Bürgergeld > Karenzzeit

1. Das Wichtigste in Kürze

Die sog. Karenzzeit umfasst das erste Jahr des Bezugs von Bürgergeld, während dem nur erhebliches Vermögen angerechnet wird. Als erheblich gilt Vermögen, wenn es einen Wert von 40.000 € für eine Einzelperson bzw. von 15.000 € für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft überschreitet. Außerdem müssen Bürgergeldbeziehende in der Karenzzeit weder umziehen, weil die Wohnung oder das Haus zu groß oder zu teuer ist, noch selbstbewohntes Wohneigentum verkaufen.

Die Ampelregierung wollte die Karenzzeit für Vermögen halbieren, aber es ist unklar, ob das nach ihrer Auflösung noch kommen wird. Nach den Neuwahlen und der Bildung einer neuen Regierung könnte das Bürgergeld 2025 durch eine andere Leistung ohne Karenzzeit ersetzt werden.

2. Dauer und Bedeutung der Karenzzeit

Das 1. Jahr des Bezugs von Bürgergeld heißt Karenzzeit:

  • Vermögen wird nicht angerechnet, außer wenn es erheblich ist. Ein selbstbewohntes Haus oder eine selbstbewohnte Eigentumswohnung gehört zum Schonvermögen, das behalten werden darf.
  • Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft werden übernommen und die Angemessenheitsgrenzen (Näheres unter Kosten der Unterkunft > Angemessenheit) finden noch keine Anwendung. Das heißt, es ist kein Umzug wegen zu hoher Kosten notwendig. Das gilt sowohl für Menschen in einer Mietwohnung als auch für Menschen in einer Eigentumswohnung oder im eigenen Haus.
  • Heizkosten werden nur übernommen, wenn sie angemessen für die tatsächliche Größe der Wohnung sind, auch wenn diese Wohnung unangemessen groß ist.

2.1. Karenzzeit nach Unterbrechungen des Bürgergeldbezugs

Die Karenzzeit verlängert sich um Zeiten, in denen der Leistungsbezug für mindestens 1 Monat unterbrochen wird.

Unter folgenden Voraussetzungen ist nach Ablauf dieser ersten Karenzzeit eine weitere Karenzzeit von 1 Jahr möglich:

  • Unterbrechung des Leistungsbezugs für 3 Jahre
    und
  • kein Bezug von Sozialhilfe in diesen 3 Jahren

3. Erhebliches Vermögen in der Karenzzeit

Erhebliches Vermögen ist mehr als das normale Schonvermögen (Näheres unter Bürgergeld > Einkommen und Vermögen) nach der Karenzzeit:

  • Für eine Einzelperson: bis zu 40.000 € (statt wie nach der Karenzzeit 15.000 €)
  • In einer Bedarfsgemeinschaft: bis zu 40.000 € für die erste Person und zusätzlich je 15.000 € für jede weitere Person (statt wie nach der Karenzzeit 15.000 € pro Person)

3.1. Keine Anrechnung selbstbewohnten Wohneigentums

Ein selbstbewohntes Haus oder eine selbstbewohnte Eigentumswohnung wird in der Karenzzeit unabhängig von Größe und Wert nicht als Vermögen angerechnet.

3.2. Berechnung bei mehreren Personen

Die Freibeträge in einer Bedarfsgemeinschaft werden addiert und gelten für die ganze Bedarfsgemeinschaft, unabhängig davon, wem das Eigentum gehört. Eine Einzelperson darf also die für sie vorgesehene Summe überschreiten, wenn andere in der Bedarfsgemeinschaft dafür entsprechend weniger Vermögen haben.

3.3. Fallbeispiel

  • Ein alleinerziehender Vater hat 60.000 €.
  • Seine 2 Kinder haben jeweils nur 3.000 € auf einem Sparbuch.
  • Der Vater allein hätte erhebliches Vermögen, da es 40.000 € überschreitet. Doch weil seine zwei Kinder zur Bedarfsgemeinschaft gehören, darf die Bedarfsgemeinschaft insgesamt je Kind weitere 15.000 €, also insgesamt 70.000 € haben. Insgesamt haben der Vater und seine Kinder nur 66.000 €, folglich kein erhebliches Vermögen. Sie können Bürgergeld erhalten.
  • Zahlt jedoch die Mutter an die Kinder so viel Unterhalt, dass die Kinder davon ihren Lebensunterhalt selbst sichern können, gehören die Kinder nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft des Vaters. Der Vater hat mit seinen 60.000 € dann erhebliches Vermögen, weil es keine weiteren Personen in der Bedarfsgemeinschaft gibt und er über 40.000 € hat.

3.4. Erklärung zum Vermögen

Vor Einführung des Bürgergelds mussten wegen einer Sonderregelung aufgrund der Corona-Pandemie keine Angaben zum Vermögen gemacht werden, außer es war erheblich. Lag das Vermögen darunter, reichte es aus, bei der Antragstellung anzukreuzen, dass kein erhebliches Vermögen vorliegt.

Seit Einführung des Bürgergelds muss das Vermögen wieder in jedem Fall angegeben werden: Auch innerhalb der Karenzzeit und auch wenn es nur sehr niedrig ist. Das soll Betrug verhindern. Belege müssen aber nur eingereicht werden, wenn das Jobcenter sie anfordert, z.B. bei Unklarheiten oder wenn die Angaben nicht glaubhaft erscheinen.

4. Fallbeispiel

Das folgende Fallbeispiel gilt für den Fall, dass die Regeln zur Karenzzeit nach dem Ende der Ampelregierung und auch nach den Neuwahlen 2025 gleich bleiben.

