Bei Epilepsie können konsequent eingenommene Medikamente häufig Anfälle verringern oder eine Anfallsfreiheit ermöglichen. Klappt das nicht, helfen manchmal Operationen oder die sog. Neurostimulation. Ergänzende Verfahren und Patientenschulung können die Behandlung unterstützen. Eine Therapie mit Cannabis ist selten. Welche Medikamente helfen und ob eine OP sinnvoll ist, hängt vom Anfallstyp und der Ursache ab. Reha kann die Behandlung verbessern und hilft einen guten Umgang mit der Epilepsie zu finden. Notfallmedikamente können einen lebensgefährlichen Status epilepticus stoppen oder verhindern, aber übertriebener Einsatz schadet.
Meistens helfen anfallsunterdrückende Medikamente. Der medizinische Fachbegriff dafür ist "Anfallssupressivum". "Supressivum" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "unterdrückendes Mittel".
Bekannter sind die veralteten Bezeichnungen Antiepileptika bzw. Antikonvulsiva. "Antiepileptisch" bedeutet "gegen Epilepsie" und "antikonvulsiv" bedeutet "gegen Krämpfe". Anfallsunterdrückende Medikamente helfen allerdings nicht gegen die Epilepsie selbst, sondern nur gegen die Anfälle. Außerdem helfen sie auch gegen epileptische Anfälle, bei denen es nicht zu Krämpfen kommt. Deswegen passt es besser, von anfallsunterdrückenden Medikamenten zu sprechen.
Etwa die Hälfte der Menschen mit Epilepsie wird mit dem 1. anfallsunterdrückenden Medikament anfallsfrei und weitere ca. 20% nach Änderungen der Medikation, z.B. durch Medikamentenwechsel oder Therapie mit 2 oder mehr Medikamenten. Wenn die Medikamente nicht zur Anfallsfreiheit führen, können sie oft die Häufigkeit und/oder die Stärke und Dauer der Anfälle vermindern.
Antiepileptika können mehr oder weniger starke Nebenwirkungen haben und werden von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut vertragen. Bei der Einstellung auf ein Medikament geht es deshalb auch oft darum, zwischen der Vermeidung von Anfällen und unerwünschten Nebenwirkungen abzuwägen. Bei der neurologischen Behandlung sollten Menschen mit Epilepsie deshalb immer die Auswirkungen auf ihre Lebensqualität besprechen.
Antiepileptika müssen regelmäßig eingenommen werden und dürfen, selbst nach einer langen anfallsfreien Zeit, nicht eigenständig ohne ärztlichen Rat abgesetzt werden. Sonst können die Anfälle nach einigen Monaten oder Jahren wiederkommen. Mehr als die Hälfte der Erwachsenen mit Epilepsie müssen ihre Medikamente lebenslang einnehmen.
Zur Behandlung mit Antiepileptika bei einem Kinderwunsch, in der Schwangerschaft und in der Stillzeit unter Epilepsie > Familienplanung.
Neben den regelmäßig einzunehmenden anfallsunterdrückenden Medikamenten bekommen einige Menschen auch noch sog. Notfallmedikamente. Andere Wörter dafür sind "Bedarfsmedikation" oder "Akutmedikation". Sie sind dafür gedacht, einen sog. Status epilepticus zu unterbrechen oder zu verhindern. Das sind oft lebensgefährliche, überlange Anfälle oder Anfallsserien ohne zwischenzeitliche Erholung. Näheres unter Epilepsie > Ursachen-Diagnose-Formen.
Die Notfallmedikamente haben deutliche Nebenwirkungen und können süchtig machen. Zwar sind sie ggf. lebensrettend oder verhindern Langzeitschäden, aber ihr übertriebener Einsatz schadet oder ist im besten Fall sinnlos. Anfälle hören meist spätestens nach 2 Minuten auf und so schnell setzt die Wirkung der Notfallmedikamente nicht ein.
Manche Notfallmedikamente können nur medizinische Fachleute geben, andere auch Laien. Notfallmedikamente gibt es in verschiedenen Formen, z.B. als Nasensprays, Spritzen, Tropfen, Zäpfchen oder Tabletten. Wer ein Notfallmedikament bekommt, sollte sich genau erklären und möglichst schriftlich geben lassen, in welchen Situationen, nach welcher Anfallsdauer und wie es angewendet werden soll, denn das ist von Mensch zu Mensch verschieden und kann sich mit der Zeit ändern.
Beispiele:
Manchmal können Menschen mit Epilepsie ein Notfallmedikament selbst verwenden, aber sehr oft muss das wegen Bewusstseinsverlusts beim Anfall eine andere Person übernehmen. Menschen mit Epilepsie sollten daher über die Notfallmedikamente und deren Verwendung die Personen genau informieren, mit denen sie viel Zeit verbringen, z.B. Angehörige oder Kollegen. Bei Kindern und Jugendlichen sollten das Kitapersonal und/oder die Lehrkräfte schriftliche ärztliche Informationen über etwaige Notfallmedikamente bekommen. Näheres unter Epilepsie > Inklusion.
