Bei ADHS (früher ADHS und ADS) kann vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung (GdB) festgestellt werden, insbesondere wenn zusätzliche Beeinträchtigungen vorliegen, z.B. Teilleistungsschwächen. Wird ein GdB anerkannt, können bestimmte Hilfen und Nachteilsausgleiche in Anspruch genommen werden.
Unterstützung und Hilfen für Menschen mit Behinderungen sind hauptsächlich im SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – geregelt. Nachfolgend Links zu den allgemeinen Regelungen:
Da seelische Störungen auch ADHS umfassen, kann ein Anspruch auf Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen oder bei einer Mehrfachbehinderung bzw. bei Erwachsenen auf Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung bestehen, auch wenn (noch) kein GdB festgestellt wurde. Mehr zu finanziellen Leistungen und Sachleistungen bei ADHS unter ADHS > Finanzielle Hilfen.
Eine Tabelle mit den GdB-abhängigen Nachteilsausgleichen zum kostenlosen Download unter nachteilsausgleiche-gdb.pdf.
Das Versorgungsamt, Amt für Soziale Angelegenheiten oder Amt für Soziales und Versorgung richtet sich bei der Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen". Diese enthalten Anhaltswerte über die Höhe des GdB, Näheres unter Grad der Behinderung.
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze können in der Versorgungsmedizin-Verordnung beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter www.bmas.de > Suchbegriff: "K710" eingesehen werden. Die Anhaltswerte sind nur ein Orientierungsrahmen. Das bedeutet, die Berechnung ist immer eine Einzelfallentscheidung.
In den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen gehört ADHS zu den sog. verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend. Damit ADHS in diesem Rahmen berücksichtigt wird, ist eine medizinische Diagnose nötig, die nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation aus der deutschen Version der ICD-10 gemacht wurde. Näheres zur Diagnose nach diesen Kriterien unter ADHS > Ursachen und Diagnose.
Komorbide, das heißt zusätzlich zu ADHS auftretende psychische Störungen, wie z.B. Depressionen, muss das Amt gesondert berücksichtigen. Die Diagnose ADHS allein ist noch keine Behinderung. Eine Behinderung ist es erst, wenn eine sog. Teilhabebeeinträchtigung dazu kommt. Näheres unter Behinderung.
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze fassen alle ADHS-Diagnosen unter der Kategorie "Hyperkinetische Störungen und Aufmerksamkeitsstörungen ohne Hyperaktivität" zusammen. Wie hoch der GdB ausfällt, hängt dabei von den sog. sozialen Anpassungsschwierigkeiten ab:
Ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten liegt keine Teilhabebeeinträchtigung vor, das heißt es wird auch keine Behinderung festgestellt. |
|
Bei sozialen Anpassungsschwierigkeiten ... |
GdB |
... ohne Auswirkung auf die Integrationsfähigkeit |
10–20 |
... mit Auswirkungen auf die Integrationsfähigkeit in mehreren Lebensbereichen (z.B. Regel-Kindergarten, Regel-Schule, allgemeiner Arbeitsmarkt, öffentliches Leben, häusliches Leben) oder wenn die Betroffenen einer über das dem jeweiligen Alter entsprechende Maß hinausgehenden Beaufsichtigung bedürfen |
30–40 |
... mit Auswirkungen, die die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung oder umfassende Beaufsichtigung ermöglichen |
50–70 |
... mit Auswirkungen, die die Integration in Lebensbereiche auch mit umfassender Unterstützung nicht ermöglichen |
80–100 |
Ab einem GdB von 50 liegt eine Schwerbehinderung vor und ein Schwerbehindertenausweis kann ausgestellt werden, mit dem verschiedene Vergünstigungen in Anspruch genommen werden können, Näheres unter Schwerbehindertenausweis.
Wenn wegen ADHS Leistungen wie z.B. Schulbegleitung, ambulant betreutes Wohnen, oder umfassendes ADHS-Coaching im Beruf erbracht werden, bedeutet das, dass "umfassende Unterstützung" nötig ist. Für Betroffene heißt das, dass sie gute Chancen haben, einen Schwerbehindertenausweis zu bekommen.
Dass Integration auch mit umfassender Unterstützung nicht möglich ist, zeigt sich z.B., wenn
Ab dem 25. Geburtstag wird in der Regel allein wegen ADHS nur noch ein GdB von höchstens 50 festgestellt.
