Rechtliche Betreuung

1. Das Wichtigste in Kürze

Rechtliche Betreuung (auch gesetzliche Betreuung genannt) heißt, dass ein Betreuer die Angelegenheiten einer erwachsenen Person ganz oder teilweise regelt, weil diese sich aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht (mehr) angemessen darum kümmern kann. Sie ist keine Entmündigung, macht nicht geschäftsunfähig und setzt die (ggf. mutmaßlichen) Wünsche der betreuten Person um. Bei bestimmten Angelegenheiten muss das Betreuungsgericht zustimmen, z.B. bei folgenreichen Untersuchungen oder medizinischen Eingriffen. Rechtliche Betreuung ist keine pflegerische Betreuung und keine Betreuung im Sinne einer Beaufsichtigung, sondern eine Vertretung bei Rechtsgeschäften.

Hinweis: Das Betreuungsrecht wurde zum 1.1.2023 reformiert.
Die wichtigsten Änderungen können Sie hier als PDF-Datei herunterladen: Reform Betreuungsrecht

2. Voraussetzungen rechtlicher Betreuung

Rechtliche Betreuung richtet das Betreuungsgericht unter folgenden Voraussetzungen ein:

  • Krankheit oder Behinderung, aufgrund der die eigenen Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr wahrgenommen werden können
  • Erforderlichkeit der Betreuung, d.h. es reicht nicht aus, wenn die Person z.B.
  • Nicht gegen den freien Willen eines Menschen, auch dann, wenn die Betreuung objektiv für diesen von Vorteil wäre
  • Bei Betreuung allein wegen einer körperlichen Krankheit oder Behinderung: Antrag der betreuungsbedürftigen Person
    Ausnahme: Die Person kann ihren Willen nicht (mehr) äußern.

2.1. Wenn keine freie Willensbildung mehr möglich ist

Ist der Wille nicht (mehr) frei, sondern durch die Krankheit und/oder Behinderung bestimmt, muss unter Umständen eine Betreuung gegen den sog. natürlichen Willen eines Menschen eingerichtet werden. Das kommt z.B. bei Psychosen und Demenzen vor.

2.2. Natürlicher Wille und freier Wille

Der natürliche Wille ist das, was die Person im durch die Krankheit und/oder Behinderung beeinflussten Zustand will. Der freie Wille ist das, was eine Person will, die einsichtsfähig ist und nach ihren Einsichten handeln kann.

3. Ablauf des Betreuungsverfahrens

Das Betreuungsverfahren kommt durch Antrag der betreuten Person oder durch Anregung durch Dritte in Gang. Das Betreuungsgericht prüft, ob die Voraussetzungen vorliegen und wer die Betreuung übernehmen soll und bestellt dann einen oder mehrere Betreuer. Die Betreuung endet mit Tod der betreuten Person oder Aufhebung durch das Betreuungsgericht.

Näheres unter Rechtliche Betreuung > Verfahren und Ablauf.

4. Regeln für rechtliche Betreuung

4.1. Aufgabenbereiche

Rechtliche Betreuung darf nur für Aufgabenbereiche eingesetzt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Einige Entscheidungen darf die rechtliche Betreuung nur treffen, wenn sie vom Betreuungsgericht als Aufgabenbereich ausdrücklich angeordnet sind z.B. freiheitsentziehende Maßnahmen oder Kommunikationsüberwachung. Näheres unter Rechtliche Betreuung > Verfahren und Ablauf.

4.2. Einwilligungsvorbehalt

Das Betreuungsgericht kann anordnen, dass Erklärungen der betreuten Person der Einwilligung des Betreuers bedürfen, um rechtswirksam zu werden. Voraussetzung: Erforderlichkeit, um eine erhebliche Gefahr für die Person oder ihr Vermögen abzuwenden.

