Nach einer Krebsoperation oder Bestrahlung kann es zu einem Lymphödem kommen. Ein Lymphödem ist eine Schwellung, die entsteht, wenn sich Lymphflüssigkeit im Gewebe ansammelt. Am häufigsten sind Lymphödeme des Armes bei Brustkrebs. Bei einem ausgeprägten Lymphödem ist dauerhaft eine Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) nötig, die aus Lymphdrainage, Kompression, Übungen und Hautpflege besteht.
Um ein Lymphödem zu erkennen, ist eine genaue Untersuchung notwendig. Hier wird u.a. das Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger abgehoben und verglichen, sog. Hautfaltentest nach Stemmer. Dieser Test sollte schon vor der Operation und danach in regelmäßigen Abständen, z.B. bei den Nachsorgeterminen, durchgeführt werden.
Lymphödeme können schmerzen und die Lebensqualität massiv beeinträchtigen – dies ist aber, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur der Fall, wenn das Ödem nicht kontinuierlich und richtig behandelt wird.
Lymphexperten beklagen allerdings, dass bei Ärzten und Therapeuten oft das Spezialwissen für die richtige Therapie fehlt. Wenn sich ein Lymphödem nach längerer Behandlung nicht bessert oder wenn ein Arzt keine Behandlung verschreiben möchte, sollten Betroffene sich an einen Spezialisten wenden.
Die Kosten für Behandlung des Lymphödems werden von der Krankenkasse übernommen. Kompressionsstrümpfe, die zur Behandlung mit verordnet werden, erstatten Krankenkassen nur zum Teil. Hier müssen Versicherte in der Regel einen Teil der Kosten selbst tragen.
Ein Lymphödem ist ein Stau von Lymphflüssigkeit. Das Lymphsystem ist ein über den ganzen Körper verteiltes System von Kanälen und Lymphknoten, das Lymphflüssigkeit, aber auch Erreger, Eiweiß und Stoffwechselreste von den Extremitäten (Hände, Füße) Richtung Körperstamm transportiert. Das Lymphgefäßsystem ist so wichtig wie die Blutgefäße. Es mündet in der Nähe des Herzens in das Venensystem.
Lymphknoten sind zentrale "Kreuzungen" im Lymphsystem. Wenn sie nicht mehr vorhanden sind oder nicht mehr richtig funktionieren, kommt der Abtransport der Lymphe in den Bereichen vor dieser Kreuzung ins Stocken. Bei Krebsoperationen werden Lymphknoten entfernt, wenn sie von Tumorzellen befallen sind. Bei der Bestrahlung von Krebs kann es sein, dass nahegelegene Lymphknoten und Lymphbahnen durch die Strahlen beschädigt werden. Die Lymphe staut sich dann und die Bereiche vor den betroffenen Regionen, in der Regel Arme oder Beine, schwellen an. Weil es sich hier um eine Folge der Operation handelt, spricht man von einem "sekundären" Lymphödem.
Anfangs ist die Schwellung blass und weich. Ein Fingerdruck tut nicht weh, hinterlässt aber eine Delle. Der Arm/das Bein fühlt sich oft schwer an, die Beweglichkeit wird im Verlauf immer mehr eingeschränkt. Im fortgeschrittenen Stadium wird die Schwellung immer dicker, das Gewebe infolge von Ablagerungen immer härter, und die betroffene Person bekommt Schmerzen. Zudem erhöht sich die Gefahr von Entzündungen selbst bei kleinen Verletzungen.
Als Komplikation im Zusammenhang mit einem Lymphödem kommt es relativ häufig zu einem Erysipel (Wundrose). Die Wundrose ist eine Hautentzündung, die durch Bakterien verursacht wird und meist den Lymphstau verschlimmert. Erkennungszeichen ist eine scharf begrenzte Rötung, die sich rings um den Entzündungsherd ausbreitet. Wenn Betroffene mit Lymphödem Veränderungen bemerken, z.B. Verhärtungen oder Rötungen, sollten sie immer sofort einen Arzt aufsuchen.
