Unter Psychosen wird eine Gruppe psychischer Erkrankungen zusammengefasst, die mit Veränderungen der Gedanken, der Wahrnehmung, der Gefühle und des Verhaltens einhergehen. Die Erkrankten können zeitweise nicht zwischen Wirklichkeit und eigenen Vorstellungen unterscheiden. Sie steigen vorübergehend aus der Realität aus, erleben sich selbst aber nicht als krank, da ihnen ihre Wahrnehmungen sehr real erscheinen.
Schizophrene und manisch-depressive psychotische Störungen haben gemeinsam, dass die Betroffenen den Bezug zu sich selbst und ihrer Umwelt verlieren und sich ihre Persönlichkeit verändert. Viele Menschen mit Psychosen bemerken allerdings keine Veränderung an sich selbst, sondern an ihrer Umwelt. Charakteristisch sind Wahnvorstellungen und Halluzinationen.
Bei den psychotischen Störungen (Psychosen) werden insbesondere folgende Formen unterschieden:
Primäre Psychosen (Ursache kann nicht ermittelt werden) |
Sekundäre Psychosen (feststellbare Ursache) |
Schizophrenie (F20) | Organische Psychose (F06, F09) |
Schizotype Störung (F21) |
Psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10 bis F19) |
Anhaltende wahnhafte Störungen (F22) | |
Akute vorübergehende psychotische Störungen (F23) | |
Induzierte wahnhafte Störungen (F24) | |
Schizoaffektive Störungen (F25) | |
Affektive Störungen (F30 bis F39) mit psychotischen Symptomen |
Diese Einteilung findet sich im Diagnosekatalog "Internationale Klassifikation der Krankheiten" (ICD) von der Weltgesundheitsorganisation. Die in Klammern stehenden ICD-Codes sind weltweit anerkannt, um medizinische Diagnosen einheitlich zu benennen. Derzeit aktuell ist die Version ICD-10. Es gibt bereits eine neuere Version der ICD, die ICD-11. Sie gilt seit 1.1.2022, wird aber in Deutschland noch nicht verwendet, weil sie noch nicht vollständig übersetzt ist und die Systeme noch nicht darauf umgestellt sind.
Psychosen sind relativ häufig. In einem Fachartikel aus dem Jahr 2007 ("Lifetime prevalence of psychotic and bipolar I disorders in a general population" von Perälä et al.) ist z.B. die Rede davon, dass insgesamt weltweit 3.48% der Menschen irgendwann im Leben eine Form von Psychose erleben. Meistens brechen sie zum ersten Mal in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter aus. Je nach Störungsform, Persönlichkeit, Umfeld und Therapie verlaufen Psychosen sehr unterschiedlich.
Sie verlaufen in Phasen:
Ein Teil der Betroffenen durchlebt nur eine einmalige Akutphase, häufig im Zusammenhang mit einer Lebenskrise. Bei einigen kommt es in Belastungssituationen zu erneuten psychotischen Episoden, jedoch können sie zwischen den Akutphasen ein relativ normales Leben führen. Andere haben auch zwischen den akuten Episoden stark belastende Symptome.
Sekundäre Psychosen werden durch Krankheiten oder Verletzungen (organische Psychosen) verursacht, oder durch den Konsum sog. psychotroper Substanzen ausgelöst, also z.B. von Alkohol, Cannabis, LSD oder anderen Drogen. Es kann allerdings sein, dass Menschen mit schon bestehenden psychotischen Symptomen oder mit einer besonderen Anfälligkeit für Psychosen eher solche Substanzen konsumieren. Von daher steht zwar fest, dass ein Zusammenhang zwischen dem Konsum und Psychosen besteht, aber nicht, ob der Konsum auch wirklich die Ursache ist.
Bei primären Psychosen ist keine konkrete Ursache feststellbar.
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell ist das derzeit am besten akzeptierte Ursachenmodell zur Entstehung von Psychosen und berücksichtigt neurologische, psychologische und soziale Faktoren. Es geht davon aus, dass bei Betroffenen eine genetische Anfälligkeit (Vulnerabilität) für die Entstehung einer psychotischen Erkrankung vorhanden ist. Wenn dann bei Belastungssituationen (z.B. Auszug aus dem Elternhaus, Trennung vom Partner oder Tod eines Angehörigen) keine ausreichenden Bewältigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, können sich psychotische Symptome entwickeln.
Bei einer genetischen Veranlagung muss es jedoch nicht zwingend zu einer Erkrankung kommen. Es gibt einige schützende (protektive) Faktoren, wie eine gute soziale Einbindung und vielfältige Bewältigungsmöglichkeiten, die den Ausbruch einer Psychose verhindern können.
Als neurologische Ursachen werden Störungen der Botenstoffe im Gehirn vermutet, welche die Informationsverarbeitung im Gehirn beeinflussen. Vor allem der Botenstoff Dopamin ist bei einer Schizophrenie erhöht.
Studien ergeben z.B., dass in Großstädten Psychosen häufiger vorkommen als in ländlichen Regionen und dass ethnische Minderheiten in Gebieten mit wenig ethnischer Durchmischung häufiger betroffen sind. Das zeigt, dass die Umwelt sich auf das Psychoserisiko der Menschen auswirkt.
Die Symptome von Psychosen sind vielfältig und individuell verschieden. Die ersten Anzeichen der Erkrankung nehmen oft Freunde oder Angehörige wahr. Sie bemerken Persönlichkeitsveränderungen oder wenn die betroffene Person wie fremdgesteuert wirkt. Ihre Hilfe ist wichtig, um Psychosen möglichst früh zu erkennen.
Die Kernsymptome einer Schizophrenie werden grob in 3 Kategorien eingeteilt:
Zu den Plussymptomen zählen:
Zu den Minussymptomen zählen u.a.
Bei ausgeprägteren Schweregraden der Krankheit können sich sog. katatone Symptome zeigen. Das sind psychomotorische Störungen, die von starker Erregung, bis hin zur körperlichen Erstarrung reichen.
Manche Patienten berichten von einer Überempfindlichkeit gegenüber Licht oder Farben, Geräuschen, Gerüchen oder Geschmacksempfindungen. Auch das Zeitempfinden kann gestört sein. Die intellektuellen Fähigkeiten sowie die Persönlichkeit sind allerdings nicht beeinträchtigt.
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