Jeder kranke oder sterbende Mensch sollte nicht nur auf seine Erkrankung reduziert, sondern als ganzheitliches Individuum angesehen werden. Im Idealfall werden bei der Behandlung und Begleitung eines Palliativpatienten daher die vier Behandlungsdimensionen berücksichtigt: sozial, physisch, psychisch und spirituell. Dieser sog. mehrdimensionale Ansatz zur Behandlung von Palliativpatienten wurde in der Definition "Palliativversorgung" der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt.
Palliativversorgung ist ein Ansatz, der die Lebensqualität von Patienten und deren Familien verbessert, die mit den Problemen im Zusammenhang einer lebensbedrohenden Erkrankung konfrontiert sind. Dies erfolgt mittels Prävention und Linderung von Leiden durch frühzeitiges Erkennen und umfangreiche Erfassung sowie durch die Behandlung von Schmerz und anderen Problemen auf körperlichen, psychosozialen und spirituellen Ebenen.
In unserer Gesellschaft haben konsumorientiertes Verhalten sowie Gesundheit, Wellness, Sport und jugendliches Aussehen einen sehr hohen Stellenwert. Für schwere Krankheit und damit verbundenes Leiden ist kaum Platz, sie erfordern zu viel Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme – und sie lösen Ängste aus. Dies kann zur Folge haben, dass sich kranke Menschen zurückziehen und vereinsamen.
Ein Ziel der Palliativversorgung ist, durch Einbeziehung von Familie und Angehörigen die sozialen Kontakte des kranken Menschen in seinem letzten Lebensabschnitt aufrecht zu erhalten oder auch, wenn der Patient dies wünscht, lange abgebrochene Kontakte noch einmal herzustellen, z.B. weil der Patient sich noch versöhnen will.
Um dieses Einbeziehen zu ermöglichen, ist allerdings eine wichtige Voraussetzung, dass sowohl Betroffene als auch Angehörige genau über Erkrankung und Prognose informiert sind. Dies ist die Grundlage, um offene Gespräche zu führen.
Betroffene können abhängig von ihrem körperlichen und psychischen Allgemeinzustand zwischen verschiedenen ambulanten (zu Hause) oder stationären Versorgungsformen wählen. Näheres unter Sterbebegleitung. Verschiedene Orte der Palliativversorgung können dem kranken Menschen angeboten werden, aber immer sollte er entscheiden.
Oberstes Ziel der physischen Begleitung sind die Schmerzlinderung und die Behandlung anderer Symptome wie z.B. Atemnot, Übelkeit und Erbrechen, um dem Patienten eine höchstmögliche Lebensqualität, Denk- und Handlungsfähigkeit zu ermöglichen. Bei einem Großteil der Patienten kann durch eine medikamentöse und/oder andere Formen der Therapie sogar eine völlige Schmerzfreiheit erreicht werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Ärzte, Pflegekräfte und bei Bedarf Therapeuten in die Palliativversorgung eingebunden sind. Näheres unter Multiprofessionelles Team und Palliativpflege.
Sterben ist etwas sehr Persönliches und Individuelles. Es wird als intensivste Phase des Lebens beschrieben, in der der Mensch unterschiedlichste Gefühle und Reaktionen erlebt, wie Schock, Verdrängung, Aggression, Verhandeln, Depression und zuletzt Annahme und Akzeptanz. Die Reihenfolge und Intensität der Emotionen sind bei jedem Menschen sehr unterschiedlich.
Der sterbende Mensch braucht die Gewissheit, alles noch zu Lebzeiten geregelt und erledigt zu haben. Versäumnisse in diesem Bereich können Sterbende oder deren Angehörige sogar in tiefe Depressionen stürzen. Offene Gespräche mit der Familie und Freunden im Vorfeld können dem entgegenwirken.
Spirituelle Begleitung ist ein seelsorgerischer Auftrag und bedeutet, dem kranken Menschen die Möglichkeit zu geben, sich mit sich selbst und dem Sinn seines Lebens zu beschäftigen.
Die seelsorgerische Begleitung sollte frei von Weltanschauung und religiöser Überzeugung sein. Nur wenn der kranke Mensch es wünscht, soll eine religiöse Begleitung erfolgen. Häufig entsteht erst in der Endphase dieser Wunsch, es taucht das Bedürfnis nach rituellen Handlungen wieder auf.
Egal welche Form der Seelsorge der kranke Mensch wünscht, ob miteinander reden oder rituelle Handlungen, diese sollte ihm ermöglicht werden. Seelsorge bedeutet für Sterbende und ihre Angehörigen Lebenshilfe für ihre letzte Zeit, für Fragen, Gedanken und Emotionen in schwierigen Situationen und Konflikten.
Eine seelsorgerische Begleitung kann missverstanden werden als herannahendes Ende. Sie sollte deswegen in der Palliativversorgung von Anfang an angeboten werden. Sie kann nicht nur von Theologen geleistet werden, je nach Wunsch können z.B. auch Pflegekräfte oder Freunde diese Aufgabe übernehmen. Unterstützend wirken können hierbei Musik, Meditations- oder Andachtsbilder, Kreuze und andere religiöse Gegenstände, mit denen der Patient vertraut ist (Gebetbuch, Rosenkranz, Heiligenfigur, Glaspyramide oder -prisma). Die seelsorgerische Begleitung benötigt vor allem Zeit.