Trauer ist ein natürlicher und normaler Prozess. Das Gefühl der Traurigkeit gehört zu den ersten Basisemotionen, die schon Kinder im Kindergartenalter erleben und erlernen. Dennoch ist die Trauer in unserer Gesellschaft ein oft verdrängter Gefühlszustand. Menschen trauern sehr verschieden, es gibt keine Norm dafür. Wissen über Trauer gibt Sicherheit im Umgang mit Trauernden und hilft, zusätzliche Belastungen und Verletzungen der Betroffenen zu vermeiden.
Der Verlust von Dingen, Lebensumständen oder geliebten Personen löst Trauer aus. Der Verlust eines nahestehenden Menschen ist ein einschneidendes Ereignis, das das seelische Gleichgewicht der Hinterbliebenen massiv aus dem Gleichgewicht bringt. Den Weg zur Wiederherstellung dieses Gleichgewichts bezeichnet man als Trauer. Trauer betrifft Menschen emotional, spirituell, sozial und körperlich. Trauer kann auf vielfältige Weise ausgedrückt werden, z.B. im Gesichtsausdruck, in der Körperhaltung und im Verhalten.
Bei Trauer denkt man meist nur an Angehörige nach dem Tod. Doch schon ein bevorstehender Verlust z.B. eines schwerstkranken Menschen lässt die Trauer beginnen. Der Weg der akuten Trauer beginnt mit dem Eintritt des Todes.
Auch Schwerstkranke und Sterbende trauern. Ab der Diagnose "unheilbar krank" nehmen sie Abschied von allem. Näheres unter Trauer > Sterbende.
Professionelle und ehrenamtliche Helfer begleiten und unterstützen den Patienten. Auch sie trauern und sollten deshalb bewusst mit der eigenen Trauer und der Trauer im Team umgehen (Self Care).
Das Nicht-Wissen um den Ablauf von Trauer ist weit verbreitet, entsprechend unsicher sind die meisten Menschen im Umgang mit Trauer und Trauernden.
Wissen zur Trauer schützt alle Beteiligten davor, dass sie durch vermeintliches "Schonen" den Schmerz der unmittelbar Betroffenen noch verstärken. Allerdings muss hier auch klar gesagt werden, dass Trauer ein starkes Gefühl ist, meist stärker als alles, was die unmittelbar Betroffenen bis dahin erlebt haben. Dies lässt sich auch durch "Wissen" nicht lindern. Aber Wissen reduziert die Angst der Betroffenen ("Bin ich überhaupt noch normal?") und es gibt dem Umfeld die Chance, einerseits zu helfen (weil sie wissen, was der Betroffene brauchen könnte), andererseits zusätzlichen Schmerz zu vermeiden (weil sie wissen, was weh tut).
Trauer wird im Allgemeinen nur begrenzt und in bestimmten Formen zugestanden. Angehörige und Begleiter sollten sich von den folgenden, weit verbreiteten, aber falschen, Annahmen über die Trauer nicht beeinflussen lassen:
Die schlimmste Zeit sind die ersten Wochen
Das mag für Menschen stimmen, die nicht zu den allernächsten Angehörigen gehören, aber die unmittelbar Betroffenen brauchen meist Monate, bis sie das ganze Ausmaß des Verlustes und der Veränderungen realisieren.
Näheres unter Umgang mit Trauernden.
Die Trauer dauert ein Jahr
Es gibt keine allgemeinen Regeln über die Dauer der Trauer, aber: Sie dauert länger, als die meisten, auch die Trauernden selbst, denken. Die Trauer holt einen manchmal Jahre später wieder ein – oft durch ein Erlebnis, ein Detail, das die Erinnerung weckt. Aber: Neben der Trauer wird sich das Leben wieder Raum nehmen.
Trauer verläuft in Phasen
Phasen sind ein Hilfsmittel, um die Trauer wissenschaftlich zu strukturieren. Aber Trauer verläuft nicht in Phasen, sondern zirkulär, spiralförmig. Manche Dinge wiederholen sich, das ist für Betroffene und Angehörige besonders schwer auszuhalten. Und nicht jeder Trauernde durchlebt dasselbe. Wichtig ist, Trauernden zuzugestehen, dass es auch etwas Unbewältigtes gibt, dass etwas offen bleibt. Für manche Trauernden ist es hilfreich, zwischendurch "ganz woanders" zu sein, die Trauer eine Zeit lang zu vergessen (eine Art emotionales Pendeln). Siehe auch unten unter Trauermodelle.
Trauer kann abgearbeitet werden, und dann ist sie weg
Trauer kennt kein Ende, der Schmerz wandelt sich. Man lernt, mit dem Schmerz zu leben. Ein neuer Trauerfall kann auch alte Trauer wieder hervorholen.
Angehörige zeigen physische, psychische, soziale und spirituelle Reaktionen auf den Verlust eines Menschen.
Akute Trauer: Wird ausgelöst durch einen aktuellen Verlust oder ein aktuelles Ereignis des Abschieds.
Alte (ungelöste) Trauer: Der Trauer wohnt etwas lange Währendes bzw. Ungelöstes inne.
Trauer ist ein komplexes und sehr emotionales Phänomen, für das es keine Regeln gibt. Der Begriff "normale Trauer" wird in Fachkreisen verwendet, um dieses Phänomen gegen die "krisenhafte" (pathologische) Trauer abzugrenzen.
Normale Trauer kann Monate bis Jahre dauern und eine "verbleibende" Resttrauer gilt als normal. In der Regel sind bei einem normalen Trauerverlauf Medikamente und Therapien nicht notwendig. Normale Trauer bedeutet aber nicht, dass diese schmerzfrei ist. Die Übergänge zwischen normaler und krisenhafter Trauer sind fließend.
Die Reaktionen auf den Verlust eines geliebten Menschen können sehr unterschiedlich sein und auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Variieren können all diese Reaktionen in ihrem Auftreten, ihrer Stärke und in ihrer Dauer.
Reaktionen auf sozialer Ebene
Manche Hinterbliebenen ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Sie nehmen an keinen Aktivitäten mehr teil, meiden Erinnerungen an die verstorbene Person und wollen nicht über diese reden. Andere suchen genau dies, weil die Erinnerung hilft, der Trauer zu entfliehen oder die Trauer in positive Erinnerungen zu wandeln.
Reaktionen auf psychischer Ebene
Reaktionen auf körperlicher Ebene
Reaktionen auf spiritueller Ebene
Der Trauerprozess jedes einzelnen Menschen ist individuell. Trauermodelle können helfen, den Ablauf der Trauer besser zu verstehen und zu erkennen, in welcher Phase sich Betroffene befinden. Modelle sollen nicht dazu verleiten zu glauben, dass es einen bestimmten Ablauf in einer bestimmten Reihenfolge gibt. Sie sind Erklärmodelle, die aus der Beobachtung und Begleitung sterbender und trauernder Menschen entwickelt wurden. Verschiedene Trauerforschende haben wiederkehrende Reaktionen in Trauermodellen dargelegt und unterteilt, die nicht immer linear ablaufen, sondern in der Reihenfolge variabel sind oder sich vermischen können.
