Der Begriff Sterbehilfe wird zwar viel verwendet und bezieht sich dabei meist auf die Hilfe und Unterstützung, die einer Person gewährt wird, um den Tod herbeizuführen, z.B. bei schweren, unheilbaren Erkrankungen. Jedoch vermischen sich die Begrifflichkeiten in der öffentlichen Diskussion häufig. Nachfolgend eine kurze Begriffsklärung und Darstellung der Kritik an diesen Begriffen.
Die passive Sterbehilfe ist rechtlich gebilligt. Sie beschreibt in der Palliativmedizin die Form des begleitenden Sterbenlassens.
Ist passive Sterbehilfe in einer Patientenverfügung gewünscht, bedeutet dies, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterlassen bzw. abgebrochen werden. Eine Patientenverfügung ist eine vorsorgliche Erklärung, in der eine Person regelt, wie sie medizinisch-pflegerisch behandelt oder nicht behandelt werden möchte, wenn sie nicht mehr selbst darüber entscheiden kann, Näheres unter Patientenverfügung. Passive Sterbehilfe heißt nicht "Nichtstun": Es werden weiterhin lindernde (= palliative) Maßnahmen durchgeführt, z.B. Schmerzlinderung und umfassende Pflege.
Schon seit 2009 ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, dass eine Patientenverfügung unabhängig von der Art und vom Stadium der Krankheit verbindlich ist. Das heißt, dass jeder Mensch unabhängig davon, ob die Krankheit heilbar ist oder nicht und unabhängig davon, wie lang die Lebenserwartung noch ist festlegen kann, welche Behandlungen und medizinischen Maßnahmen durchgeführt werden sollen oder nicht, wenn er nicht mehr selbst darüber entscheiden kann. Näheres unter Patientenverfügung.
Wenn keine Patientenverfügung vorliegt, gilt der tatsächliche oder mutmaßliche Wille. Er muss z.B. anhand früherer Äußerungen festgestellt und über die rechtliche Betreuung durchgesetzt werden. Näheres unter Rechtliche Betreuung.
Schon bevor es im BGB eindeutig geregelt wurde, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) wichtige Entscheidungen zu dem Thema getroffen:
Mit einem weiteren Grundsatzurteil vom 25.6.2010 hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Selbstbestimmungsrecht von Patienten gestärkt (Az.: 2 StR 454/09):
Laut dieser Entscheidung des BGH ist "Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) [...] gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht [...] und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen."
Weiter stellt der BGH fest: "Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen als auch durch aktives Tun vorgenommen werden."
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte eine Angehörige den Schlauch zur künstlichen Ernährung durchtrennt, weil die Patientin die künstliche Ernährung nicht wollte, aber das Pflegepersonal die Behandlung nicht abbrechen wollte. Nach Ansicht des Gerichts ist das ein erlaubter Abbruch einer unerwünschten Behandlung. Dafür, ob das erlaubt ist oder nicht, ist es nach der Entscheidung des BGH egal, ob jemand einen Schlauch durchschneidet (aktives Tun) oder passiv bleibt und nichts tut (Unterlassen). Ein Unterlassen wäre es z.B., gar nicht erst eine Sonde zur künstlichen Ernährung einzusetzen oder die Sonde nicht mehr zu befüllen. Das Durchschneiden des Schlauchs ist nach Ansicht des BGH also zwar eine aktive Handlung, aber es bedeutet nur ein Sterbenlassen durch einen Behandlungsabbruch und ist keine aktive Tötung.
Die Patientin hatte keine sog. Patientenverfügung. Sie hatte nur gesagt, aber nicht aufgeschrieben, dass sie eine solche Behandlung nicht möchte. Die rechtlichen Betreuer und der Arzt waren sich aber vor dem Durchschneiden des Schlauchs einig, dass die Patientin die künstliche Ernährung nicht wollte und durften deshalb bestimmen, dass diese Behandlung abgebrochen wird, ohne das Betreuungsgericht einschalten zu müssen. Näheres zum Abbruch medizinischer Maßnahmen bei rechtlicher Betreuung unter rechtliche Betreuung.
Auch die indirekte Sterbehilfe ist rechtlich erlaubt, wenn sie im Sinne der Inkaufnahme des vorzeitigen Todes erfolgt.
Beispiel:
Ein Sterbender bekommt Medikamente, um dessen Schmerzen zu lindern, nicht absichtlich, um das Leben zu verkürzen, aber ein früherer Tod als Nebenwirkung dieser Medikamente wird billigend in Kauf genommen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 15.11.1996 unter dem Az.: 3 StR 79/96 zur indirekten Sterbehilfe entschieden:
"Eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen wird bei einem Sterbenden nicht dadurch unzulässig, daß sie als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann."