Wenn Laien ein Notfallmedikament geben, müssen sie bei einem Status epilepticus oder dem Verdacht darauf trotzdem einen Notruf absetzen (Telefon: 112) und zwar bei
Sie sollten auf die Uhr schauen oder die Sekunden zählen, um die wirkliche Anfallsdauer einschätzen zu können. Eine Sekunde dauert etwa so lange wie das Aussprechen der Zahl 21. Sie vermeiden so einen verfrühten unnötigen Einsatz von Notfallmedikamenten oder unnötige Notrufe. Anfälle wirken oft viel länger, als sie wirklich sind.
Volljährige müssen für viele Medikamente Zuzahlungen in Höhe von 10 % des Abgabepreises bezahlen, mindestens 5 € und maximal 10 €. Menschen mit Epilepsie gelten in der Regel als chronisch krank. Deshalb müssen sie höchstens 1 % des jährlichen Bruttoeinkommens als Zuzahlung leisten, wenn sie einen Antrag auf Zuzahlungsbefreiung stellen, Näheres unter Zuzahlungsbefreiung für chronisch Kranke.
Wenn 2 Medikamente einzeln oder zusammen versagt haben, sollten Menschen mit Epilepsie in einem Spezialzentrum überprüfen lassen, ob bei ihnen eine Operation gegen die Epilepsie sinnvoll ist, spätestens aber nach 5 Jahren vergeblicher Behandlung mit Medikamenten. Eine Operation kann bei manchen Menschen zur Anfallsfreiheit oder zumindest zu weniger Anfällen führen, ist aber nicht bei allen Menschen möglich und sinnvoll.
Nur ein zertifiziertes epilepsiechirurgisches Zentrum kann die Risiken und Chancen im Einzelfall ermitteln und auf dieser Grundlage aufklären und seine Empfehlung für oder gegen eine OP abgeben.
Es ist eine Abwägungssache, bei der z.B. folgende Fragen beantwortet werden sollten:
Die Entscheidung für oder gegen eine OP müssen am Ende die Betroffenen selbst treffen, bei Kindern und Jugendlichen auch die Sorgeberechtigten. Gute medizinische Aufklärung und Beratung schafft nur die Grundlage dafür.
Eine Operation sollte prinzipiell nur von zertifizierten epilepsiechirurgischen Zentren durchgeführt werden. Es gibt verschiedene Methoden:
Vagusnerv-Stimulation geht auch ohne Operation. Die Impulse an den Vagusnerv gibt dabei eine Elektrode im Ohr durch die Haut. Die gesetzlichen Krankenkassen finanzieren das allerdings nicht. Auch hier sind Nebenwirkungen wie z.B. Heiserkeit und Husten möglich, wie bei der Vagusnerv-Stimulation mit OP.
Verschiedene weitere Behandlungsansätze können die Epilepsie-Therapie ergänzen, aber nicht ersetzen. Meistens sind sie aufwändig und zum Teil sind sie auch teuer und müssen zumindest von gesetzlich Versicherten selbst bezahlt werden. Laut medizinischer Leitlinie fehlen ausreichende wissenschaftliche Nachweise einer Wirkung mit nur einer Ausnahme: Studien belegen eine Wirkung der ketogenen Diät bei Kindern.
Wer solche Verfahren probieren möchte, sollte bedenken, dass auch sie unerwünschte Nebenwirkungen haben können und beobachten, ob die Lebensqualität dadurch steigt oder vielleicht sogar sinkt.
Beispiel:
Wer versucht mittels Anfallsselbstkontrolle die Anfälle in den Griff zu bekommen, hat unter Umständen eine niedrigere Lebensqualität als vorher, wenn Anfallsselbstkontrolle die Vermeidung vieler schöner Aktivitäten bedeutet.
Wenn Betroffene sich für ein ergänzendes Verfahren entscheiden, sollten sie dies vorher mit ihrem behandelnden Neurologen absprechen.
Laut medizinischer Leitlinie ist die Wirkung von Cannabis bei Epilepsie noch nicht ausreichend erforscht.
Allerdings sind Medikamente mit dem Wirkstoff Cannabidiol in Deutschland als Antiepileptikum bei folgenden Epilepsie-Formen zugelassen:
Cannabidiol hat keine Rauschwirkung, denn diese geht von einem anderen Bestandteil von Cannabis aus, dem THC. Für THC gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise, dass es gegen epileptische Anfälle helfen könnte.
Wenn andere Medikamente versagt haben, ist auch bei anderen Epilepsie-Formen ein sog. Off-Label-Use von Cannabis-Medikamenten möglich, das heißt es kann versuchsweise verschrieben werden, obwohl es nur für die Behandlung anderer Krankheiten zugelassen ist.
Seit April 2024 ist Cannabis für Erwachsene zu Genusszwecken teilweise legal. Das beinhaltet erlaubten Eigenanbau, Besitz und Konsum geringer Mengen bzw. den Erwerb als Mitglied eines sog. Cannabis-Social-Clubs. Informationen bietet das Bundesministerium für Gesundheit unter www.bundesgesundheitsministerium.de > Themen > FAQ Cannabisgesetz.