Ausnahmen, die nicht mit einem Einwilligungsvorbehalt versehen werden können (§ 1825 BGB):

  • Eheschließung
  • Erstellen eines Testaments
  • Anfechtung und Aufhebung eines Erbvertrags
  • Bestimmte Geschäfte des Familienrechts und Erbrechts, die auch Minderjährige vom 7.–18. Geburtstag ohne Einwilligung eingehen dürfen, z.B. Vaterschaftsanfechtung, Adoptionseinwilligung und die Erklärung des Erblassers, einen Erbverzicht anzunehmen

Wenn ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde, braucht die betreute Person trotzdem keine Einwilligung für:

  • Willenserklärungen, die ihr lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen, z.B. Annahme einer Schenkung, mit der keine Pflichten verbunden sind
  • Geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens (z.B. Einkäufe von Lebensmitteln)
    Ausnahme: Das Gericht ordnet auch hierfür einen Einwilligungsvorbehalt an

4.3. Rechtliche Betreuung beeinflusst nicht die Geschäftsfähigkeit

Ob ein Mensch geschäftsfähig ist, hat nichts damit zu tun, ob dieser Mensch unter rechtlicher Betreuung steht oder nicht. Wer eine die freie Willensbildung einschränkende Krankheit hat, ist automatisch geschäftsunfähig, auch ohne rechtliche Betreuung. Viele Menschen, die unter rechtlicher Betreuung stehen, sind geschäftsfähig.

4.4. Sterilisationsbetreuung

Über eine Sterilisation darf nur ein zusätzlicher Sterilisationsbetreuer entscheiden, der ausschließlich diese eine Aufgabe hat. Näheres unter Fallbeispiel: Sterilisation bei rechtlicher Betreuung.

4.5. Betreuung zur Umsetzung der individuellen Wünsche

Bei der Betreuung müssen die Wünsche der betreuten Person festgestellt werden, soweit das möglich ist. Ihnen muss in der Regel auch entsprochen werden, soweit das möglich ist.

Fallbeispiele:

  • Herrn Maiers Betreuer muss diesem das Rauchen ermöglichen, obwohl es Herrn Maier objektiv finanziell und gesundheitlich schadet, weil der Wunsch danach Ausdruck der Selbstbestimmung und einer freien Willensentscheidung ist.
  • Frau Yildiz möchte nicht in einem Heim für Menschen mit Behinderungen, sondern in einer eigenen Wohnung mit persönlicher Assistenz leben. Die Betreuerin muss ihr dabei helfen, die Leistungen zu beantragen und gegen eine Ablehnung ggf. Rechtsmittel einlegen.
  • Herr Müller möchte eine Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer machen, doch als Sozialhilfeempfänger hat er das dafür nötige Geld nicht und bekommt auch keinen Kredit. Der Betreuer kann den Wunsch nicht erfüllen, weil es nicht möglich ist.

4.6. Betreuung nach dem mutmaßlichen Willen der betreuten Person

In manchen Fällen muss stattdessen der sog. mutmaßliche Wille ermittelt werden:

  • Die Betreuung darf den Wünschen nicht entsprechen, sofern die betreute Person wegen Krankheit oder Behinderung eine erhebliche Gefahr für ihre Person oder ihr Vermögen entweder nicht erkennen kann oder nicht nach dieser Erkenntnis handeln kann.
    Fallbeispiel: Frau Wang hat eine bipolare Störung. Ihr Betreuer muss verhindern, dass Frau Wang in einem Zustand krankhafter Manie ihr gesamtes Geld für den Kauf zahlreicher Autos ausgibt, weil ihre Krankheit und nicht ihre Selbstbestimmung sie dazu veranlasst.
  • Manchmal können die Wünsche der betreuten Person nicht ermittelt werden, z.B. wenn diese sich nicht (mehr) äußern kann.
    Beispiele: Komazustand der betreuten Person, Misslingen nonverbaler Kommunikation mit einer betreuten Person, die weder sprechen noch schreiben kann

Der mutmaßliche Wille muss aufgrund konkreter Anhaltspunkte ermittelt werden. Berücksichtigt werden müssen insbesondere

  • frühere Äußerungen,
  • ethische oder religiöse Überzeugungen und
  • sonstige persönliche Wertvorstellungen.

