Krankheitsbedingte Kündigung

1. Das Wichtigste in Kürze

Unter bestimmten Voraussetzungen ist es für den Arbeitgeber möglich, einen Arbeitnehmer aufgrund langer oder häufiger Krankheit zu kündigen. Der Arbeitnehmer kann gegen die Kündigung klagen und sich dabei ggf. durch Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe finanzielle Unterstützung holen.

2. Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung

2.1. Grundsätze

Die krankheitsbedingte Kündigung ist eine besondere Form der sog. personenbedingten Kündigung. Nicht die Krankheit selbst, sondern ihre Auswirkungen auf den Betrieb sind ein rechtlich zulässiger Kündigungsgrund. Auch Menschen mit einer Behinderung kann krankheitsbedingt gekündigt werden, auch dann, wenn es sich um eine Schwerbehinderung handelt.

Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung sind:

  • Negative Gesundheitsprognose.
  • Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung, z.B. Betriebsablaufstörungen oder Entgeltfortzahlungskosten.
  • Eine Interessensabwägung ergibt eine unzumutbare Belastung für den Arbeitgeber durch die betrieblichen Beeinträchtigungen.

2.2. Ausnahmen

In manchen Fällen gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht oder nur teilweise. Dann können die Betriebe ohne Angabe von Gründen oder Einhaltung der Kündigungsfrist Beschäftigte entlassen:

  • In Kleinbetrieben mit bis zu 10 Beschäftigten (Auszubildende werden nicht mitgezählt, Teilzeitbeschäftigte werden bei bis zu 20 Wochenstunden mit 1/2, bei bis zu 30 Wochenstunden mit 3/4 eingerechnet.)
  • In den ersten 6 Monaten einer Beschäftigung
  • Bei bestimmten leitenden Angestellten (z.B. Geschäftsführung mit Personalverantwortung, Vorstand)

In Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen kann es besondere Regeln geben, die eine krankheitsbedingte Kündigung erschweren.

2.3. Weitere Voraussetzungen

Weitere Voraussetzungen für den Arbeitgeber bei einer ordentlichen Kündigung (das ist eine Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist) sind:

  • Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.
  • Der Betriebsrat (sofern vorhanden) muss vorher angehört werden.
  • Die Kündigungsfrist ist einzuhalten (geregelt in § 622 BGB, im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag).

 

Bei einer außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber die Kündigungsfrist nicht einhalten. Für eine außerordentliche Kündigung müssen alle milderen Mittel und die Einhaltung der Frist für den Arbeitgeber unzumutbar sein. Bei krankheitsbedingten Kündigungen ist dies möglich, wenn alle Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung gegeben sind, aber die beschäftigte Person unkündbar ist (wegen einer Regelung in einem Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag).

Dabei muss dann allerdings eine sog. Auslauffrist eingehalten werden, die in der Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist entspricht. Außerdem sind die Maßstäbe höher als bei einer ordentlichen Kündigung, was den Kündigungsgrund betrifft:

Die negative Krankheitsprognose muss durch einen sehr hohen Krankenstand (mindestens 1/3 Krankheitstage in 3 Jahren) belegt werden. Die betriebliche Beeinträchtigung muss besonders schwer sein und bei der Interessensabwägung muss die Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber besser begründet werden.

2.4. Keine Abmahnung erforderlich

Anders als bei verhaltensbedingten Kündigungen ist bei der krankheitsbedingten Kündigung eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich. Eine Abmahnung hätte nämlich keinen Sinn, weil es sich bei Erkrankungen nicht um ein Verhalten handelt, das einfach abgestellt werden könnte. Es kann der beschäftigten Person auch nicht vorgeworfen werden, weil es nicht ihre Schuld ist.

Das hat für Beschäftigte, denen eine krankheitsbedingte Kündigung droht, den Nachteil, dass sie nicht durch eine Abmahnung vorgewarnt werden.