Wenn Menschen mit Epilepsie in diesem Rahmen Experimente mit Cannabis zur Selbstbehandlung machen wollen, sollten sie
Außerdem gibt es dabei z.B. folgende Probleme:
Eine fehlende Wirkung des Cannabis gegen Epilepsie kann unbemerkt bleiben. Durch den sog. Placebo-Effekt können nämlich sogar Scheinmedikamente ohne jeden Wirkstoff die Gesundheit verbessern.
Menschen mit Epilepsie sollten auch einen geplanten Cannabis-Konsum zu Genusszwecken vorher bei einem Neurologie-Termin absprechen.
Epileptische Anfälle gehen häufig mit Depressionen oder Angststörungen einher, wogegen Psychotherapie helfen kann.
Über den Terminservice der Kassenärztlichen Bundesvereinigung können Sie einen zeitnahen Psychotherapie-Termin bekommen, sich den Therapeuten aber nicht aussuchen. Nähere Informationen dazu bietet Ihnen die Kassenärztliche Bundesvereinigung unter www.116117.de > Menü > Gesundheitsinfos > Psychotherapie.
Patientenschulungen (Psychoedukation) sollen Betroffenen helfen, ihre Krankheit zu verstehen, um mit den Einschränkungen im Alltag besser zurechtzukommen. Mögliche Inhalte einer Epilepsie-Patientenschulung sind z.B.:
Patientenschulungen orientieren sich an der individuellen Erkrankungsform, den Belastungen, den individuellen Möglichkeiten und der Lebenssituation.
Die Krankenkassen können eine ambulante wohnortnahe Patientenschulung finanzieren, Näheres unter Ergänzende Leistungen zur Reha. Wer eine stationäre medizinische Reha macht, z.B. in einem Epilepsiezentrum, bekommt dort in der Regel auch Patientenschulung. Sie ist dann fester Bestandteil der Reha und wird von dem Träger gezahlt, der die Reha finanziert, also z.B. von der Krankenkasse oder vom Rentenversicherungsträger, Näheres unter Rehabilitation > Zuständigkeit.
Es gibt mehrere Angebote für Patientenschulungen:
Epilepsie-Ambulanzen sind regionale Spezialeinrichtungen. Besonders gut geeignet sind sie für:
Epilepsie-Ambulanzen sind an neurologische, pädiatrische und psychiatrische Kliniken oder Fachabteilungen von Krankenhäusern angeschlossen. Die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie e.V. bietet eine Übersicht aller Epilepsie-Ambulanzen unter www.dgfe.info > Service > Adressen & Links > Behandlungsorte (Auswahl: Epilepsie-Ambulanzen).
Epilepsiezentren können Menschen mit schwer therapierbaren Epilepsien helfen. Ihr Angebot umfasst sowohl eine Epilepsie-Ambulanz als auch stationäre Diagnostik, Therapie (inklusive Epilepsiechirurgie) und Rehabilitation. Epilepsiezentren gibt es für Kinder und für Erwachsene. Die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie bietet eine Übersicht unter www.dgfe.info > Service > Adressen & Links > Behandlungsorte (Auswahl: Epilepsiezentren).
Medizinische Reha bei Epilepsie soll Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Erwerbsminderung und/oder Sozialleistungsbezug wegen der Epilepsie verhindern, beseitigen, verringern, ausgleichen oder zumindest einer Verschlimmerung vorbeugen. Nur, wenn mindestens eine der genannten möglichen Folgen droht oder schon eingetreten ist, kann ein Kostenträger eine Epilepsie-Reha bewilligen, z.B. die Krankenkasse oder der Rentenversicherungsträger. Näheres zu möglichen Kostenträgern und deren Zuständigkeit im Einzelfall unter Medizinische Rehabilitation.
Epilepsie-Reha kann z.B.
Die Inhalte einer Epilepsie-Reha sind individuell.
Beispiele:
Medizinische Reha gibt es ambulant und stationär. Bei ambulanter Reha können Menschen mit Epilepsie erarbeitete Strategien gleich im Alltag testen und ggf. anpassen. Stationäre Reha ermöglicht aufwändige medizinische und therapeutische Behandlung in enger Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen.
Bei der Deutschen Epilepsievereinigung finden Sie unter www.epilepsie-vereinigung. de > Diagnostik/Behandlung Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten und zur medizinischen Rehabilitation. Sie bietet zudem umfassende Beratungsmöglichkeiten.
Telefon: 030 34244-14 (Mo/Di/Do/Fr 10–12 Uhr, Mi 14–18 Uhr)
Beratungstelefon: 030 34703590 (Di 12–17 Uhr, Mi 10–13 Uhr, Do 18–20 Uhr)
Familienberatung: 06236 5095899 (Mi/Fr 9–12 Uhr)
Fax: 030 34244-66
E-Mail: info@epilepsie-vereinigung.de