Angehörige und sonstige Vertrauenspersonen der betreuten Person müssen – außer in besonderen untypischen Ausnahmefällen – die Gelegenheit bekommen, sich dazu zu äußern.

Fallbeispiel: Herr Meier war stets Impfgegner. Seine Angehörigen und Freunde berichten, dass er selbst bei sehr hohem Risiko an einer Krankheit zu sterben, einer Impfung dagegen nie zugestimmt hätte. Wenn er dement wird, darf sein Betreuer trotz Empfehlung der STIKO (ständige Impfkommission) nicht bestimmen, dass er geimpft werden soll. Der Betreuer muss vielmehr die Zustimmung zur Impfung verweigern. Der Betreuer darf sich nicht darauf berufen, dass die Impfung Herrn Meiers objektivem Wohl entsprechen würde.

4.7. Zumutbarkeit der Wunscherfüllung

Wer eine rechtliche Betreuung für einen Menschen übernommen hat, muss dessen Wünsche nicht umsetzen, wenn das nicht zumutbar ist.

Fallbeispiel: Herr Bauer möchte dem Sozialamt verschweigen, dass er ein hohes Sparvermögen hat. Sein Betreuer darf sich aber nicht an einem Sozialleistungsbetrug beteiligen und würde sich dadurch strafbar machen. Es ist ihm deshalb nicht zumutbar, Herrn Bauers Wunsch umzusetzen.

4.8. Nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts

Für einige Entscheidungen braucht der Betreuer die Zustimmung des Betreuungsgerichts, z.B.:

  • Einwilligung bzw. Nichteinwilligung zu Gesundheitsuntersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen bei begründeter Gefahr eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens oder des Tods
    Ausnahmen:
    • Einigkeit zwischen Betreuer und Arzt, dass die betreute Person es so will (§ 1829 Abs. 4 BGB)
    • Abwarten der Zustimmung des Gerichts zu einer medizinischen Maßnahme wäre gefährlich (§ 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB)
  • Ärztliche Zwangsmaßnahmen (§ 1832 BGB)
  • Sterilisation (§ 1830 BGB)
  • Freiheitsentziehende Unterbringung und andere freiheitsentziehende Maßnahmen, z.B. durch Bettgitter, Medikamente (§ 1831 BGB)
    Ausnahmen:
    • Gefahr im Verzug, wenn die gerichtliche Entscheidung schnellstmöglich nachgeholt wird (§ 1831 Abs. 2 Satz 2 BGB)
    • Freiheitsentziehende Maßnahmen zu Hause
  • Kündigung der Wohnung (§ 1833 BGB)
  • Bestimmte erbrechtliche Angelegenheiten, z.B. Ausschlagung einer Erbschaft oder Pflichtteilsverzicht (§ 1851 BGB)
  • Kreditaufnahme (§ 1854 Nr. 2 BGB)
    Ausnahme: Dispositionskredit eines Girokontos
  • Unübliche Schenkung (§ 1854 Nr. 8 BGB)

In eine Zwangsbehandlung darf ohne Zustimmung des Betreuungsgerichts weder eine bevollmächtigte Person noch ein rechtlicher Betreuer einwilligen. Eine ärztliche Zwangsbehandlung kann in Eilfällen, wenn die Gerichtsentscheidung nicht abgewartet werden kann, ohne Einwilligung stattfinden, z.B. nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) des jeweiligen Bundeslandes oder nach dem Notstandsrecht (§ 34 StGB).

Eine Zwangsbehandlung mit Zustimmung des rechtlichen Betreuers ist in Deutschland nur in Zusammenhang mit einem stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus erlaubt. Aber am 26.11.2024 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es verfassungswidrig ist, wenn Menschen zur Zwangsbehandlung extra in ein Krankenhaus gebracht werden müssen, wenn das für sie viel schlimmer wäre als eine Zwangsbehandlung zu Hause oder in der Einrichtung, in der sie leben. Bis spätestens zum 31.12.2026 müssen die Gesetze deshalb so geändert werden, dass eine weniger belastende Zwangsbehandlung auch außerhalb eines Krankenhauses unter bestimmten Bedingungen erlaubt wird. Bis dahin gelten vorläufig noch die bisherigen Regeln.

4.9. Pflichten des Betreuers

  • Pflicht zum persönlichen Kontakt zur betreuten Person und zu Besprechungen mit ihr
  • Bei beruflicher Betreuung: Pflicht zur Information des Betreuungsgerichts, insbesondere über
    • die persönliche Situation der betreuten Person,
    • die Ziele der Betreuung,
    • die bereits durchgeführten oder beabsichtigten Maßnahmen,
    • die Wünsche der betreuten Person.
  • Vertretung der betreuten Person nur, wenn es nötig ist, denn Betreuung soll dabei unterstützen, die eigenen Angelegenheiten selbst zu besorgen
  • Pflicht, die Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Fähigkeit anzustreben, die Angelegenheiten selbst zu besorgen
  • Pflicht, im zumutbaren Rahmen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen Auskunft über die persönlichen Lebensumstände der betreuten Person zu erteilen, wenn diese (ggf. mutmaßlich) damit einverstanden ist (§ 1822 BGB).

Das Betreuungsgericht kann den Betreuer kontrollieren und ihm ggf. Anweisungen erteilen, Näheres unter Rechtliche Betreuung > Verfahren und Ablauf unter "Kontrolle durch das Betreuungsgericht".

5. Kosten der rechtlichen Betreuung

Gerichtsgebühren muss die betreute Person nur bei Überschreiten bestimmter Freibeträge tragen. Für die Berufsbetreuung fallen bestimmte Pauschalen an, die von der betreuten Person zu tragen sind, außer sie ist mittellos. Ehrenamtliche Betreuung wird in der Regel unentgeltlich geführt und es gibt eine Pauschale als Aufwandsentschädigung. Näheres unter Rechtliche Betreuung > Kosten.

6. Praxistipps

  • Die Broschüre "Betreuungsrecht" können Sie beim Bundesministerium für Justiz unter www.bmj.de > Suchbegriff: "Betreuungsrecht" kostenlos herunterladen oder beim Publikationsversand der Bundesregierung, Telefon 030 182722721, bestellen.
  • Beim Institut für Betreuungsrecht finden Sie unter www.betreuungsrecht.de allgemeine Informationen und juristische Einzelfälle zu möglichen Problembereichen bei Betreuung und Bevollmächtigung.

7. Wer hilft weiter?

Zuständig für Betreuungsangelegenheiten ist das Betreuungsgericht beim örtlich zuständigen Amtsgericht. Information, Beratung und Aufklärung gibt es bei:

  • Rechtspflegern bei den Betreuungsgerichten
  • Betreuungsbehörden (Betreuungsstellen) bei der Kreis- oder Stadtverwaltung
  • Betreuungsvereinen (häufig bei Wohlfahrtsverbänden angesiedelt)

8. Verwandte Links

Rechtliche Betreuung > Verfahren und Ablauf

Rechtliche Betreuung > Kosten

Betreuungsverfügung

Patientenvorsorge

Demenz > Rechtsfragen

Demenz > Freiheitsentziehende Maßnahmen

Psychosen > Rechtliche Aspekte

Betreuung kranker Kinder

 

Rechtsgrundlagen: §§ 1814 ff. BGB

Letzte Bearbeitung: 03.12.2024

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