Mehrbedarf bei kostenaufwändiger Ernährung - Krankenkostzulage

1. Das Wichtigste in Kürze

Leistungen für einen Mehrbedarf bei kostenaufwändiger Ernährung, also Krankenkostzulage, bekommen Empfänger von Sozialhilfe und Bürgergeld, die aus medizinischen Gründen eine im Vergleich zur durchschnittlichen Ernährung kostenintensivere Ernährung benötigen. Beispiele dafür sind Zöliakie (Glutenunverträglichkeit), Mangelernährung wegen Krebs oder Mukoviszidose . Krankenkostzulage gibt es nur auf Antrag und nach Vorlage eines ärztlichen Attests beim Sozialamt bzw. Jobcenter. Für manche Erkrankungen gibt es von den Ämtern anerkannte Richtwerte zur Höhe, bei allen anderen gesundheitlichen Gründen für kostenaufwendige Ernährung treffen sie eine Einzelfallentscheidung.

2. Voraussetzungen für Krankenkostzulage

Ein Anspruch auf Krankenkostzulage (Leistungen für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung) setzt Folgendes voraus:

  • Erhalt von Sozialhilfe oder Bürgergeld
    und
  • Notwendigkeit einer im Vergleich zur normalen Vollkost kostenintensiveren Ernährung aus medizinischen Gründen

Die Krankenkostzulage können auch Genesende erhalten, wenn eine kostenintensivere Ernährung Teil der Nachsorge ist.

Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, muss das Jobcenter oder Sozialamt einen Mehrbedarf in angemessener Höhe berücksichtigen.  Wenn es einen Antrag ablehnt oder zu niedrige Leistungen bewilligt, ist ein kostenfreier Widerspruch möglich und bei dessen Ablehnung eine ebenfalls kostenfreie Klage. Das geht ohne anwaltliche Hilfe, aber auch wer sich Anwaltskosten nicht leisten kann hat ein Recht auf anwaltliche Hilfe. Betroffene können dafür Beratungshilfe bzw. Prozesskostenhilfe beantragen.

3. Höhe der Krankenkostzulage

Die folgenden Beträge für die Höhe der Krankenkostzulage (Mehrbedarf bei kostenaufwändiger Ernährung) stehen in den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. und sind nur Richtwerte. Die Höhe ist nicht im Gesetz geregelt, sondern das Sozialamt oder Jobcenter muss den tatsächlichen Mehrbedarf ermitteln und ggf. individuell prüfen.

  • Krankheitsassoziierte Mangelernährung (z.B. im Zusammenhang mit Krebs, Lebererkrankungen oder bei der Lungenkrankheit COPD):
    56,30 € (= 10 % der Regelbedarfsstufe 1)
  • Terminale Niereninsuffizienz mit Dialysetherapie:
    28,15 € (= 5 % der Regelbedarfsstufe 1).
    Der Mehrbedarf wird dauerhaft gewährt und erst nach einer erfolgreichen Nierentransplantation neu geprüft.
  • Liegt zusätzlich zur Niereninsuffizienz eine Mangelernährung vor, werden beide Mehrbedarfe zusammengerechnet:
    84,45 € (= 15 % der Regelbedarfsstufe 1).
  • Zöliakie/Sprue (chronisch-entzündliche Darmerkrankung bedingt durch Überempfindlichkeit gegenüber Gluten):
    112,60 € (= 20 % der Regelbedarfsstufe 1). Die aktuell einzige Therapiemöglichkeit ist eine lebenslange glutenfreie Ernährung, sodass der Mehrbedarf dauerhaft gewährt wird.
  • Mukoviszidose:
    168,90 € (= 30 % der Regelbedarfsstufe 1).
    Der Mehrbedarf wird dauerhaft gewährt und erst nach einer erfolgreichen Lungentransplantation neu geprüft.
  • Schluckstörungen (z.B. durch neurologische Erkrankungen wie Parkinson oder Multiple Sklerose oder nach einem Schlaganfall):
    Wird Andickungsmittel benötigt, um eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung sicherzustellen, wird ein Mehrbedarf in Höhe der tatsächlich entstehenden Kosten gewährt.

Die Richtwerte für die Krankenkostzulage gelten in der Regel auch für Kinder und Jugendliche. In manchen Fällen kommen altersentsprechend andere Mehrbedarfe in Frage, z.B. bei Mangelernährung oder bei Laktoseintoleranz im Säuglings- und Kleinkindalter, aber dafür gibt es keine Richtwerte.

