Schmerzmessung

1. Das Wichtigste in Kürze

Eine objektive Schmerzmessung ist schwierig, da Schmerzen individuell sehr unterschiedlich empfunden werden. Die Schmerzmedizin ist auf die Mithilfe der betroffenen Person angewiesen, um deren Schmerz einschätzen zu können. Neben der körperlichen Untersuchung spielt deshalb die Anamnese, d.h. die systematische Befragung zum Gesundheitszustand und Sozialleben eine wichtige Rolle. Eine Schmerzmessung mit Hilfe verschiedener Skalen und Tagebücher sowie eine umfassende Diagnostik sollen helfen, den Schmerz wirkungsvoll zu behandeln.

2. Schmerzanalyse

Für die Schmerzanalyse (Anamnese) sind folgende Angaben wichtig:

  • Schmerzort (Lokalisation) und Ausbreitung: Wo genau tut es weh? Wo ist der Schmerz am stärksten?
  • Beginn und Verlauf: Wann sind die Schmerzen zum ersten Mal aufgetreten? Wie häufig treten sie auf?
  • Schmerzgeschichte: Wie haben sich die Schmerzen im Lauf der Zeit entwickelt?
  • Schmerzintensität und -qualität: Wie stark sind die Schmerzen? Wie fühlt sich der Schmerz an? Ist er stechend, brennend, dumpf oder ziehend?
  • Schmerzauslöser: Wodurch wird der Schmerz ausgelöst? Gibt es Faktoren, die den Schmerz verstärken oder lindern?
  • Psychosoziale Aspekte: Welche Faktoren im Berufs- und Privatleben und welche persönlichen Verhaltensmuster können einen bedeutenden Einfluss auf die chronischen Schmerzen haben? Gibt es kritische Lebensereignisse, die mit dem Auftreten der Schmerzen in Verbindung gebracht werden können? Wie wird der Schmerz erlebt? Welche Auswirkungen hat der Schmerz auf das Alltagsleben?

3. Schmerzdokumentation

3.1. Schmerzskalen

Mit Hilfe von Schmerzskalen kann die Intensität der Schmerzen gemessen werden.

Folgende Skalen kommen in der Praxis zum Einsatz:

  • Numerische Rating-Skala (NRS)
    Auf der NRS kann die betroffene Person ihre Schmerzen anhand einer Zahl von 0–10 einordnen. Dabei steht die 0 für keinen Schmerz und die 10 für den stärksten vorstellbaren Schmerz. Die NRS kommt am häufigsten zum Einsatz.
  • Visuelle Analog-Skala (VAS)
    Die VAS wird z.B. als farbiger Balken oder anhand von Smileys ("lachender Smiley = keine Schmerzen" bis "trauriger Smiley = stärkste vorstellbare Schmerzen") dargestellt. Die betroffene Person kann ihre Schmerzen auf dieser Skala individuell zuordnen. Diese Skala eignet sich besonders für kleinere Kinder oder Betroffene mit geistigen Einschränkungen.
  • Verbale Rating-Skala (VRS)
    Bei der verbalen Ratingskala wird die Person mit Schmerzen auf einem Fragebogen oder mündlich befragt, welches Wort ihre Schmerzen am besten beschreibt, z.B.: nicht vorhanden, leicht, mittel, stark oder sehr stark.

Diese Skalen liefern schnell aussagekräftige Ergebnisse. Da aber nur die Schmerzintensität gemessen wird, ist besonders bei chronischen Schmerzen eine umfassendere Anamnese, z.B. mithilfe von Schmerzfragebögen oder Schmerztagebüchern, notwendig.

3.2. Schmerzfragebogen

Um möglichst viele für die Schmerzdiagnostik und -therapie relevante Aspekte zu erfassen, werden häufig ergänzend zum ärztlichen Gespräch standardisierte Schmerzfragebögen eingesetzt. Ein Schmerzfragebogen erfasst die subjektive Beschreibung der Schmerzen und Erkrankungen der betroffenen Person. Er kann von der betroffenen Person allein ausgefüllt werden (auch bereits im Vorfeld eines Arztgesprächs) oder von Arzt und der betroffenen Person gemeinsam. Schmerzfragebögen gibt es auf Papier und digital.

Anhand der erfassten Informationen kann der Arzt die Schmerzart und mögliche Auslöser näher bestimmen und die Therapie entsprechend planen und anpassen.

3.3. Schmerztagebuch

Es kann sinnvoll sein, in einem Schmerztagebuch regelmäßig zu notieren, wo und wann die Schmerzen aufgetreten sind und welche Therapien durchgeführt wurden. Dadurch kann der Verlauf und Erfolg der Schmerzbehandlung dokumentiert werden. Ein Schmerztagebuch wird idealerweise über mehrere Tage, Wochen oder Monate geführt. Alle für die Behandlung wichtigen Informationen, z.B. Medikamenteneinnahme, Schmerzstärke, Aussagen über Wohlbefinden und Aktivitäten, werden vermerkt. In der Regel werden die Daten für 4 Tageszeiten (morgens, mittags, abends, nachts) erfasst.

Eine regelmäßige Dokumentation der Schmerzen dient der Erfolgskontrolle und ggf. Anpassung der Therapie. Studien haben zudem belegt, dass allein das Führen des Schmerztagebuchs Betroffenen eine gewisse Kontrolle über ihre Schmerzen gibt, Erfahrungen von Selbstwirksamkeit (Überzeugung, herausfordernde Situationen gut bewältigen zu können) vermittelt und die Eigentherapie verbessert.

Es gibt zunehmend Schmerztagebücher als Apps für das Smartphone. Näheres siehe DiGA - Digitale Gesundheitsanwendungen.

4. Neurophysiologische und neurologische Diagnostik

Wenn die Anamnese und die körperliche Untersuchung keinen Aufschluss über die Ursache der chronischen Schmerzen gibt, dienen neurophysiologische Tests oder bildgebende Verfahren zur weiteren Diagnostik. Die nachfolgende Aufzählung enthält Untersuchungsmethoden, die dabei häufig zur Anwendung kommen.

4.1. Elektromyografie (EMG)

Bei der Elektromyografie wird eine Nadelelektrode in den Muskel eingestochen und die elektrische Aktivität im Muskel gemessen. Diese Untersuchung dient zur Unterscheidung einer neuropathischen (Nervenschädigung) oder myopathischen (Muskelschädigung) Erkrankung.

4.2. Elektroneurografie (ENG)

Bei der Elektroneurografie (ENG), auch Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) genannt, wird eine Elektrode auf die Hautoberfläche geklebt oder kleine Nadeln in die Nähe des Nervs gestochen. Der Nerv wird elektrisch stimuliert und die Muskelaktivität aufgezeichnet. Diese Methode wird bei Nervenverletzungen, z.B. Polyneuropathie, eingesetzt, um das Ausmaß der Schädigung gezielt zu untersuchen.

4.3. Evozierte Potenziale (EP)

Bei dieser Untersuchung werden sog. Potentialunterschiede der elektrischen Hirnaktivität durch Reizung eines Sinnesorgans oder peripherer Nerven ausgelöst und mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) dargestellt. Dabei können Schädigungen der Sehbahn (visuell evozierte Potentiale – VEP), Leitfähigkeit des Hörnervs (akustisch evoziertes Potential – AEP), Schädigung des Geruchssinns (olfaktorisch evoziertes Potential – OEP) und Sensibilitätsstörungen peripherer Nerven (somatosensorisch evoziertes Potential – SEP) geprüft werden.

4.4. Quantitative Sensorische Testung (QST)

Die sog. Quantitative Sensorische Testung (QST) liefert Informationen über das individuelle Schmerzempfinden der betroffenen Person. Testgeräte geben Reize (z.B. Wärme, Druck) an die behandelte Person weiter. Ob und wie diese die Reize wahrnimmt, kann z.B. auch einen Hinweis auf eine Schädigung der Nerven geben. Die QST ergänzt andere neurologische Messverfahren, z.B. die Neurographie (Messung der Nervenleitgeschwindigkeit), mit deren Hilfe insbesondere die Funktion dicker Nervenfasern untersucht wird. Die QST erfasst dagegen vor allem Störungen der dünneren Nervenfasern in der Haut, die der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit entgehen. Dies ist wichtig, weil die Wahrnehmung von Schmerz vor allem über diese dünnen Nervenfasern erfolgt. Bisher wird die QST allerdings nur an wenigen spezialisierten Zentren angeboten.

5. Bildgebende Verfahren

Zu den bildgebenden Verfahren gehören:

  • Konventionelle radiologische Verfahren
    z.B. Abbildung eines bestimmten Körperbereichs durch eine Röntgen-Untersuchung, Computertomographie (CT) oder Einzel-/ Mehrschicht-Spiral-CT
  • Radiologische Verfahren ohne Röntgenstrahlen
    z.B. Ultraschall (Sonografie) oder Kernspintomographie (MRT)
  • Nuklearmedizinische Verfahren
    z.B. Skelettszintigraphie oder Positronenemissionstomographie (PET)

6. Praxistipps

7. Verwandte Links

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Letzte Bearbeitung: 04.11.2023

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