2.5. Krankheitsbedingte Kündigung bei Schwerbehinderung und Gleichstellung

Eine Schwerbehinderung bzw. eine Gleichstellung mit einer Schwerbehinderung führt zu besonderem Kündigungsschutz. Näheres unter Behinderung und Behinderung > Berufsleben. Sie macht aber nicht unkündbar, sondern führt nur dazu, dass eine Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamts unrechtmäßig ist und wirksam dagegen vorgegangen werden kann. Der mit einer Schwerbehinderung verbundene Kündigungsschutz greift nicht, wenn zwar eine Schwerbehinderung vorliegt, aber noch kein Grad der Behinderung (GdB) festgestellt wurde. Liegt hingegen schon eine festgestellte Schwerbehinderung (belegt durch einen Schwerbehindertenausweis) vor, muss zusätzlich das Integrationsamt der Kündigung zustimmen.

Dieser besondere Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung gilt auch in Kleinbetrieben mit bis zu 10 Beschäftigten.

Einer Behinderung liegen oftmals Krankheiten zu Grunde, die zu überdurchschnittlich häufiger Arbeitsunfähigkeit führen. Dann kann eine Behinderung mittelbar Grund einer krankheitsbedingten Kündigung sein. In diesem Fall ist eine krankheitsbedingte Kündigung für Arbeitgeber besonders schwierig durchzusetzen.

3. Arten krankheitsbedingter Kündigung

Es gibt verschiedene Arten von Erkrankungen, die typischerweise zu einer krankheitsbedingten Kündigung führen können:

  • Lang andauernde Erkrankung: In den nächsten 24 Monaten ist kein Ende der Erkrankung absehbar.
  • Häufige Kurzerkrankungen: Der Arbeitnehmer hat in den letzten 2–3 Jahren jedes Jahr addiert mindestens 6 Wochen wegen Krankheit gefehlt.
  • Krankheitsbedingte Leistungsminderung: Die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers ist dauerhaft mindestens um ein Drittel reduziert und eine Stundenreduzierung oder andere Beschäftigung ist nicht möglich.

Die genannten Zahlen sind nicht gesetzlich geregelt, sondern ergeben sich aus der Rechtsprechung. Im Einzelfall kann eine krankheitsbedingte Kündigung auch in anderen Fällen rechtmäßig sein.

4. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) dient dazu, nach Krankheit von mehr als 6 Wochen den Arbeitsplatz zu erhalten. Näheres unter Behinderung > Berufsleben. Es ist zwar keine notwendige Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung, aber ohne BEM ist es für Arbeitgeber sehr schwer, eine krankheitsbedingte Kündigung vor Gericht durchzusetzen. Arbeitgeber müssen nämlich vor einer krankheitsbedingten Kündigung nachweisen, dass andere Mittel, wie z.B. eine stufenweise Wiedereingliederung, nicht erfolgreich waren (oder gewesen wären).

Anderenfalls wird die Interessensabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers ausfallen und die Kündigung ist unrechtmäßig. Gut beratene Arbeitgeber führen daher in der Regel das BEM durch, ehe sie eine krankheitsbedingte Kündigung erwägen.

Ganz besonders wichtig ist das BEM, wenn eine Schwerbehinderung den hohen Krankenstand verursacht hat. Kann z.B. eine Arbeitsassistenz der häufigen oder langen Arbeitsunfähigkeit künftig vorbeugen, ist eine krankheitsbedingte Kündigung unrechtmäßig.

5. Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld

Eine krankheitsbedingte Kündigung hat keine Sperrzeiten des Arbeitslosengelds zur Folge. Kündigt der Arbeitnehmer selbst oder unterschreibt er einen Auflösungsvertrag, führt dies in der Regel zu Sperrzeiten von bis zu 12 Wochen beim Arbeitslosengeld.

5.1. Praxistipp

Hier lohnt es sich, wenn Sie vorab Kontakt mit der Agentur für Arbeit aufnehmen und nachfragen, ob Sie ausnahmsweise einer an sich unausweichlichen Kündigung durch den Arbeitgeber zuvorkommen dürfen (durch eigene Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag). Eine Sperrzeit wird nämlich ggf. nicht verhängt, wenn sich dadurch bessere Chancen für Sie auf dem Arbeitsmarkt ergeben, weil Sie den Makel vermeiden, der mit einer Kündigung durch den Arbeitgeber einhergeht.