Bei einer Brustkrebsoperation können, je nach Befund, einer oder mehrere, unter Umständen auch alle Lymphknoten aus der Achselhöhle entfernt werden. Nach Brustkrebsoperationen können deshalb die Arme von Bewegungseinschränkungen betroffen sein. Bei 20–30 % der Patientinnen entsteht ein Lymphödem des Arms. Bereits kurz nach der OP sollten deshalb individuelle Therapien ansetzen, damit der Arm funktionsfähig bleibt.
Die Entfernung von Lymphknoten im Becken kann zu Lymphödemen in den Beinen oder im Hodensack führen.
Auch nach einer Bestrahlung können Lymphödeme entstehen, wenn durch die Strahlenintensität Lymphbahnen und/oder Lymphknoten geschädigt wurden und deshalb die Lymphflüssigkeit nicht mehr richtig nach oben transportiert werden kann.
Lymphödeme sind meist nicht endgültig heilbar, deshalb ist eine dauerhafte Therapie notwendig, um möglichst wenig beeinträchtigt zu sein. Mit den richtigen Therapien und Verhaltensweisen können Patienten aber fast immer ein beschwerdefreies Leben führen.
Die KPE (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie) ist die erfolgreichste Therapie bei vielen Lymphödemen. "Komplex" deutet an, dass die Therapie aus mehreren Bausteinen besteht. Bei schwach ausgebildeten Lymphödemen können auch nur einzelne Bausteine ausreichenden Erfolg bringen. Wenn aber eine KPE angezeigt ist, muss sie mit allen ihren Teilen konsequent und langfristig umgesetzt werden, weil die verschiedenen Bausteine sich gegenseitig unterstützen. Wenn ein Teil vernachlässigt wird, verlieren auch alle anderen Teile erheblich an Wirkung.
Die KPE besteht aus zwei Phasen:
Die KPE hat vier Bausteine. Die Bausteine werden in beiden Phasen angewandt:
Die MLD ist eine Massage mit schonenden kreisenden und pumpenden Bewegungen, die das Lymphsystem stimuliert, mehr Lymphe abzutransportieren. Damit reduziert sich die Schwellung. Ausgeführt wird die MLD von Masseuren oder Physiotherapeuten, die dafür eine spezielle Fortbildung brauchen.
Lymphdrainage muss vom Arzt verordnet werden und zählt zu den Heilmitteln.
Bei einem ausgeprägten dauerhaften Lymphödem nach einer Brustkrebsoperation oder nach Bestrahlung oder Operation von Prostatakrebs wird eine MLD pro Woche empfohlen. Sie dauert 30 Minuten, 45 Minuten oder 60 Minuten inklusive Bandagierung. Der Arzt kann bis zu 6 MLD pro Rezept und maximal 30 MLD verordnen. Ggf. kann ein langfristiger Heilmittelbedarf festgestellt werden, näheres unter Heilmittel.
"Kompression" heißt Druck. Er wird aufgebaut, damit im Gewebe kein Platz ist, um zu viel Lymphflüssigkeit einzulagern. Bei Bewegung unterstützt die Kompression den Abtransport von Lymphflüssigkeit. Eingesetzt werden dafür entweder ein lymphologischer Kompressionsverband (Kompressionsbandage) oder Kompressionsstrümpfe.
Lymphologische Kompressionsverbände werden vor allem in Phase 1 eingesetzt. Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) sind dagegen eine Dauermaßnahme. Sie sollten täglich und so viel wie möglich getragen werden. Patienten brauchen deshalb je Arm/Bein 2 Sätze, damit sie wechseln können. Spätestens alle 6 Monate sollten neue Strümpfe verordnet werden, weil diese sonst ausleiern und nicht mehr richtig wirken. Ein MKS darf nicht mit einem "MTS" verwechselt werden, einem Medizinischen Thromboseprophylaxestrumpf, auch Stützstrumpf genannt. Ein MTS beugt Thrombosen vor, wird meist im Liegen getragen und übt wenig Druck auf das Gewebe aus.
Bei medizinischen Kompressionsstrümpfen gibt es zwei Arten: rund gestrickte und flach gestrickte. Bei Lymphödemen ist immer ein flachgestrickter MKS nötig. Er ist an seiner Naht erkennbar und wird nach Maß angefertigt. Angepasst wird er von speziell geschulten Kräften in Sanitätshäusern. Ein rundgestrickter MKS ist bei Lymphödemen ungeeignet, weil er an Wulststellen einschneiden kann, was den Lymphstau verstärken würde.
Grundsätzlich zu meiden sind einschnürende Kleidung und Accessoires, z.B. enge Ringe oder Armbänder, Strümpfe mit engem Gummibund, Unterwäsche mit engen Abschlüssen, enge Gürtel, zu enge Kleidung, die beim Sitzen einschneidet.
Für Hilfsmittel zur Kompressionstherapie gibt es in der Krankenversicherung Festbeträge. Die Krankenkasse erstattet Kosten nur bis zu einem bestimmten Betrag (= Festbetrag). Wird ein Hilfsmittel ausgewählt, das über dem Festbetrag liegt, muss der Versicherte den Differenzbetrag selbst übernehmen (Eigenanteil). Die Zuzahlung richtet sich nur nach der Höhe des Festbetrags. In der Regel leisten Versicherte also dann Eigenanteil plus Zuzahlung.
Näheres siehe Hilfsmittel.
Bei der Erstverordnung eines Kompressionsstrumpfs ist aus hygienischen Gründen ein zweiter enthalten. So kann die betroffene Person einen tragen und den anderen waschen.
Spezielle Gymnastik und Bewegung fördern den Abtransport der Lymphe und reduzieren das Ödem, wenn dabei gleichzeitig der MKS getragen wird. Günstig sind "ruhige" Sportarten wie Spazierengehen, Wandern (nicht Bergsteigen), Radfahren, Schwimmen. Ruckartige Bewegungen, Verletzungsrisiken und Überanstrengung sollten gemieden werden.
In der Regel werden Patienten schon im Krankenhaus physiotherapeutische Übungen gezeigt, damit der Arm/das Bein auf Dauer funktionsfähig bleibt. Es ist wichtig, diese Übungen auch zu Hause täglich konsequent auszuführen. Können die Übungen nicht alleine durchgeführt werden, verschreibt der behandelnde Arzt zur Unterstützung Physiotherapie. In Ruhe sollten, wenn möglich, betroffene Arme oder Beine hochgelagert werden.
Bei einem Lymphödem ist es wichtig, täglich die Haut zu begutachten und sorgfältig zu pflegen. Schon kleine Risse oder Verletzungen können Infektionen verursachen, die nur schwer abheilen, weil infolge des gestörten Lymphflusses Erreger sich schnell ausbreiten, Stoffwechselreste dagegen nur ungenügend abtransportiert werden.
Zu achten ist insbesondere auf die Hände und Füße: Bei jeglicher Haus-, Garten- und Handwerksarbeit sollten schützende Handschuhe getragen werden. Schuhe dürfen nicht reiben, nicht drücken und keinesfalls abschnüren, aber sie sollen fest sitzen (Kompression). Die Finger- und Zehennägel sind sorgfältig, aber vorsichtig zu pflegen: besser feilen als schneiden. Parfümierte Wasch- und Pflegeprodukte können die Haut reizen. Zu bevorzugen sind ph-neutrale Produkte. Wenn Kompressionsbandagen oder -strümpfe getragen werden, ist die Feuchtigkeitspflege für die Haut wichtig.