1. Das Wichtigste in Kürze
Ein Sturz kann ernsthafte Verletzungen und Folgeprobleme nach sich ziehen oder tödlich enden. Gefährdet sind vor allem alte Menschen und Patienten mit bestimmten Erkrankungen, z.B. Parkinson oder Osteoporose. Vorbeugend sind Stolperfallen in der Wohnung zu entfernen und wenn möglich das Sturzrisiko bei der gefährdeten Person selbst zu minimieren, z.B. durch Bewegung.
Bei Risikopatienten, z.B. mit Osteoporose oder Parkinson, sollte ein Testverfahren zur Sturzgefahr durchgeführt werden.
2. Sturzgefahr und Sturzangst
Stürze sind insbesondere im Alter und bei schwer kranken Patienten eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit. Speziell gefährdet sind Patienten mit Osteoporose, Parkinson, Schlaganfall mit Halbseitenlähmung, starken Blutdruckschwankungen und Demenz. Sind schon einmal Verletzungen und Brüche durch Stürze entstanden, wächst die Angst vor einem weiteren Sturz. Dies kann zu starker Verunsicherung führen, was wiederum die Mobilität einschränkt und die Sturzgefahr weiter erhöht. Gleichzeitig gelten Stürze in der Vergangenheit als Risikofaktor für weitere Stürze. Man sollte also nach einem Sturz jede Möglichkeit nutzen, Stürzen vorzubeugen.
3. Sturzrisikofaktoren
Die Gefahr zu fallen erhöht sich auch noch deutlich durch Sturzrisikofaktoren wie:
- Kraft- und Balanceprobleme
- Veränderte Körperhaltung und Schrittstellung
- Risikoträchtige Bewegungen, z.B. trotz Gleichgewichtsproblemen auf einen Stuhl steigen
- Sehbeeinträchtigungen
- Alkohol- und/oder Drogenkonsum
- Medikamentenwirkungen, z.B. bei Diuretika, Abführmitteln, starken Schmerzmitteln, Muskelrelaxantien
- Schwindelanfälle
- Äußere Gegebenheiten (z.B. Stolperfallen, Bodenunebenheiten)
Um das Sturzrisiko zu verringern, sollten Betroffene auf keinen Fall – aus Angst vor einem Sturz – das Sitzen bevorzugen. Dadurch werden sie immer schwächer und unsicherer.
4. Testverfahren zur Sturzgefahr
Es gibt zahlreiche Verfahren, um das Sturzrisiko einzuschätzen, z.B.:
- Der Chair-Rising-Test
Fünfmaliges Aufstehen und wieder Hinsetzen von einem Stuhl mit vor der Brust verschränkten Armen. Werden mehr als 11 Sekunden dafür benötigt, wird von einer erhöhten Sturzgefahr ausgegangen.
- Timed-Up-and-Go-Test
Aufstehen aus einem Stuhl mit Armlehnen, 3 Meter geradeaus gehen, umdrehen, zurückgehen und wieder hinsetzen. Gehhilfen, die auch sonst benutzt werden, dürfen eingesetzt werden. Der Test soll die Muskelkraft, Gelenkfunktionen und das Gleichgewicht bewerten. Diese Faktoren können das Sturzrisiko beeinflussen.
- Mobilitätstest nach Tinetti
Der Tinetti-Test ist deutlich aufwendiger als die beiden oberen Tests und kann nur von geschulten Ärzten oder Therapeuten durchgeführt und bewertet werden.
Durchzuführen sind mehrere Übungen, die anhand verschiedener Kriterien bewertet werden, z.B.: Stand und Balance werden durch Aufstehen, die ersten Sekunden des Stehens, mit offenen und geschlossenen Augen, das Drehen auf der Stelle, leichte Stöße gegen Brust oder Schultern und anschließendes Hinsetzen beurteilt. Beim Gehen wird das Gangbild analysiert, z.B. Anlaufen, Schrittlänge, -höhe und -symmetrie, Wegabweichungen.
- Zusätzlich gibt es Tests zur Überprüfung der Gleichgewichtsfunktion, z.B.:
- Stehversuch nach Romberg (auch Romberg-Versuch oder Romberg-Test genannt)
Aufrecht Stehen mit geschlossenen Augen, aneinanderliegenden Füßen und nach vorne gestreckten Armen. Die Bewegungen des Körpers (z.B. Schwanken) geben dabei einen Hinweis auf die Standfestigkeit und den Gleichgewichtssinn.
- Tretversuch nach Unterberger/Fukuda (auch Unterberger-Tretversuch genannt).
50 mal auf der Stelle treten, mit geschlossenen Augen und vorgestreckten Armen. So können Rückschlüsse auf das Gangbild und die Standfestigkeit geschlossen werden, z.B. bei Drehungen um die eigene Achse.
Andere Tests beziehen weitere Fähigkeiten (z.B. Gedächtnis, Denken, Verstehen und Problemlösungskompetenz) mit ein, da die Einschätzung von Gefahren und die Reaktionsgeschwindigkeit wichtige Faktoren sind.
5. Maßnahmen zur Sturzvermeidung
Grundsätzlich ist es wichtig, die Risikofaktoren zu kennen. Wenn diese klar sind, gibt es zwei Ansatzpunkte: bei der sturzgefährdeten Person selbst und im Umfeld.
5.1. Personenbezogene Maßnahmen zur Sturzvorbeugung
Regelmäßiges körperliches Training hilft in jedem Stadium, Stürze zu verhindern. Im Alter lassen Kraft, Gleichgewichtssinn, Koordinationsfähigkeit, Geschicklichkeit und Reaktionsvermögen nach. Sport und Bewegung können dem entgegenwirken:
- Jede Bewegung ist wichtig. Das umfasst auch Alltagsbewegungen wie Treppensteigen oder Radfahren.
- Bereits leichteres Ausdauer-, Kraft- oder Gleichgewichtstraining kann das Sturzrisiko reduzieren.
- Reha-Sport und Funktionstraining sind besonders geeignet.
- Physiotherapie und Ergotherapie können helfen, wenn die Übungen auch zu Hause regelmäßig durchgeführt werden.
- Wassergymnastik ist gelenkschonend und insbesondere bei Sturzangst geeignet. Zudem kann sie die Schmerzwahrnehmung reduzieren.
- Auch die Knochendichte kann durch körperliche Belastung positiv beeinflusst werden. Die größten Effekte hat ein hochintensives Training mit Stoß- und Impulsbelastungen. Durch eine Verringerung der Knochendichte erhöht sich die Gefahr von Knochenbrüchen. Näheres zu unterschiedlichen Messverfahren unter Knochendichtemessung.
Zudem können je nach Ursache der Sturzgefährdung folgende Punkte wichtig sein:
- Regelmäßige ärztliche Untersuchungen durchführen lassen und Risikofaktoren wie Sehstörungen oder Schwindel abklären und behandeln lassen.
- Auf Medikamentennebenwirkungen achten.
- Regelmäßig das Seh- und Hörvermögen überprüfen lassen.
- Hilfsmittel einsetzen, z.B. einen Rollator. Bei Verwendung von Gehhilfen Türschwellen entfernen lassen.
- Zum Schutz vor Knochenbrüchen z.B. Hüftprotektoren verwenden.
- Auf eine gute Versorgung mit Vitamin D und Kalzium achten, Näheres unter Osteoporose > Ernährung.
- Tätigkeiten vermeiden, bei denen häufig Unfälle passieren, z.B. Fenster putzen, Vorhänge wechseln, auf Stühle oder Leitern steigen.
5.2. Maßnahmen zur Sturzvorbeugung im Lebensumfeld
Stolperfallen und andere Hindernisse im Wohnumfeld können das Sturzrisiko erhöhen. Oft helfen einfache Maßnahmen, um diese zu beseitigen, z.B.:
- Rutschige Bodenbeläge wie Fliesen oder Parkett vermeiden oder rutschhemmend ausstatten.
- Beim Wischen keine Pfützen oder nassen Stellen hinterlassen.
- Auf Teppiche und Läufer verzichten oder diese rutschfest fixieren. Am sichersten ist Auslegware, da diese weder rutschen kann noch zu glatt ist.
- Rutschfeste und stolperfreie Matten in Bad, Dusche und Badewanne auslegen.
- Handgriffe anbringen.
- Treppen mit entsprechenden Belägen rutschfest machen und beidseitig griffsichere Handläufe anbringen.
- Stufenkanten und Türschwellen mit Rampen versehen und farbig markieren. Türschwellen, wenn baulich möglich, entfernen.
- Keine Gegenstände (Stolperfallen) liegen lassen, lose Kabel befestigen.
- Wohnung gut beleuchten, zusätzlich Nachtlichter anbringen.
- Trittsichere Schuhe mit festem Halt und niedrigen Absätzen tragen.
Eine Beratung zur Vorbeugung von Stürzen in der Wohnung können Betroffene auch durch geschultes Personal (z.B. Physiotherapeuten oder qualifizierte Handwerksbetriebe) bekommen, die bei einem Hausbesuch Stolperfallen erkennen und Tipps zu Anpassungen geben können.
Um in Notfällen schnell Hilfe holen zu können, kann ein Hausnotrufsystem installiert werden.
6. Praxistipps
- Pflegebedürftige Menschen können für Umbaumaßnahmen bis zu 4.180 € bei der Pflegekasse beantragen. Näheres unter Wohnumfeldverbesserung.
- Die KfW-Gruppe legt regelmäßig Programme zum Immobilienkauf oder alten- oder behindertengerechten Umbau auf. Dabei handelt es sich in der Regel um zinsgünstige Kredite, die über die eigene Hausbank zu beantragen sind und auch auf diesem Weg ausgezahlt werden. Infos bei der Hausbank oder auf www.kfw.de, oben Suchbegriff eingeben, z.B. „Umbau“ oder „Immobilie barrierefrei“.
- Anschubfinanzierung für ambulant betreute Wohngruppen
Die Pflegekassen fördern die Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen pro Pflegebedürftigem mit bis zu 2.613 € und pro Wohngruppe mit maximal 10.452 € (§ 45e SGB XI). Näheres unter Wohnen im Alter.
- Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat eine kostenlose Broschüre "Gleichgewicht & Kraft – Einführung in die Sturzprävention" mit Tipps zur Sturzvermeidung herausgegeben. Bestellung oder PDF-Download unter www.shop.bzga.de > Alle Kategorien > Gesundheit älterer Menschen > Gleichgewicht und Kraft - Einführung in die Sturzprävention.
7. Verwandte Links
Osteoporose
Osteoporose > Hilfsmittel - Wohnen
Osteoporose > Bewegung - Training - Rehabilitation
Osteoporose > Pflege
Parkinson
Demenz
Schlaganfall > Wohnen
Wohnumfeldverbesserung