Bestätigt die Agentur für Arbeit dann schriftlich, dass eine Sperrzeit nicht verhängt wird, können Sie auch selbst kündigen oder einen Aufhebungsvertrag unterschreiben.

6. Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht

Gegen eine Kündigung kann der Arbeitnehmer eine sog. Kündigungsschutzklage führen. Sie muss innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt des Kündigungsschreibens beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden.

Es ist ratsam, sich vor der Klage von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen. Sollten die Kosten für einen Anwalt die finanziellen Möglichkeiten übersteigen, kann für die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage Beratungshilfe in Anspruch genommen werden. Kommt es dann zu einer Klage, so können Bedürftige für die Kosten Prozesskostenhilfe beantragen.

Anders als in anderen Rechtsgebieten gilt zu den Kosten: Vor dem Arbeitsgericht trägt jede Partei ihre Kosten selbst, unabhängig davon, ob der Prozess verloren oder gewonnen wird. Diese Regelung gilt, um Arbeitnehmer vor hohen Anwaltskosten des Arbeitgebers im Verlustfall zu schützen. Umgekehrt bedeutet das für Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Prozesskostenhilfe, dass sie ihre eigenen Kosten auch dann selbst tragen müssen, wenn die Kündigung unberechtigt war und sie den Kündigungsschutzprozess gewinnen.

Wird der Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht verloren, so kann dagegen Berufung zum Landesarbeitsgericht und Revision zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt eingelegt werden. Dort ist die anwaltliche Vertretung Pflicht. Die Kosten einer Berufung und/oder Revision trägt jeweils die Partei, welche den Prozess verliert.

6.1. Praxistipps

  • Eine rechtzeitig abgeschlossene Rechtsschutzversicherung, welche das Arbeitsrecht abdeckt, ist für alle Arbeitnehmer empfehlenswert und schützt vor den Kosten eines Arbeitsgerichtsprozesses. Wichtig ist, dass Sie die Versicherung nicht erst dann abschließen, wenn schon ein Konflikt mit dem Arbeitgeber besteht. Denn meist zahlt die Versicherung erst, wenn sie bereits eine Weile besteht und nicht, wenn der Konflikt bei Versicherungsbeginn bereits bestanden hat.
  • Auch eine offensichtlich unrechtmäßige Kündigung wird wirksam, wenn Sie nicht fristgerecht Kündigungsschutzklage erheben. Verzichten Sie daher auf keinen Fall auf die Klage, weil Sie denken, dass die Kündigung "sowieso nicht rechtmäßig" ist.

7. Beschäftigungssicherungszuschuss

Bei Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung mit einer Schwerbehinderung (Näheres unter Behinderung > Berufsleben) kann eine krankheitsbedingte Kündigung ggf. über einen Beschäftigungssicherungszuschuss vermieden werden. Zuschüsse sind z.B. für die Kosten einer behinderungsgrechten Gestaltung des Arbeitsplatzes, für nötige Arbeitsassistenz oder als Minderleistungsausgleich möglich. Beim Minderleistungsausgleich bekommt der Arbeitgeber Geld als Ausgleich für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers mit Behinderung, der mindestens 1/3 weniger leisten kann als ein Mensch ohne Behinderung. Dieser muss sich dann nicht mehr wegen verminderter Leistungsfähigkeit krankschreiben lassen, sondern kann weiterarbeiten.

Die Zuschüsse kann das Integrationsamt oder Inklusionsamt unter bestimmten Voraussetzungen gewähren, wenn genug Geld dafür vorhanden ist.

8. Wer hilft weiter?

Gewerkschaften, Handwerkskammer, Integrationsfachdienst.

9. Verwandte Links

Behinderung > Berufsleben

Arbeitsunfähigkeit

Krankengeld

 

Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 2 KSchG - § 167 Abs. 2 SGB IX

Letzte Bearbeitung: 06.08.2024

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