Aktive/Direkte Sterbehilfe ist in Deutschland als tatsächlicher Eingriff zur Lebensbeendigung verboten und darf vom Arzt auch dann nicht durchgeführt werden, wenn sie in der Patientenverfügung als Wunsch formuliert ist.
Aktive/Direkte Sterbehilfe liegt dann vor, wenn z.B. eine Überdosis Morphium in dem Bewusstsein verabreicht wird, dass der Mensch dadurch unmittelbar stirbt.
Aktive/Direkte Sterbehilfe ist unter Strafe gestellt: z.B. als "Totschlag" (§ 212 StGB) oder als "Tötung auf Verlangen" des Patienten (§ 216 StGB).
Beim Suizid (Selbsttötung) nimmt die Person, die sterben möchte, die entscheidende aktive Tötungshandlung vor, indem sie z.B. selbst Medikamente mit tödlicher Wirkung einnimmt. Beihilfe (assistierter Suizid) bedeutet, dass eine andere Person diese Mittel besorgt und/oder sie so zubereitet, dass die Person, die sterben möchte, sie aufnehmen kann.
Im Dezember 2015 wurde die Beihilfe zum Suizid im § 217 StGB (= Strafgesetzbuch) so geregelt:
"(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht."
Diese Regelung ist aber verfassungswidrig und deshalb nichtig, das heißt, sie gilt nicht.
Das ist so zu verstehen:
Seit dem 26.2.2020 ist die Beihilfe zur Selbsttötung nicht nur für Angehörige und nahestehende Personen, sondern auch für Dritte wie z.B. Sterbehilfevereine oder Ärzte straffrei, da § 217 StGB für nichtig erklärt wurde. Nach der neuen Rechtsprechung umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, weshalb nun die Assistenz von Dritten bei der Selbsttötung in Anspruch genommen werden kann – auch wenn sie die Assistenz "gewerbsmäßig" leisten.
Informationen und Begründung zum Urteil unter www.bundesverfassungsgericht.de > Suchbegriff: "12/2020".
Im Juli 2023 hat der Bundestag zwei Gesetzentwürfe abgelehnt, die zusätzliche Regelungen zur Unterstützung bei Suizid vorsahen. Das bedeutet, die Beihilfe zum Suizid ist zurzeit generell erlaubt. Es gibt bisher keine einschränkenden Bestimmungen, wie z.B. eine Warte- oder Beratungspflicht.
Wer einem anderen Menschen nicht hilft, sondern ihn sterben lässt, macht sich in vielen Fällen wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar. Für Menschen mit einer sog. Garantenpflicht ist das Sterbenlassen sogar als Tötung durch Unterlassen strafbar. Die Tötung durch Unterlassen ist kein eigener Straftatbestand im Gesetz, sondern sie kann als Totschlag oder sogar als Mord bestraft werden. Eine Garantenpflicht haben z.B.
Das gilt aber nicht,
Wenn hingegen eine Person krankheitsbedingt keinen freien Willen hat und deshalb sterben möchte, kann sich auch strafbar machen, wer einen Suizid nicht verhindert oder eine lebensrettende/lebensverlängernde Behandlung bzw. entsprechende Maßnahmen unterlässt.
Fallbeispiele:
In der Praxis ist es sehr schwer, herauszufinden, ob ein Mensch aus einer freien Willensentscheidung heraus sterben will, oder ob der Wille krankheitsbedingt nicht (mehr) frei ist. Auch eine Patientenverfügung ist nur gültig, wenn sie mit freiem Willen verfasst wurde. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Gerade bei psychischen Erkrankungen und bei Demenz lässt sich in manchen Fällen nachweisen, dass der Wille schon als die Patientenverfügung erstellt wurde nicht (mehr) frei war.
In der Praxis müssen deshalb Betroffene, wie in den oben genannten Beispielen der Mann von Frau Müller und die Mitbewohnerin von Herrn Ylmaz, mit strafrechtlichen Ermittlungen rechnen. Sie können sich nicht sicher sein, dass ihnen keine Strafe droht.
Wer in eine solche Situation kommen kann, sollte sich deshalb vorab nicht nur medizinisch beraten lassen, ob der Sterbewunsch wirklich auf freiem Willen basiert, sondern auch anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.
Die Begriffe "aktive", "passive" und "indirekte Sterbehilfe" werden z.B. vom Nationalen Ethikrat kritisiert, weil sie missverständlich sind. Dieser schlägt andere Begriffe vor, die teilweise im Sprachgebrauch schon etabliert sind: