Für manche Menschen ist ADHS (früher ADHS und ADS) eine reine "Modediagnose" oder gar "Erfindung der Pharmaindustrie", um die ADHS-Medikamente verkaufen zu können. Andere denken, dass es ausschließlich Kinder betrifft. Aber unter ADHS leiden auch viele Erwachsene und wenn ADHS nicht diagnostiziert und behandelt wird, kann das zu vielen Beeinträchtigungen führen. Beispiele sind Ausgrenzung, gesellschaftliche Stigmatisierung, Selbstwertprobleme, Folgeerkrankungen und eine geringere Lebenserwartung. Es gibt auch Fehldiagnosen, die z.B. vorkommen, wenn andere psychische Störungen, Krankheiten oder Reaktionen auf ungünstige Lebensumstände mit ADHS verwechselt werden. Es wird diskutiert, ob ADHS weiterhin als Störung bezeichnet werden sollte, oder eher als Normvariante oder gar als Gabe.
Teilweise wird die Diagnose ADHS kaum oder wenig gesellschaftlich anerkannt. Viele denken außerdem bei ADHS ausschließlich an Kinder im Schulalter und wissen nicht, dass ADHS meistens auch im Erwachsenenalter fortbesteht, Näheres unter ADHS > Erwachsene. Manche behaupten, ADHS sei ausschließlich ein Problem des Schulsystems, während die Kinder "nur lebhaft" seien. Sie würden mit Medikamenten "betäubt", um nicht mehr zu stören.
In Wirklichkeit führt ADHS in aller Regel nicht nur in der Schule zu einem Leidensdruck, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen.
Beispiele:
Die Medikamente sind oft zwar "Betäubungsmittel" im gesetzlichen Sinn, aber sie betäuben nicht, sondern haben eine anregende, "aufputschende" Wirkung, ähnlich wie Kaffee. Medikamente sind auch keine Allheilmittel gegen ADHS-Symptome, sondern sie helfen oft nur in Kombination mit psycho-sozialen Maßnahmen, wie z.B. Elterntrainings und kognitiver Verhaltenstherapie. Auch empfiehlt die medizinische Leitlinie Medikamente nur bei mittelschwerem bis schwerem ADHS. Näheres unter ADHS > Erwachsene und ADHS > Behandlung bei Kindern. Außerdem gibt es auch Menschen mit ADHS, bei denen ADHS-Medikamente nicht wirken.
Es besteht die Möglichkeit, dass ADHS zu häufig bzw. falsch diagnostiziert wird. Dann werden ggf. ADHS-Medikamente gegeben, obwohl sie im Einzelfall gar nicht helfen oder sogar schaden. Auch die bei ADHS hilfreiche psycho-soziale Behandlung kann dann ungeeignet sein. Ein möglicher Grund dafür ist, dass ADHS-Symptome den Symptomen anderer Störungen oder Krankheiten ähnlich sind. Eine Verwechslung mit ADHS kann dann eine wirksame Behandlung der echten Probleme verhindern. Es kann aber auch sein, dass die vermeintlichen ADHS-Symptome nicht von einer Störung oder Krankheit kommen, sondern ihre Ursache in den Lebensumständen liegt.
Beispiele:
Eltern von Kindern mit Verdacht auf ADHS und Erwachsene, bei denen ADHS vermutet wird, sollten bei Unstimmigkeiten bei der Diagnostik oder wenn die Behandlung nicht wie erwünscht anschlägt, nachfragen und ggf. eine zweite Meinung einholen. Näheres zur Diagnose und Abgrenzung von anderen Problemen, Störungen und Erkrankungen unter ADHS > Ursachen und Diagnose.
Wird ADHS nicht als medizinisches Problem ernst genommen, kann für die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen schlimm sein, z.B. weil
Wenn ADHS unerkannt bleibt, kann das viele negative Folgen haben. Ebenso negativ kann es sich auswirken, wenn es zwar erkannt wird, aber unbehandelt bleibt. Auch eine pauschale Ablehnung von Medikamenten gegen ADHS-Symptome kann problematisch sein, selbst wenn Betroffene ansonsten eine gute Behandlung erhalten.
Beispiele für mögliche Folgen:
Oft werden Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit noch immer als bewusste Missachtung sozialer Normen und Regeln missverstanden. Besonders bei unerkanntem ADHS werden die Betroffenen oft über lange Zeit stigmatisiert, weil ihre Symptome nicht als solche erkannt werden. Menschen mit ADHS wirken z.B. oft faul, obwohl sie sich in Wirklichkeit sehr anstrengen. Kindern wie Erwachsenen mit ADHS wird dann gesagt: "Du könntest, wenn Du nur wolltest", obwohl sie in Wirklichkeit wollen, aber nicht können.
Trotz Diagnose zeigen Menschen im Umfeld, wie z.B. Arbeitgeber, Gleichaltrige in der Schule oder Beziehungspartner, teilweise wenig Verständnis für den erhöhten Unterstützungsbedarf von Menschen mit ADHS und betrachten die Diagnose als Ausrede für Fehlverhalten. Aufklärung und Informationen über ADHS können helfen, das Verständnis des sozialen Umfelds zu fördern.
Das Selbstbild von Kindern und Erwachsenen mit ADHS kann individuell sehr unterschiedlich sein. Es kommt jedoch häufig vor, dass die Selbstwahrnehmung deutlich verzögert stattfindet. Unbedachtes Handeln (sog. Impulsivität) kann zu Konflikten mit dem sozialen Umfeld führen. Häufige negative Rückmeldungen in Bezug auf das Verhalten können zu einem negativen Selbstbild führen. Gefühle des Scheiterns schränken die soziale Interaktion zusätzlich ein.
Wenn ADHS erkannt wird, kann das Betroffenen zeigen, dass sie nicht faul, dumm, willensschwach oder gar böse sind, sondern Besonderheiten in ihrem Gehirn haben, die in Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Umständen zu ihren Problemen führen. Sie können erfahren, worauf sie auf welche Weise selbst Einfluss nehmen können und wo die Grenzen ihres eigenen Einflusses liegen. So können sie ein unrealistisch negatives Selbstbild durch eine realistische Einschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten, Ressourcen und ihrer Persönlichkeit ersetzen. Eine angemessene ADHS-Behandlung ermöglicht Menschen mit ADHS Erfolgserlebnisse, wo sie vorher nur Scheitern erlebt haben.
Wird ADHS schon früh in der Kindheit erkannt und behandelt, kommt es in vielen Fällen gar nicht erst zu einem negativen Selbstbild, weil Betroffene ihre persönlichen Möglichkeiten viel besser ausschöpfen können.
ADHS zählt in der Medizin als psychische Störung, also als ein behandlungsbedürftiges Problem. Die Diagnose wird normalerweise nur gestellt, wenn ein Leidensdruck vorliegt und nicht schon, wenn eine bestimmte Art zu Denken und Wahrzunehmen bzw. bestimmte genetische Anlagen vorliegen. Erst die medizinische Diagnose bietet Betroffenen und ihren Familien Zugang zu Therapien, Medikamenten und Hilfen wie z.B. der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen oder der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen.
Immer mehr Menschen sehen ADHS, genauso wie z.B. Autismus, weder als Störung, noch als Krankheit, sondern als genetische Normvariante, also schlicht als eine besondere Form des Denkens und der Wahrnehmung. Sie lehnen von einigen als abwertend erlebte Bezeichnungen wie z.B. "krank" oder "gestört" ab. Außerdem setzen sie sich dafür ein, den Wert der sog. Neurodiversität (= Unterschiedlichkeit der menschlichen Gehirne) zu erkennen. Es ist für eine menschliche Gesellschaft wichtig, dass Menschen verschieden sind und unterschiedliche Stärken und Schwächen haben. ADHS kann auch schlicht als ein bestimmtes Profil aus Stärken und Schwächen betrachtet werden, genauso wie einige Menschen besser in Mathe sind als in Sprachen oder umgekehrt.
Mit ADHS werden immer wieder einige Stärken, wie z.B. Kreativität, Offenheit für Neues oder Risikofreudigkeit, in Verbindung gebracht. Es spricht einiges für die Annahme, dass menschliche Gesellschaften Menschen mit ADHS brauchen, um gut funktionieren zu können. Manche Menschen erleben ihr ADHS deshalb sogar als besondere Gabe.
Beispiel:
Viele Menschen mit ADHS beschreiben, dass sie sich phasenweise viel besser als sonst konzentrieren können und einen sog. Flow-Zustand erleben, also einen Zustand, bei dem sie alles andere um sich herum vergessen, in ihrer Tätigkeit voll aufgehen und sehr gut arbeiten können. Dafür gibt es die Bezeichnung "Hyperfokus". Manche vermuten, dass es sich dabei um eine besondere Stärke von Menschen mit ADHS handeln könnte.
Weil das Thema kaum erforscht ist, kann es z.B. auch sein, dass der "Hyperfokus" nur ein Anzeichen dafür ist, dass die Konzentration bei ADHS nicht immer und unter allen Umständen beeinträchtigt ist. Es gibt bereits Hinweise darauf, dass der Hyperfokus vermutlich kein ADHS-spezifisches Phänomen ist.
Nähere Informationen dazu bietet das Portal ADHSpedia unter www.adhspedia.de > Suchbegriff "Hyperfokus".
Wenn Menschen unter ADHS leiden, muss das nicht daran liegen, dass sie sind, wie sie sind, sondern kann auch schlicht daran liegen, dass sie in einer ungeeigneten Umwelt leben müssen und dass sie stigmatisiert und diskriminiert werden. Das zeigt sich auch daran, dass Erwachsene mit ADHS wahrscheinlich ihre ADHS-Veranlagung lebenslang behalten, aber ihre Probleme oft nur in bestimmten Phasen auftreten oder sogar nach der Kindheit komplett verschwinden. Außerdem haben auch nicht alle Kinder mit einer ADHS-Veranlagung einen Leidensdruck und brauchen eine ADHS-Diagnose und die damit verbundenen Leistungen.
In der Diskussion um Neurodiversität ist es wichtig, das Erleben von Menschen mit ADHS anzuerkennen.
Künftig wird sich zeigen, wie sich das Konzept der Neurodiversität auf den Umgang der Gesellschaft mit ADHS auswirken wird.
Beeinträchtigungen können z.B. in folgenden Bereichen vorliegen:
Die Beeinträchtigungen sind unterschiedlich stark ausgeprägt und können in verschiedenen Kombinationen vorliegen.
Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS)