Herr Bauer und Herr Melnik sind ein Paar, aber sie haben nicht geheiratet und auch keine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet. Herr Bauer muss in ein Pflegeheim, weil Herr Melnik trotz Pflegedienst zu Hause mit der Versorgung von Herrn Bauer überfordert ist. Das Pflegeheim ist so teuer, dass Herrn Bauers Rente und die Leistungen der Pflegeversicherung dafür nicht reichen.
Herr Bauer beantragt deshalb Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, aber das Sozialamt verlangt nun Nachweise über das Einkommen und Vermögen von Herrn Melnik. Herr Melnik hat 100.000 € Erspartes, weshalb das Sozialamt die Hilfe zur Pflege ablehnt.
Die beiden wollen sich nicht trennen, wenn Herr Bauer ins Pflegeheim kommt.
Ist die Ablehnung rechtmäßig?
Ja, das ist rechtmäßig, denn eheähnliche Partner dürfen gegenüber Verheirateten und Menschen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft bei der Sozialhilfe nicht bevorzugt werden und Herr Melnik und Herr Bauer gelten als eheähnliche Gemeinschaft. Erst nach einer Trennung würde das Einkommen und Vermögen von Herrn Melnik Herrn Bauer nicht mehr angerechnet.
Auch, wenn Herr Bauer im Heim lebt und Herr Melnik zu Hause wohnen bleibt, gilt das nicht als Trennung, weil sich die Beiden nicht trennen wollen. Die Anrechnung von Einkommen und Vermögen in einer eheähnlichen Partnerschaft entfällt genau wie bei einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft erst bei einer Trennung mit Trennungswillen, das heißt, wenn die Lebensgemeinschaft beendet sein soll und nicht nur das Zusammenwohnen.
Herr Bauer kann von Herrn Melnik nicht verlangen, das Ersparte für seine Pflegeheimkosten auszugeben. Denn als nur eheähnlicher Partner ist Herr Melnik für Herrn Bauer nicht unterhaltspflichtig. Herr Melnik darf sein Erspartes behalten, aber solange er die Beziehung zu Herrn Bauer nicht beendet, kann Herr Bauer auch keine Hilfe zur Pflege erhalten und folglich nicht ins Heim ziehen.
Herr Melnik steht nun also vor der Entscheidung: Will ich mich trennen oder mein Erspartes für das Pflegeheim ausgeben oder behalte ich meinen Partner zu Hause?
Die pflegebedürftige Frau Meyer wohnt bei Ihrer berufstätigen Tochter und deren ebenfalls berufstätigem Ehemann. Die Tochter kümmert sich nach der Arbeit um Frau Meyer. Die Pflege am Tag übernimmt ein ambulanter Pflegedienst, aber die Sachleistungen der Pflegeversicherung reichen dafür nicht aus. Frau Meyers Rente reicht nur für ihren Lebensunterhalt, aber nicht für die ungedeckten Pflegekosten. Deshalb beantragt sie dafür Hilfe zur Pflege.
Frau Meyers Tochter ist zwar unterhaltspflichtig für ihre Mutter, aber Frau Meyer fordert den Unterhalt nicht ein. Das Sozialamt darf sich den Unterhalt auch nicht von der Tochter holen, weil diese unter 100.000 € verdient. Das gilt seit 2020 wegen des Angehörigenentlastungsgesetzes. Näheres unter Unterhaltspflicht > Sozialhilfe und Bürgergeld.
Der Ehemann von Frau Meyers Tochter ist nicht unterhaltspflichtig für seine Schwiegermutter, weil es keine Unterhaltspflicht für Verschwägerte gibt.
Das Sozialamt will das Einkommen und Vermögen der Tochter und des Schwiegersohns auf die Hilfe zur Pflege anrechnen, weil sie alle zusammenwohnen. Ob sie unterhaltspflichtig sind oder nicht interessiert das Amt nicht. Damit stünde die Familie schlechter da, als bei einem Umzug von Frau Meyer in ein viel teureres Pflegeheim, für welches das Sozialamt über die Hilfe zur Pflege Frau Meyers Eigenanteil übernehmen müsste.
Ist das rechtmäßig?
Nein, das ist nicht rechtmäßig.
Zwar stimmt es, dass das Sozialamt auf die Hilfe zur Pflege eigentlich auch das Einkommen und Vermögen von Menschen anrechnen darf und muss, die nicht unterhaltspflichtig sind, wenn sie in einer Haushaltsgemeinschaft mit dem pflegebedürftigen Menschen leben.
Aber weil Frau Meyer pflegebedürftig ist und von ihrer Tochter betreut wird, gilt eine Sonderregelung zur Haushaltsgemeinschaft:
Wenn mindestens ein Mitglied der Haushaltsgemeinschaft den pflegebedürftigen Menschen betreut, bleibt das Einkommen und Vermögen aller Haushaltsmitglieder anrechnungsfrei. Das Einkommen und Vermögen der Tochter und des Schwiegersohns darf das Sozialamt also nicht auf die Hilfe zur Pflege anrechnen. Das Kümmern nach der Arbeit gilt als Betreuung, weil darunter auch schon kleine Tätigkeiten gefasst werden. Es muss keine Rundumbetreuung sein.
Die Tochter und der Schwiegersohn verlangen allerdings von Frau Meyer Miete und einen Anteil für die Nebenkosten, Strom, Telefon, Fernsehen, Internet und Essensgeld. Würden sie das nicht tun, sondern zum Beispiel Frau Meyer Verpflegung und Unterkunft frei gewähren, würde das Frau Meyer als Einkommen bei der Hilfe zur Pflege angerechnet und die Familie hätte insgesamt weniger Geld.
Frau Meyer sollte sofort dem Sozialamt mitteilen, dass sie von ihrer Tochter betreut wird und auf die Sonderregelung hinweisen und das Einkommen und Vermögen ihrer Tochter und ihres Schwiegersohns nicht angeben.
Sollte das Sozialamt dann die Hilfe zur Pflege wegen fehlender Mitwirkung ablehnen, sollte Frau Meyer einen Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen. Wenn der abgelehnt wird, sollte sie dagegen klagen. Das kostet nichts.
Frau Meyer kann sich dafür anwaltliche Hilfe holen und weil sie so wenig Geld hat, bekommt sie staatliche Unterstützung für die Anwaltskosten. Für den Widerspruch bekommt sie Beratungshilfe und für die Klage Prozesskostenhilfe.