Ausnahmen sind möglich, z.B. wenn
Beim GdB werden alle Teilhabebeeinträchtigungen eines Menschen gemeinsam betrachtet, so dass sich die Betroffenen fast nie auf die Ausnahmeregelung berufen müssen. Denn wer auch nach dem 25. Geburtstag noch so starke Teilhabebeeinträchtigungen hat, hat fast immer auch andere psychische Störungen, eine Intelligenzminderung und/oder eine körperliche Behinderung, z.B. eine Epilepsie.
Im Erwachsenenalter zeigt sich oft ein Symptomwandel. Die vielen negativen Erfahrungen, die in der Kindheit und Jugend von Menschen mit ADHS erlebt werden, führen oft zu großen Selbstzweifeln und Unsicherheiten im Erwachsenenalter. Das Risiko, an einer Depression, Sucht oder Somatisierungsstörung zu erkranken, ist deshalb für Menschen mit ADHS erhöht.
ADHS kommt selten allein, das heißt oft liegen weitere psychische Störungen vor, z.B. Depressionen. Auch eine sog. tiefgreifende Entwicklungsstörung (gemeint ist damit Autismus), sog. Teilleistungsstörugen (z.B. Legasthenie oder Dyskalkulie) und die Anfallserkrankung Epilepsie sind bei ADHS häufiger. Solche zusätzlichen Diagnosen neben ADHS werden in der Medizin Komorbiditäten genannt.
Haben Menschen mit ADHS zusätzlich eine andere Behinderung, wird auch diese bei der Festlegung des GdB berücksichtigt. Sie erhalten einen Einzel-GdB wegen ADHS und je einen Einzel-GdB für jede weitere Behinderung. Diese Werte werden allerdings nicht addiert, sondern es wird geschaut, ob und inwiefern durch die zusätzliche andere Behinderung die Teilhabebeeinträchtigung stärker ist, als sie nur mit ADHS wäre und dann wird die Teilhabebeeinträchtigung insgesamt bewertet.
Wenn der Einzel-GdB für die andere Behinderung höher ist, als für die Teilhabebeeinträchtigung durch das ADHS, wird umgekehrt geschaut, ob das ADHS die Teilhabebeeinträchtigung insgesamt stärker macht, als sie ohne ADHS wäre.
Für Betroffene ist es in der Praxis manchmal unwichtig, dass Einzel-GdBs für alle Störungen ermittelt werden, weil am Schluss ohnehin nur die Gesamtbeeinträchtigung zählt. Typische ADHS-Symptome können andere Ursachen haben und ADHS kann Symptome anderer Erkrankungen verursachen. Deshalb ist es in der Praxis oft schwer zu sagen, wann wirklich eine Komorbidität vorliegt und wann es sich eher um eine Fehldiagnose handelt. Wer mehrere Diagnosen hat, sollte sie aber trotzdem alle beim Antrag auf Feststellung einer Behinderung angeben, damit der Gesamt-GdB nicht zu niedrig eingeschätzt wird.
Eine Intelligenzminderung bei ADHS ist möglich, aber relativ selten. Häufiger kommt es vor, dass ADHS selbst zu schlechteren Ergebnissen in einem IQ-Test und schlechteren Schulleistungen führt, so dass die wirkliche geistige Leistungsfähigkeit unterschätzt wird. Wird ADHS gut behandelt, verbessert sich oft auch die Leistung in einem IQ-Test erheblich. Wenn bei ADHS ein niedriger IQ gemessen wird, bleibt dieser deshalb in manchen Fällen beim GdB unberücksichtigt.
Umgekehrt sind Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität auch bei einer reinen Intelligenzminderung typisch und werden in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen deshalb schon in diesem Rahmen berücksichtigt, ohne dass noch ein Einzel-GdB für ADHS ermittelt und berücksichtigt wird.
Nur selten werden ADHS und eine Intelligenzminderung als sog. Komorbiditäten (= gleichzeitig auftretende Beeinträchtigungen) gewertet, so dass zwei Einzel-GdBs ermittelt werden und danach beurteilt wird, ob sie gemeinsam zu einer höheren Beeiträchtigung führen, als es bei nur einer der beiden Diagnosen der Fall wäre.
Wenn zu ADHS eine Teilleistungsstörung hinzukommt, kann sich der Gesamt-GdB eventuell erhöhen. Teilleistungsstörungen sind z.B. die Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) oder die Rechenschwäche (Dyskalkulie). Auch hier wird der GdB nur dann erhöht, wenn sich durch die Teilleistungsschwäche die Teilhabebeeinträchtigung insgesamt erhöht.
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