  1. Der 4-köpfigen Familie Müller wurden für die Zeit von 1.10.2022 bis 31.3.2023 Leistungen nach dem SGB II – also Arbeitslosengeld II und Sozialgeld – bewilligt.
    Wegen einer Corona-Sonderregelung im SGB II wurde ihr selbstbewohntes Eigenheim mit 200 qm Wohnfläche zunächst noch nicht vom Jobcenter als Vermögen angerechnet. Außerdem wurden ihre vollen Kosten der Unterkunft vom Jobcenter bezahlt.
    Ihr Sparvermögen und das Geld auf den Girokonten betrug insgesamt 130.000 €. Es wurde beim Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nicht angerechnet, weil wegen der Corona-Sonderregelung nur sog. erhebliches Vermögen berücksichtigt wurde. Für 4 Personen sind das 60.000 € zuzüglich 3 mal 30.000 €, also insgesamt bis zu 150.000 €.
    Ihre Betriebskosten und die Zinsen fürs Haus wurden vollständig als Bedarf berücksichtigt, inklusive angemessener Heizkosten für die 200 qm.
  2. Mit Einführung des Bürgergelds startete für die Familie zum 1.1.2023 die 12-monatige Karenzzeit.
    In der Karenzzeit bleiben das Eigenheim und Vermögen von 40.000 € plus 3 mal 15.000 €, also insgesamt bis zu 85.000 € anrechnungsfrei. Da die Familie diese Beträge überschreitet, musste das Vermögen über 85.000 € eigentlich angerechnet werden. Weil aber noch ein Bewilligungszeitraum lief der im Jahr 2022 begonnen hat, galt für die Familie zunächst noch die Sonderregelung auf Grund der Corona-Pandemie bis zum Ende des Bewilligungszeitraums am 31.3.2022. Die Familie bekam also zunächst trotz des relativ hohen Vermögens Bürgergeld.
    Ihre Betriebskosten und die Zinsen fürs Haus wurden vollständig als Bedarf berücksichtigt, inklusive angemessener Heizkosten für die 200 qm.
  3. Zum 1.3.2023 fand Frau Müller eine auf 2 Jahre befristete Beschäftigung in Vollzeit. Die Familie benötigte kein Bürgergeld mehr, sondern Wohngeld und Kinderzuschlag reichten ihnen nun.
  4. Wenn die Familie dann am 1.3. 2025 erneut Bürgergeld beantragen muss, gilt:
    • Die am 1.1.2023 begonnene Karenzzeit läuft theoretisch weiter. Sie dauert noch 10 Monate, weil davon erst 2 Monate verbraucht wurden.
    • Es gelten nun aber nicht mehr die hohen Freibeträge der Corona-Sonderregelung, sondern nur noch die Freibeträge der Karenzzeit in Höhe von 85.000 € (40.000 € plus 3 mal 15.000 €). Solange die Familie ihr darüber liegendes Vermögen nicht ausgegeben hat, bekommt sie deshalb vorerst kein Bürgergeld. Bei einem Vermögen von 130.000 € bedeutet das, dass die Familie zunächst 45.000 € aufbrauchen muss, ehe sie wieder die Möglichkeit hat, Bürgergeld zu bekommen.
  5. Wird nun bei einem Hochwasser das Eigenheim der Familie so stark beschädigt, dass sie die 45.000 € schon am 1.6.2025 vollständig für Reparaturen an ihrem Haus aufbrauchen müssen, gilt:
    • Die Familie kann ab dem 1.6.2025 erneut Bürgergeld erhalten.
    • Es läuft noch die Karenzzeit von 10 Monaten.
    • Das Eigenheim darf die Familie behalten und die Kosten werden voll als Bedarf berücksichtigt, inklusive angemessener Heizkosten für die 200 qm.
  6. Am 1.4.2026 wird der Familie nach Ablauf der Karenzzeit nun aber das Sparvermögen und Vermögen auf den Girokonten oberhalb des normalen Vermögensfreibetrags von nur 15.000 € pro Person angerechnet. Von ihren verbliebenen 85.000 € werden also nun 25.000 € auf das Bürgergeld angerechnet. Die Familie kann also vorerst kein Bürgergeld mehr beziehen. Sie muss erst die 25.000 € aufbrauchen.
  7. Am 1.4.2029 hingegen kann die Familie wieder Bürgergeld erhalten, auch, wenn sie die 25.000 € noch nicht ausgegeben haben sollte, weil nun wieder eine neue Karenzzeit beginnen kann. In der neuen Karenzzeit wird Vermögen erst ab 85.000 € angerechnet.
    Das Eigenheim darf die Familie behalten und die Kosten werden voll als Bedarf berücksichtigt, inklusive angemessener Heizkosten für die 200 qm.
  8. Am 1.4.2030 läuft diese neue Karenzzeit aus. Die Familie darf dann nur noch Vermögen bis 60.000 € (15.000 € pro Person) behalten.
    Das Eigenheim muss die Familie verkaufen, außer sie kann einen Härtefall nachweisen.

Es kann allerdings sein, dass z.B. die Karenzzeit für Vermögen doch noch, wie von der Ampelregierung geplant, halbiert wird, oder dass die Karenzzeit 2025 ganz abgeschafft wird. Das kann die Situation für die Familie Müller komplett verändern.

5. Verwandte Links

Bürgergeld

Bürgergeld > Einkommen und Vermögen

Bürgergeld > Umfang und Höhe

Bürgergeld > Kooperationsplan und Leistungsminderungen

Sozialhilfe > Vermögen

 

Rechtsgrundlagen: § 12 Abs. 3 und 4, § 22 Abs.1 Sätze 2ff SGB II

Letzte Bearbeitung: 12.12.2024

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