Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) in Heimen, Krankenhäusern oder Einrichtungen sind ohne vorherige Genehmigung des Betreuungsgerichts nur bei akuter Gefahr erlaubt. Zu Hause sind sie hingegen ohne Zustimmung des Gerichts möglich. In beiden Fällen ist Freiheitsentzug nur bei erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung erlaubt. Bevor freiheitsentziehende Maßnahmen angewendet werden, sollten immer alternative Maßnahmen, z.B. Anpassung des Wohnraums oder digitale Hilfsmittel, geprüft werden.
Als freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) gelten alle Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit eines Menschen gegen dessen Willen einschränken. Es gibt verschiedene Formen:
Freiheitsentziehende Unterbringung meint die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung, z.B. in einer geschlossenen Demenzstation eines Pflegeheims oder in einer geschlossenen Station in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Normalerweise sind freiheitsentziehende Maßnahmen und eine freiheitsentziehende Unterbringung von Patienten nicht erlaubt, sondern strafbare Freiheitsberaubung (§ 239 StGB). Sie sind aber unter bestimmten Umständen erlaubt. Die Regeln dafür sind unterschiedlich, abhängig davon, ob die Maßnahmen zu Hause oder in einem Heim, einem Krankenhaus oder einer Einrichtung stattfinden.
Möglichkeiten für legalen Freiheitsentzug:
Freiheitzentzug ist unter bestimmten Umständen erlaubt, wenn eine bevollmächtigte Person (Näheres unter Vorsorgevollmacht) oder ein Betreuer (Näheres unter Rechtliche Betreuung) vorher zustimmt.
Geschäftsfähige können eine Vollmacht für die Entscheidungen über einen Freiheitsentzug erstellen. Bei der Diagnose einer Demenz sind einige Menschen schon nicht mehr geschäftsfähig, also sollten sie das möglichst vorher regeln. Bevollmächtigte dürfen aber nur über freiheitsentziehende Unterbringung entscheiden, wenn das ausdrücklich in einer schriftlichen Vollmacht so festgelegt ist (§ 1820 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Das gleiche gilt für freiheitsentziehende Maßnahmen in Heimen, Krankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen. Näheres unter Vorsorgevollmacht.
Freiheitsentziehenden Maßnahmen zu Hause dürfen Bevollmächtigte hingegen auch sonst zustimmen, also z.B. wenn die Vollmacht nur per E-Mail erteilt wurde oder wenn es eine sog. Generalvollmacht für alle Lebensbereiche ist, in der freiheitsentziehende Maßnahmen nicht extra genannt sind.
Rechtliche Betreuer setzt das Betreuungsgericht bei Bedarf ein. Sie dürfen nur über freiheitsentziehende Unterbringung oder Maßnahmen entscheiden, wenn das Betreuungsgericht ausdrücklich angeordnet hat, dass die rechtliche Betreuung auch den Aufgabenbereich "Entscheidung über freiheitsentziehende Unterbringung / Maßnahmen" umfasst (§ 1815 Abs. 2 BGB). Das gilt unabhängig davon, wo sich die betreute Person aufhält, also sowohl zu Hause als auch in Heimen, Krankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen.
Wenn bisher noch niemand wirksam für die Entscheidung über den Freiheitsentzug vom Gericht eingesetzt oder bevollmächtigt wurde, muss das Betreuungsgericht einen Betreuer ausdrücklich dafür einsetzen. Es kann diese Aufgabe auch einer schon für andere Aufgabenbereiche eingesetzten oder bevollmächtigten Person übertragen. Ist Eile geboten, ist eine einstweilige Anordnung durch das Betreuungsgericht möglich.
Bevollmächtigte und rechtliche Betreuer dürfen einer freiheitsentziehenden Unterbringung oder freiheitsentziehenden Maßnahmen in einem Heim, einem Krankenhaus oder einer sonstigen Einrichtung nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zustimmen (§ 1831 Abs. 2 und 4 BGB). Wohngruppen für betreutes Wohnen zählen als Einrichtung. Rechtlich ungeklärt ist hingegen, ob auch das eigene Zuhause als Einrichtung gilt, wenn die Pflege dort ausschließlich von professionellen Pflegekräften übernommen wird. Die Gerichte sehen das unterschiedlich.
Freiheitsentziehenden Maßnahmen zu Hause dürfen rechtliche Betreuer oder Bevollmächtigte ohne Genehmigung des Betreuungsgerichts zustimmen, aber nur, wenn sie auch wirklich notwendig sind.
Freiheitsentziehende Unterbringung bzw. freiheitsentziehende Maßnahmen in einem Heim, einem Krankenhaus oder einer sonstigen Einrichtung sind nur erlaubt, wenn mindestens eine der 2 folgenden Situationen vorliegt (§ 1831 Abs. 1 und 4 BGB):
Das Betreuungsgericht prüft, ob das gegeben ist. Wenn nicht, lehnt es die Unterbringung oder Maßnahme ab.
Rechtliche Betreuer oder Bevollmächtigte müssen normalerweise vor ihrer Zustimmung die Genehmigung des Betreuungsgerichts einholen, außer bei Gefahr im Verzug. Bei Gefahr im Verzug müssen sie die Genehmigung des Betreuungsgerichts unverzüglich (also so schnell wie möglich) nachträglich einholen (§ 1831 Abs. 2 S. 2 BGB).
Wenn die Voraussetzungen für die Unterbringung oder die Maßnahmen in Heimen, Krankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen nicht mehr vorliegen, müssen rechtliche Betreuer oder Bevollmächtigte den Freiheitsentzug sofort beenden. Sie müssen das außerdem so schnell wie möglich dem Betreuungsgericht melden (§ 1831 Abs. 3 f. BGB).
Diese Regel gilt zwar nicht für freiheitsentziehende Maßnahmen zu Hause, aber Betreuer oder Bevollmächtigte dürfen Menschen mit Demenz auch zu Hause die Freiheit nicht länger als unbedingt notwendig entziehen, sonst ist es strafbare Freiheitsberaubung (siehe oben). Sie müssen also auch zu Hause den Freiheitsentzug sofort beenden, wenn er nicht mehr nötig ist.
Die Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKG) der Bundesländer regeln unter anderem
Voraussetzung dafür ist immer eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung. Manchmal ist ein an Demenz erkrankter Mensch nicht mehr in der Lage zu erkennen, dass er sich selbst oder andere akut gefährdet.
Oft kommt es zu einer Einweisung, weil ein Mensch mit Demenz z.B. in der eigenen Wohnung verwahrlost, unterernährt ist, jede Hilfe ablehnt oder aggressiv wird. In solchen Fällen kann eine Einweisung in eine geschlossene Abteilung einer Klinik gegen den Willen des Menschen mit Demenz notwendig werden. Meistens sind für die Umsetzung die Sozialpsychiatrischen Dienste zuständig. Die Polizei und/oder das Ordnungsamt entscheiden zunächst darüber und danach das zuständige Gericht. Die Regeln im einzelnen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.
Bei Fremdgefährdung ist ein Freiheitsentzug nach PsychKG auch dann möglich, wenn eine bevollmächtigte Person oder der rechtliche Betreuer die Maßnahme abgelehnt hat. Einen Freiheitsentzug wegen reiner Selbstgefährdung können Betroffene aber vorbeugend in einer Patientenverfügung ausschließen (Näheres unter Psychosen > Rechtliche Aspekte) und/oder der Betreuer/Bevollmächtigte kann die Zustimmung dazu verweigern.
Wenn Sie Bedenken haben, dass eine Person mit Demenz sich selbst oder andere gefährdet, dann sollten Sie sich als erstes an dessen gesetzlichen Betreuer (Rechtliche Betreuung) oder Bevollmächtigten wenden. Nur wenn das nicht hilft oder die Person keinen Betreuer oder Bevollmächtigten hat, sind die Polizei, das Ordnungs- bzw. Gesundheitsamt oder der sozialpsychiatrische Dienst vor Ort die richtigen Ansprechpartner. Eine dieser Behörden stellt dann nach dem geltenden PsychKG den Antrag auf Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung (z.B. in einer Gerontopsychiatrie).
Ein Freiheitsentzug kann im akuten Notfall auch nach den Regeln des Strafgesetzbuchs (StGB) ohne vorherige Zustimmung eines rechtlichen Betreuers oder einer bevollmächtigten Person und ohne Unterbringung nach einem PsychKG erlaubt sein:
Beispiele:
Wenn Pflegenden eine Strafe wegen Freiheitsentzug gegen einen Menschen mit Demenz droht und sie sich weder auf Notwehr oder einen rechtfertigenden Notstand berufen können, können sie versuchen, sich zu ihrer Verteidigung auf einen sog. entschuldigenden Notstand (§ 35 StGB) zu berufen. Ein entschuldigender Notstand liegt nur bei akuten nicht anders abwendbaren Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit für sich selbst, für Angehörige oder für Nahestehende vor. Dabei ist der Freiheitsentzug zwar nicht erlaubt, aber wird entschuldigt und deswegen nicht bestraft. In der Praxis lassen sich die Gerichte nur sehr selten auf diese Verteidigung ein. Anwaltliche Verteidigung im Strafverfahren erhöht zwar die Aussichten auf Erfolg, aber sie bleiben gering.
Strafverfahren wegen Freiheitsentzug gegen Menschen mit Demenz betreffen in der Regel nur professionelle Pflegekräfte, weil Freiheitsberaubung im privaten Bereich bei der Angehörigenpflege meist unbemerkt und/oder unangezeigt bleibt.
Ein Problem bei vielen dementen Menschen in Pflegeheimen oder Krankenhäusern ist ihr Bewegungsdrang und/oder die Weglauftendenz bei fehlender Orientierung. Sie laufen rastlos hin und her. Oft steigert sich diese Unruhe in der Nacht. Oder sie wollen noch etwas erledigen, z.B. ihr Kind vom Kindergarten abholen, und machen sich auf den Weg in den Kindergarten. Statt „Weglauftendenz“ wird deshalb zunehmend von „Hinlauftendenz“ gesprochen.
Manche Krankenhäuser oder Pflegeheime hindern demenzkranken Menschen insbesondere nachts durch Fixierungen wie Bettgurte oder das Anbringen von Bettgittern daran, ihrem Bewegungsdrang nachzugeben.
Eine andere Art, den Bewegungsdrang einzuschränken, sind sedierende Medikamente. Das sind Psychopharmaka, die zu einer Verlangsamung auf körperlicher und geistiger Ebene bis hin zu Apathie und Dauerschläfrigkeit führen können. Sedierende Medikamente dürfen nur zur Heilung oder Linderung bei Krankheitszuständen (z.B. akuten Angst- oder Wahnvorstellungen) oder in Notfällen verordnet werden. Werden sedierende Medikamente jedoch über Wochen verordnet, dann ist dies eine freiheitsentziehende Maßnahme, die in die Persönlichkeitsrechte eingreift. Obendrein können sedierende Medikamente typische Alzheimer-Symptome wie Apathie und depressive Zustände verstärken.
Alle freiheitsentziehenden Maßnahmen müssen vom Betreuungsgericht genehmigt werden (siehe oben).
Das Pflegepersonal muss alle freiheitsentziehenden Maßnahmen täglich dokumentieren und auf ihre Notwendigkeit prüfen (lassen).
Vor allem bei akuter Gefährdung lassen sich freiheitsentziehende Maßnahmen nicht vermeiden. Langfristig lohnt sich für die Lebensqualität der Menschen mit Demenz jedoch meist die Suche nach Alternativen.
Technische Hilfsmittel können die persönliche Betreuung von Menschen mit Demenz zu Hause und im stationären Umfeld unterstützen und erleichtern. So gibt es z.B. Signalgeber, wenn Menschen den Impuls haben, sich aus dem sicheren Umfeld zu entfernen und „irgendwo“ hinzugehen. Betroffene tragen dann einen Sender am Körper. Wenn sie den geschützten Bereich verlassen, alarmieren Ton- und/oder Lichtsignale das Personal.
Solche Alarmsysteme gibt es auch für Zuhause. Dort informiert ein Tonsignal Angehörige, wenn der demenzerkrankte Mensch ein vorher festgelegtes Areal verlässt, oder es kommt zu einer automatischen Weiterschaltung des Alarms an eine ständig besetzte Notrufzentrale.
Mittlerweile erlauben auch gängige Geräte wie Smartwatches (Multifunktionsuhren) oder Handys die Ortung via Registrierung und Internet. Allerdings muss dafür sichergestellt sein, dass die Person das Gerät immer bei sich trägt.
Ein sehr niedriges Bett kann eine geeignete Alternative zu einem Bettgitter sein. Hüftprotektoren können das Verletzungsrisiko bei Sturzgefahr verringern und ggf. Freiheitseinschränkungen zur Verhinderung von Stürzen unnötig machen.
Die Anwesenheit einer Pflegekraft als Sitzwache kann unter Umständen freiheitsentziehende Maßnahmen verhindern, aber hat den Nachteil, dass der Mensch mit Demenz dadurch in der Privatsphäre eingeschränkt ist. Außerdem fehlt meist das Personal dafür.
Demenz > Entlastung Angehöriger
Demenz > Umgang mit der Erkrankung
Demenz > Krankenhausaufenthalt
Gerontopsychiatrische Einrichtungen
Rechtsgrundlagen: §§ 1815 Abs. 2, 1820 Abs. 2 Nr. 2, 1831 BGB - PsychKG der Bundesländer - §§ 32, 34, 35 StGB