Die bekanntesten Modelle sind die nach:
In einigen Todesfällen können verschiedene Faktoren den Trauerverlauf erschweren und zu Erkrankungen führen. Der Übergang von der normalen zur erschwerten Trauer ist fließend. Erschwerter Trauerverlauf bedeutet, dass normale Trauerreaktionen anhaltend bestehen bleiben, sich intensivieren oder sich anhaltend in körperlichen Beschwerden ausdrücken. Die Dauer, die Intensität der Trauer und die Art und Weise, wie Trauer erlebt und ausgedrückt wird, weichen von der normalen Trauer ab. Typisch sind z.B. folgende Formen:
Die Umstände des Todes
Beziehung zur verstorbenen Person
Familie und Umfeld
Es ist nicht einfach, normale von krisenhafter Trauer zu unterscheiden. Betroffene können sich bei vielen Anlaufstellen Hilfe holen:
Medizinische Diagnosen werden in Deutschland derzeit nach der Internationalen Klassifikation der Erkrankungen (ICD - International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) der Weltgesundheitsorganisation WHO (aktuell ICD 10) vergeben. Dort ist die pathologische Trauer (siehe krisenhafte oder erschwerte Trauer) als Anpassungsstörung erfasst. Es handelt sich dabei um Zustände von subjektivem Stress und emotionaler Belastung, die das soziale Leben beeinträchtigen. Diese treten während des Anpassungsprozesses nach bedeutenden Lebensveränderungen oder belastenden Ereignissen auf, wie z. B. Trauerfällen, Trennungen oder Flucht.
In der neuesten Version ICD-11 ist die anhaltende Trauerstörung erstmals als eigenständige Erkrankung erfasst. Die ICD 11 trat am 1.1.2022 in Kraft, wird aber derzeit im klinischen Alltag nicht verwendet, da die deutsche Übersetzung noch nicht abgeschlossen ist. Beschrieben wird eine anhaltende Trauerstörung in der ICD 11 als tiefgreifende und lang anhaltende Trauerreaktion nach dem Verlust einer nahestehenden Person. Sie ist gekennzeichnet durch intensiven emotionalen Schmerz und Schwierigkeiten, den Verlust zu akzeptieren. Diese Reaktion dauert mindestens 6 Monate und beeinträchtigt das tägliche Leben erheblich.
Bei der Diagnose einer Anpassungsstörung aufgrund von Trauerfällen werden oft auch andere Erkrankungen wie posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder Depressionen in Betracht gezogen. Da die Symptome und der Verlauf dieser Störungen ähnlich sein können, ist eine genaue Diagnostik wichtig.
Wenn Trauernde die Trauer dauerhaft nicht allein bewältigen können, ist eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll und unumgänglich. Ziel der Therapie kann sein, bisher nicht geleistete Trauerarbeit nachzuholen, erschwerte Trauer in normale Trauerreaktionen umzuwandeln und dann zu bearbeiten. Näheres unter Psychotherapie.
Nicht alle Menschen haben Tränen: Das Wissen um die 4 typischen Erstreaktionen (fühlen, tun, denken, vermeiden) auf den Tod naher Angehöriger fördert das Verständnis für das Verhalten Betroffener und verhindert Fehlurteile im Umgang mit ihnen. Näheres unter Erstreaktionen auf den Tod naher Angehöriger.
Viele Trauernde haben irgendwann die Angst, sie seien nicht mehr normal, der Verlust habe sie verrückt gemacht. Jeder Mensch reagiert anders, aber bestimmte Probleme wie Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit oder Stimmenhören kommen häufig vor und sind normal. Zudem laufen viele körperliche Reaktionen ab. Das Wissen um die Auswirkungen der Trauer verhindert Fehldiagnosen und unnötige Therapien. Näheres unter Trauer > Auswirkungen.
Wie kann Trauernden wirklich geholfen werden, insbesondere im ersten Jahr und ganz bewusst über den Jahrestag des Todes hinweg? Was bedrängt und belastet sie nur zusätzlich? Näheres unter Umgang mit Trauernden.
Wenn Angehörige oder gar Gleichaltrige sterben, sind Kinder doppelt betroffen: Durch die Trauer der Eltern und den eigenen Verlust. Aber von Trauerfeiern und Bestattungen werden Kinder meist ferngehalten, um sie zu schonen und weil "die Kleinen" das ohnehin nicht verstehen. Wann verstehen Kinder den Tod? Wie können sie altersgerecht einbezogen werden? Näheres unter Tod und Trauer > Kinder.
Einrichtungen der Sterbebegleitung
Palliativphase > Tod und Trauer