitssorge können z.B. folgende Entscheidungen vorsorglich geregelt werden:
- Entscheidung über ärztliche Untersuchungen, Eingriffe und Heilbehandlungen
Dazu gehören z.B. die Arztwahl, die Einwilligung in eine Therapie oder auch deren Ablehnung. Um sicher zu gehen, dass den eigenen Wünschen entsprechend gehandelt wird, reicht es im Zweifel nicht aus, eine bevollmächtigte Person die Entscheidung treffen zu lassen. Auch wenn diese Person den eigenen Wünschen entsprechend entscheidet, gilt: Wenn das Betreuungsgericht zustimmen muss, kann dieses auch anders entscheiden. Die Behandlungswünsche sollten darum zusätzlich in einer Patientenverfügung geregelt werden. Daran ist auch das Betreuungsgericht gebunden.
- Therapeutische Entscheidungen in der letzten Lebensphase
Dies sind besonders schwere Entscheidungen, da immer eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustands und der nahende Tod mit einbezogen werden müssen. Umso wichtiger sind klare Wünsche, z.B. zu künstlicher Ernährung, Beatmung oder medikamentöser Behandlung.
Hier ist dringend zu empfehlen, für diese Entscheidungen eine Patientenverfügung zu verfassen.
- Einwilligung in eine Obduktion zur Befundklärung
Dies kann geregelt werden, obwohl es erst die Zeit nach dem Tod betrifft. Näheres unter Vorsorgevollmacht > Sonderformen (transmortale Vorsorgevollmacht).
3.2. Pflegebedürftigkeit
Für eine künftige Pflegebedürftigkeit können z.B. folgende Wünsche festgehalten werden:
- Welche pflegerischen Maßnahmen sollen durchgeführt werden, welche nicht?
- Welche Vorlieben hat der Verfasser der Vollmacht/Verfügung, z.B. was Düfte, Cremes, Pflegeprodukte (Shampoo, Seife), Licht, Musik anbelangt? Die unmittelbare Körperpflege und das Krankenzimmer sind das, worauf sich das Leben zuletzt oft reduziert. Darauf kann vorsorgend Einfluss genommen werden.
- Wer soll die Pflege übernehmen?
Gibt es bestimmte Pflegepersonen oder -dienste, die sich der Vollmachtgeber wünscht oder die ausgeschlossen werden sollen?
3.3. Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht
Ein Arzt darf über die Erkrankung, Behandlung und alles was ihm anvertraut wurde keine Angaben machen, auch nicht gegenüber den nächsten Angehörigen, da er sich ansonsten strafbar macht (§ 203 Abs. 1 StGB).
Die ärztliche Schweigepflicht gilt auch über den Tod des Patienten hinaus. Die Erteilung von Auskünften an Angehörige, Erben oder Dritte sowie die Herausgabe von Krankenunterlagen Verstorbener verstößt gegen die ärztliche Schweigepflicht. Wenn der Bevollmächtigte zuverlässig Auskünfte der Ärzte erhalten soll, ist der Hinweis auf die Entbindung der Schweigepflicht in der Vollmacht notwendig.
Neu: Notvertretungsrecht für Ehegatten
Seit dem 1.1.2023 sind Ärzte im Rahmen des Notvertretungsrechts unter den dort genannten Voraussetzungen für eine Dauer von 6 Monaten gegenüber dem vertretenden Ehegatten von ihrer Schweigepflicht entbunden. Der Ehegatte darf die Krankenunterlagen einsehen und auch die Weitergabe an Dritte bewilligen.
4. Vermögenssorge
Im Rahmen der Vorsorgevollmacht können Vollmachtgeber Regelungen über ihr Vermögen treffen, z.B.:
- Alltägliche finanzielle Angelegenheiten
wie Miet- oder Heimkostenzahlungen, Einholung von Forderungen, Regelung von Schulden, Begleichen laufender Rechnungen.
- Grundstücks- und Immobiliengeschäfte, Erbausschlagungen, Kredite
Soll der Bevollmächtigte auch Handlungen im Zusammenhang mit Grundstücken und Immobilien, Erbausschlagungen oder Krediten vornehmen, sollte die Vorsorgevollmacht in jedem Fall notariell beurkundet werden, weil sie sonst für einige Handlungen, z.B. Grundbucheintragungen, ungültig ist und doch eine rechtliche Betreuung nötig wird.
- Sonstiges Vermögen und Wertsachen
In der Vorsorgevollmacht können Regelungen und Wünsche bezüglich bestimmter Vermögenswerte, z.B. Aktien, Münzen, Antiquitäten, festgehalten werden.
- Banken verlangen in der Regel spezielle Bankvollmachten auf ihren eigenen Vordrucken.
- Kfz-Abmeldung, Versicherungen, Abos, laufende Verträge
Hilfreich sind hier Listen mit allen wichtigen Informationen sowie der Hinweis, wo sich die Unterlagen befinden.
Wenn Unternehmer/Selbstständige eine Vorsorgevollmacht erteilen wollen, ist eine vorherige rechtliche Beratung oft sinnvoll. Für manche Geschäfte im Zusammenhang mit ihrem Unternehmen/ihrer Selbständigkeit ist eine notarielle Beurkundung notwendig, z.B. für die Gründung einer GmbH.
5. Wohnungs- und Mietangelegenheiten
Im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis können Vollmachtgeber ihre Wünsche z.B. in Bezug auf die Kündigung und Auflösung des Wohnraums sowie den Verkauf von Hausrat festlegen. In diesem Zusammenhang können unter anderem folgende Überlegungen gestellt werden:
- Wie lange soll die Wohnung des Vollmachtgebers gehalten werden, wenn nicht absehbar ist, ob und wann er sie wieder beziehen kann?
- Gibt es Familienerbstücke oder andere Dinge von ideellem Wert, über deren Weitergabe/Verbleib der Vollmachtgeber im Voraus entscheiden möchte?
- Hat der Vollmachtgeber Haustiere, über deren Pflege Regelungen getroffen werden müssen, für den Fall dass der Vollmachtgeber sich nicht mehr selbst um sie kümmern kann?
6. Aufenthaltsbestimmung
Vollmachtgeber können Wünsche darüber äußern, wie sie z.B. nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus oder nach einer Reha leben möchten. Dazu sollten sie sich überlegen, ob sie in ihrer bisherigen Wohnung bleiben wollen oder z.B. zu Angehörigen oder in ein Pflegeheim ziehen möchten. Dabei ist immer zu bedenken, welche Möglichkeiten auch wirklich umzusetzen sind, z.B. ist der Verbleib in der eigenen Wohnung bei hoher Pflegebedürftigkeit oft nicht möglich und ein Pflegeheim nicht immer finanzierbar, wenn Pflege zu Hause (noch) möglich ist.
In diesem Bereich können auch Regelungen über die Heimunterbringung und den Abschluss eines Vertrags über die Überlassung von Wohnraum mit Pflege- und Betreuungsleistungen (ehemals Heimvertrag) getroffen werden.
7. Post- und Fernmeldeverkehr
Unter diesen Bereich fallen alle Regelungen zu Post, Telefon, Internet usw.
- Wer darf die Post empfangen und öffnen?
- Wer darf das (Mobil-)Telefon abmelden bzw. wer hat die Zugangsdaten, um Änderungen online durchzuführen?
- Wer hat die Passwörter für Internetzugänge, z.B. für Webseiten, soziale Netzwerke, Blogs, Shops, abonnierte Programme?
- Wie sind PayTV-Verträge oder der Rundfunkbeitrag geregelt?
7.1. Praxistipp
In Zeiten elektronischer Kommunikation ist es wichtig, auch den sog. digitalen Nachlass zu regeln, Näheres unter Digitaler Nachlass und digitale Vorsorge. Abos und Verträge verlieren mit dem Tod nicht automatisch ihre Gültigkeit. Es muss eine Kündigung durch den Bevollmächtigten erfolgen. Auch Banking Dienste (z.B. PayPal) oder soziale Netzwerke erfordern nach dem Tod eine Verwaltung. Digitale Währungen (z.B. Bitcoin) können für immer verloren sein, wenn Sie Ihrem Bevollmächtigten keine Möglichkeit geben Ihr Online-Vermögen zu verwalten. Die Vollmacht sollte in diesem Fall unbedingt über den Tod hinaus ausgestellt werden. Fertigen Sie eine Übersicht über sämtliche Zugangsdaten an und hinterlegen Sie diese an einem sicheren Aufbewahrungsort (z.B. Tresor oder Bankschließfach). Denken Sie an die regelmäßige Aktualisierung dieser Daten. Geben Sie Ihrem Bevollmächtigten genaue Handlungsanweisungen, wie in Ihrem Sinne verfahren werden soll. Weitere Informationen und eine Formularvorlage finden Sie unter Digitaler Nachlass und digitale Vorsorge.
8. Behörden- und Ämtervertretung
Im Zusammenhang mit der Vertretung gegenüber Behörden und Ämtern können sich Vollmachtgeber z.B. folgende Fragen stellen und Regelungen dazu treffen:
- Wer soll über private Versicherungen verfügen, die oft speziell für den Unfall-, Krankheits- oder Invaliditätsfall abgeschlossen wurden?
- Wer soll mich gegenüber Ämtern und Sozialversicherungsträgern vertreten, von denen ich Hilfen beziehe, oder mit denen infolge der Erkrankung Kontakt notwendig wird, z.B. Agentur für Arbeit, Jobcenter, Versorgungsamt, Amt für Wohnungswesen, Sozialamt, Beihilfestellen, Medizinischer Dienst (MD), Krankenkasse, Pflegekasse, Unfallversicherungsträger, Rentenversicherungsträger?
9. Beauftragung von Rechtsanwälten und Vertretung vor Gerichten
Dieser Aufgabenbereich umfasst insbesondere folgende Fragen:
- Wer vertritt den Vollmachtgeber bei Rechtsstreitigkeiten oder beauftragt Rechtsanwälte?
- Welcher Rechtsanwalt soll beauftragt werden?
10. Praxistipp
Hat der Vollmachtgeber minderjährige Kinder oder Kinder mit Behinderungen, sollte er eine Sorgerechtsverfügung und/oder eine Sorgerechtsvollmacht erstellen. Informationen dazu bietet der Bundesverband Deutscher Bestatter unter www.bestatter.de > Wissen > Vorsorge > Sorgerechtsverfügung.
11. Verwandte Links
Rechtliche Betreuung
Patientenvorsorge
Vorsorgevollmacht