Wer sich aus in den Richtlinien nicht genannten medizinischen Gründen kostenaufwändiger als normal ernähren muss, hat zwar ebenfalls Anspruch auf Krankenkostzulage, aber dieser ist schwerer durchsetzbar. Wichtig ist in diesen Fällen, dass die ärztlichen Atteste nicht nur die Diagnosen enthalten, sondern auch aufgeführt ist, warum die Ernährung dadurch teurer als normal sein muss.

Fallbeispiel:

Eine Frau muss nach einer Magen-OP wegen Adipositas Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Sie muss deshalb mehr Geld ausgeben als für eine normale Ernährung. Diese Frau musste ihre Krankenkostzulage in einem gerichtlichen Eilverfahren durchsetzen (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 31.08.2020, Az.: L 13 AS 132/20 B ER).

3.1. Praxistipps

4. Keine Krankenkostzulage

Wird für eine Erkrankung eine Vollkosternährung empfohlen, wird für diese kein Mehrbedarf anerkannt. Dazu zählen folgende Krankheiten:

  • Fettstoffwechselstörungen
  • Gicht und Hyperurikämie (erhöhte Harnsäure im Blut)
  • Bluthochdruck
  • Gewebewasseransammlungen bei Herz- und Nierenerkrankungen
  • Diabetes
  • Geschwür am Magen oder Zwölffingerdarm
  • Neurodermitis
  • Lebererkrankungen
  • Endometriose
  • Laktoseintoleranz
  • Fruktosemalabsorption
  • Histaminunverträglichkeit
  • Nicht-Zöliakie-Gluten-/Weizen-Sensitivität

Viele Gründe für eine kostenaufwändigere Ernährung erkennen die Jobcenter und Sozialämter nicht an.

Falleispiele:

  • Tims Eltern leben von Bürgergeld. Er hat Allergien und Unverträglichkeiten und muss deshalb auf viele Lebensmittel verzichten, z.B. auf Milchprodukte, Nüsse, Soja und Eier.
    Durch höhere Ausgaben könnte er sich trotzdem lecker und vielseitig ernähren, aber das Jobcenter muss ihm das nicht finanzieren, weil eine günstigere Ernährung aus wissenschaftlich-medizinischer Sicht nicht gesundheitsschädlich ist.
    Dass ihm eine so eingeschränkte Ernährung nicht schmeckt, dass sie eintönig ist und dass er hierdurch auf sehr viel verzichten muss, zählt bei der Entscheidung über einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nicht. Es zählt auch nicht, dass Tim dadurch gegenüber Gleichaltrigen deutlich benachteiligt ist und von einigen gemeinsamen Essen ausgeschlossen, was mit mehr Geld nicht sein müsste.
  • Herr Melnik hat chronische Schmerzen und psychische Störungen, weswegen er nicht arbeiten kann und von Sozialhilfe lebt. Ihm wurde schon oft gesagt, dass er durch eine kostenaufwändige Ernährung seine Schmerzen verringern und seinen psychischen Zustand verbessern könnte. Er findet dafür viele naturheilkundliche Quellen.
    Weil es aber keine naturwissenschaftlichen Belege dafür gibt, muss das Sozialamt ihm keine Leistungen wegen eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gewähren.

5. Wer hilft weiter?

  • Individuelle Auskünfte erteilt das Sozialamt bzw. Jobcenter.
  • Unabhängig beraten Sozialberatungsstellen z.B. von Sozialverbänden, Kirchen oder Selbsthilfevereinen.
  • Auch Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen für die jeweilige Erkrankung können weiterhelfen.
  • Behandelnde Ärzte stellen nötige Atteste aus.
  • Ernährungswissenschaftler können Gutachten erstellen, welche die Notwendigkeit kostenaufwändiger Ernährung bestätigen.

6. Verwandte Links

Sozialhilfe

Grundsicherung für Arbeitsuchende

Mehrbedarfszuschläge

Sozialamt

 

Rechtsgrundlagen:

  • Sozialhilfe: § 30 Abs. 5 SGB XII
  • Bürgergeld: § 21 Abs. 5 SGB II

Letzte Bearbeitung: 05.12.2024

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