Die Jobcenter nehmen unter bestimmten Voraussetzungen an, dass zusammenlebende Menschen eine Bedarfsgemeinschaft sind. Beantragt ein Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft Bürgergeld (eine Leistung der Grundsicherung für Arbeitsuchende), wird in der Regel das Einkommen und Vermögen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angerechnet und diese bekommen automatisch geringere Leistungen als Alleinstehende.
Zu einer sog. Bedarfsgemeinschaft gehören:
Eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft meint, dass ein wechselseitiger Wille angenommen wird, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, auch wenn keine Unterhaltspflicht besteht.
Sozialleistungen nach dem SGB II sollen nicht einer Person gezahlt werden, die diese eigentlich nicht benötigt, weil sie mit einem Menschen zusammenlebt, der sie freiwillig finanziell unterstützt.
Gesetzlich geregelt ist, dass eine solche Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft immer dann vermutet wird, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, geht das Jobcenter automatisch von einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft aus, außer die Bürgergeldberechtigten beweisen besondere Umstände und entkräften dadurch die Vermutung.
In der Praxis kommt es dazu bisweilen zu Streit mit dem Jobcenter:
Die Jobcenter nehmen z.B. bei reinen Wohngemeinschaften oft fälschlicherweise eine Partnerschaft an. Oder Partner wohnen schon lange zusammen, die Partnerschaft besteht aber erst seit weniger als einem Jahr, was das Jobcenter aber nicht glaubt.
In solchen Fällen ist es möglich, sich mit Erfolg dagegen zu wehren. Informationen zu den rechtlichen Möglichkeiten, gegen falsche Behördenentscheidungen vorzugehen, gibt es unter Widerspruch im Sozialrecht und Widerspruch Klage Berufung.
Eine reine Wohngemeinschaft (WG) liegt vor, wenn getrennte Haushalte innerhalb einer Wohnung geführt werden. Nur eine WG liegt auch vor, wenn z.B.:
Eine Haushaltsgemeinschaft bzw. ein Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt liegt erst vor bei:
Es gibt auch Rechtsprechung, die annimmt, dass eine Haushaltsgemeinschaft auch in mehreren Wohnungen gegeben sein kann, also auch dann, wenn die Personen jeweils ihre eigene Wohnung haben, aber dennoch zusammenleben. Näheres unter Haushaltsgemeinschaft.
Eine Partnerschaft definieren das Bundessozialgerichts und das Bundesverfassungsgerichts so:
Allerdings gibt es auch Rechtsprechung, die selbst dann eine Partnerschaft annimmt, wenn einer der Partner oder sogar beide Partner anderweitig verheiratet sind, einander also derzeit nicht heiraten können, weil eine Doppelehe in Deutschland nicht erlaubt ist.
Eine Bedarfsgemeinschaft liegt nur dann vor, wenn sowohl eine Partnerschaft als auch eine Haushaltsgemeinschaft und eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft vorliegt.
In einer Bedarfsgemeinschaft erhalten die Mitglieder geringere Regelsätze als Alleinstehende. Grund dafür ist, dass beim Zusammenleben in der Regel weniger Geld ausgegeben werden muss, weil z.B. viele Gegenstände gemeinsam genutzt werden können.
Unverheiratete Partner sind einander nicht unterhaltspflichtig. Viele heiraten bewusst nicht, weil sie finanziell vom Partner unabhängig leben wollen und gerade nicht wirtschaftlich füreinander einstehen wollen. Weil sie nicht füreinander einstehen wollen und auch nicht füreinander einstehen, sind sie keine Bedarfsgemeinschaft.
Trotzdem kann es aber sein, dass sie die Voraussetzungen erfüllen, unter denen eine Bedarfsgemeinschaft vermutet wird, und es nicht gelingt, diese Vermutung zu entkräften. Ist ein Partner hilfebedürftig und hat der andere Einkommen und/oder Vermögen, so wird dieses Geld im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft bei den Sozialleistungen angerechnet. Dem hilfebedürftigen Partner werden daraufhin die Leistungen gekürzt oder sogar ganz gestrichen.
Die Folge ist, dass der leistungsfähige Partner dann ohne Unterhaltspflicht ungewollt den hilfebedürftigen Partner finanziell unterstützen muss, wenn er will, dass dieser seinen Lebensunterhalt weiterhin sichern kann. Daran können Beziehungen zerbrechen, denn der leistungsfähige Partner steht ungewollt vor der Entscheidung: Partnerschaft mit finanzieller Unterstützung des hilfebedürftigen Partners oder keine Beziehung?
Vielen längerfristig hilfebedürftigen Menschen gelingt es deshalb auch nicht, eine stabile Partnerschaft einzugehen, da potentielle Partner die finanzielle Unterstützung nicht leisten wollen.
Hintergrund der Regelung ist, dass der Gesetzgeber verhindern wollte, dass Sozialleistungen nur deshalb gezahlt werden müssen, weil Partner keine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen wollen, obwohl der leistungsfähige Partner tatsächlich den hilfebedürftigen Partner unterstützt und dieser eigentlich keine staatliche Hilfe mehr braucht.
Horizontale Einkommensberechnung bedeutet, dass das Einkommen verteilt auf die ganze Bedarfsgemeinschaft angerechnet wird.
Fallbeispiel:
Für dem Haushalt angehörende unverheiratete Kinder unter 25 Jahren, gilt eine Besonderheit:
Ihr Einkommen und Vermögen wird nur auf ihren eigenen Bedarf angerechnet. Reicht es aus, um diesen Bedarf zu decken, gehören sie automatisch nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft. Ihr Einkommen und Vermögen kann dann nur noch im Rahmen der Regeln zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen in einer Haushaltsgemeinschaft unter Verwandten und Verschwägerten angerechnet werden. Näheres unter Haushaltsgemeinschaft.
Fallbeispiel:
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Rechtsgrundlagen: § 7 Abs. 3 SGB II