Chronische Schmerzen > Entstehung und Schmerzarten

1. Das Wichtigste in Kürze

Chronische Schmerzen nennt man Schmerzen, die seit mindestens 3 Monaten bestehen oder über einen längeren Zeitraum immer wieder auftreten. Die Folgen sind häufig starke psychische Belastungen wie z.B. Schlafstörungen, Depressionen oder Ängste. Es gibt verschiedene Schmerzarten mit unterschiedlichen Ursachen und Symptomen. Häufig liegen Mischformen dieser Schmerzarten vor. Chronische Schmerzen haben immer mehrere Ursachen: körperliche, psychische und/oder soziale.

2. Neu: Chronische Schmerzen als eigenständige Krankheit

Chronische Schmerzen sind eine eigenständige Krankheit. In der ICD 10, der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, tauchten Schmerzen aber nur als Symptom bei verschiedenen anderen Krankheiten auf. Das hat sich mit der ICD 11 geändert, die von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) 2022 in Kraft gesetzt wurde. In Deutschland wird derzeit noch vielerorts nach der alten ICD 10 gearbeitet.

Die entscheidende Neuerung in der ICD 11 ist, dass Chronische Schmerzen als eigene Krankheit klassifiziert werden und dass auch sog. "chronische primäre Schmerzen" anerkannt werden, für die keine Ursache bekannt ist. Unter chronische sekundäre Schmerzen fallen alle Schmerzen, für die (zumindest teilweise) eine körperliche Ursache bekannt ist.

3. Ursachen chronischer Schmerzen

In der Regel sind akut auftretende Schmerzen zeitlich begrenzt und haben eine Warnfunktion, die den Körper zur Schutzhandlung zwingt. Sobald die schmerzauslösende Ursache erfolgreich behandelt worden ist, klingt der Schmerz in einem absehbaren Zeitraum wieder ab.

Aus den akuten Schmerzen können jedoch chronische Schmerzen werden, die länger als 3 Monate bestehen oder immer wieder auftreten. Eine mögliche Ursache dafür ist, dass durch die ständige Reizung der Nerven die Schmerzschwelle sinkt und deshalb schon kleinste Reizungen Schmerzen verursachen.

Erkrankungen, die zu chronischen Schmerzen führen können, sind z.B.:

Für die Entstehung und Erhaltung chronischer Schmerzen spielen oft auch psychische und soziale Faktoren eine wesentliche Rolle, z.B. psychosoziale Belastungen oder permanenter Stress, Näheres unter Chronische Schmerzen > Psyche und Chronische Schmerzen > Familie und Alltag. Auch Schmerzerkrankungen innerhalb der Familie erhöhen das Risiko, selbst chronische Schmerzen zu entwickeln.

Um eine Chronifizierung zu vermeiden, sollten akute Schmerzen ernst genommen und rechtzeitig behandelt werden. Sind die Schmerzen chronisch, gibt es je nach Ursachen und Begleitsymptomen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, Näheres unter Chronische Schmerzen > Behandlung und Rehabilitation.

4. Folgen chronischer Schmerzen

Chronische Schmerzen können für Betroffene schwerwiegende Folgen haben. Häufig verlieren sie durch die ständigen Schmerzen die Freude an Dingen, die ihnen vorher Spaß gemacht haben (z.B. Sport und Bewegung, Unternehmungen mit Freunden). Es kann zu Schlafstörungen, Appetitverlust, Depressionen und Ängsten kommen. Aus diesem Grund ziehen sich viele Betroffene zurück, ihre Gedanken kreisen häufig nur noch um die Schmerzen.

In dieser Situation kann es hilfreich sein, wenn Betroffene sich ihrem sozialen Umfeld anvertrauen und ärztlichen Rat über mögliche Hilfen (z.B. Reha-Sport und Funktionstraining, Psychotherapie) einholen.

Zudem können Selbsthilfegruppen unterstützen und Tipps geben. Die Deutsche Schmerzgesellschaft informiert über Selbsthilfe und bundesweite Selbsthilfe-Gruppen unter www.schmerzgesellschaft.de > Patienteninformationen > Selbsthilfe.

5. Schmerzarten

Schmerzen können in unterschiedliche Schmerzformen eingeteilt werden. Es können auch Mischformen vorliegen.

Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die Einteilung in die verschiedenen Schmerzarten:

Nozizeptive Schmerzen

Nozizeptive Schmerzen entstehen, wenn infolge einer Gewebeschädigung Schmerzsignale an das Gehirn gesendet werden. Ein Schmerzsignal wird durch Verletzungen (z.B. Knochenbruch, Schnittwunde, Verbrennung) oder auch durch körpereigene Prozesse wie Entzündungen oder Gewebeschädigungen ausgelöst.

Nozizeptive Schmerzen werden unterteilt in somatische Schmerzen, wenn diese z.B. im Knochen, der Haut oder den Gelenken entstehen (z.B. Rückenschmerzen, Rheumaschmerzen, Arthroseschmerzen), und viszerale Schmerzen, wenn die Schmerzsignale aus den Eingeweiden (z.B. Magen, Darm, Niere, Bauchspeicheldrüse) kommen.

Nervenschmerzen

Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) entstehen als Folge einer Nervenschädigung und können heftig einschießend, attackenartig oder dauerhaft brennend sein. Weitere typische Anzeichen sind Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen (Allodynie), unangenehme, manchmal schmerzhafte Körperempfindung mit Kribbeln, Taubheit, Kälte- und Wärmewahrnehmungsstörungen (Parästhesien) sowie Sensibilitätsstörungen.

Zu den Nervenschmerzen zählen z.B. Nervenwurzelschmerzen bei Ischialgie, Gesichtsschmerzen bei Trigeminusneuralgie und Schmerzen bei Gürtelrose (postherpetische Neuralgie).

Psychogene Schmerzen

Psychogene Schmerzen (auch funktionelle Schmerzen genannt) werden durch psychische Erkrankungen oder Belastungen verursacht und können als Ausdruck von unbewältigten psychischen und psychosozialen Problemen verstanden werden. Häufige Ursachen sind z.B. chronischer Stress, somatoforme Störungen, Angststörungen, Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen.

Psychogene Schmerzen treten häufig an mehreren Stellen auf und äußern sich individuell sehr unterschiedlich. Beispiele sind chronische Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen, für die keine körperlichen Ursachen gefunden werden.

Mischformen (mixed pain)

Viele chronische Schmerzen lassen sich nicht eindeutig einer einzelnen Schmerzart zuordnen, sondern es treten Mischformen verschiedener Schmerzarten gleichzeitig in unterschiedlichen Ausprägungen auf.

Zu den gemischten Schmerzen zählen z.B. Tumorschmerzen und Schmerzen der Lendenwirbelsäule, die in ein Bein ausstrahlen (Lumboischialgie).

Mischformen sind nicht immer einfach zu diagnostizieren. Um einen Therapieerfolg zu erzielen, müssen alle Schmerzarten entsprechend behandelt werden.

6. Einteilung chronischer Schmerzen nach der neuen ICD 11

6.1. Chronische primäre Schmerzen

Der chronische Schmerz ist ein eigenständiger Gesundheitszustand und kann durch keine andere Diagnose erklärt werden. Er führt zu Funktionseinschränkungen im Alltag und in der sozialen Teilhabe oder zu emotionalem Stress, z.B. einer depressiven, ängstlichen oder frustrierten Stimmung.

  1. Chronische primäre viszerale Schmerzen (Eingeweide)
  2. Chronisches ausgedehntes Schmerzsyndrom
  3. Chronische primäre muskuloskelettale Schmerzen (Muskeln und Knochen)
  4. Chronische primäre Kopfschmerzen oder orofaziale Schmerzen (Mund und Gesicht)
  5. Komplexes regionales Schmerzsyndrom
  6. Sonstige chronische primäre Schmerzen

6.2. Chronische sekundäre Schmerzen

Der chronische Schmerz ist eine Folge einer körperlichen Erkrankung oder Veränderung.

  1. Chronische tumorassoziierte Schmerzen (infolge von Krebs oder Krebsbehandlung)
  2. Chronische postoperative oder posttraumatische Schmerzen (nach Operationen oder Unfällen)
  3. Chronische sekundäre muskuloskelettale Schmerzen (Muskeln und Knochen)
  4. Chronische sekundäre viszerale Schmerzen (Eingeweide)
  5. Chronische neuropathische Schmerzen (Nerven)
  6. Chronische sekundäre Kopfschmerzen oder orofaziale Schmerzen (Mund und Gesicht)

7. Praxistipps Ratgeber und Selbsthilfe

  • Kostenloser Download: Ratgeber Schmerz als PDF mit Informationen zu allen oben stehenden Themen und zu den nachfolgend verlinkten Artikeln.
  • Tipps und Informationen zu Schmerzarten und Selbsthilfegruppen finden Sie bei:
    UVSD SchmerzLOS e.V. – Unabhängige Vereinigung aktiver Schmerzpatienten in Deutschland
    Telefon: 04321 8776255
    E-Mail: info@schmerzlos-ev.de
    www.uvsd-schmerzlos.de

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Letzte Bearbeitung: 21.11.2024

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