1. Das Wichtigste in Kürze
Wer Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, kann unter Umständen den Bezug von Arbeitslosengeld nach hinten verschieben und/oder unterbrechen. Der Restanspruch kann dann später genommen werden, z.B. wegen einer geplanten Auszeit, Reise oder Selbstständigkeit oder um die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld zu verlängern. Voraussetzung ist, sich bei der Agentur für Arbeit rechtzeitig arbeitssuchend zu melden. Der Anspruch entfällt jedoch vollständig, wenn bei der Arbeitslosmeldung die Anwartschaftszeit nicht mehr erfüllt wird oder wenn ein Restanspruch nicht innerhalb von 4 Jahren nach der Arbeitslosmeldung in Anspruch genommen wird.
2. Erfüllen der Anwartschaftszeit
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld entfällt komplett, wenn die arbeitslose Person sich nicht arbeitslos meldet, solange sie die sog. Anwartschaftszeit erfüllt. Diese Arbeitslosmeldung muss:
- persönlich bei der Agentur für Arbeit oder
- digital im Fachportal der Bundesagentur für Arbeit mit elektronischem Identitätsnachweis erfolgen.
Die Arbeitslosmeldung darf nicht mit der Arbeitssuchendmeldung verwechselt werden, die z.B. auch schriftlich oder online ohne besondere Form möglich ist und die zusätzlich gemacht werden muss. Näheres zum Unterschied zwischen Arbeitslosmeldung und Arbeitssuchendmeldung unter Arbeitslosengeld.
Die Anwartschaftszeit ist in der Regel so lange erfüllt, wie die arbeitslose Person innerhalb der letzten 30 Monate vor der Arbeitslosmeldung mindestens 360 Kalendertage versicherungspflichtig beschäftigt war. Sie kann durch Sonderregelungen verkürzt sein. Näheres unter Arbeitslosengeld.
2.1. Praxistipp
Wenn Sie die Inanspruchnahme des Arbeitslosengelds aufschieben möchten und sich erst später arbeitslos melden möchten, müssen Sie unbedingt darauf achten, dass Sie die Anwartschaftszeit dann immer noch erfüllen. Zur Sicherheit sollten Sie das vorab mit der Agentur für Arbeit absprechen. Im Zweifel hilft die Beratung bei einer Rechtsanwaltskanzlei, die im Sozialversicherungsrecht tätig ist.
3. Verfallsfrist des Restanspruchs auf Arbeitslosengeld
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld verfällt 4 Jahre nach der Arbeitslosmeldung. Wer seine Unterbrechung nach dem Ablauf dieser 4 Jahre beendet, erhält kein Arbeitslosengeld mehr.
4. Kranken- und Pflegeversicherung
Wer den Anspruch auf Arbeitslosengeld verschiebt oder unterbricht, ist in der Zeit nicht über die Agentur für Arbeit kranken- und pflegeversichert. Wenn Arbeitslose dann nicht anderweitig versichert sind, z.B. über die Familienversicherung, müssen sie sich selbst versichern.
In Betracht kommt dafür eine private Krankenversicherung (z.B. Private Krankenversicherung > Basistarif) oder die freiwillige Weiterversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung.
5. Wie funktionieren Verschiebung und Unterbrechung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld?
5.1. Verschiebung
Für eine Verschiebung melden sich Arbeitslose erst später zu einem selbst gewählten Zeitpunkt arbeitslos. Sie suchen sich dafür eine Zeit aus, in der sie arbeitslos sind, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, Arbeit suchen und Arbeitslosengeld beziehen wollen. Möglich ist das nur, solange die Anwartschaftszeit (siehe oben und in den Fallbeispielen) noch erfüllt ist.
In der Zeit zwischen dem Beginn der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung müssen Arbeitslose nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, erhalten dafür aber auch kein Arbeitslosengeld. Sie haben während dieser Zeit auch keinen Anspruch auf Bürgergeld (früher: Arbeitslosengeld II, Hartz IV).
Wer später Arbeitslosengeld beziehen möchte, muss sich aber trotzdem fristgerecht arbeitssuchend melden (3 Monate vor dem Ende der sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit oder, wenn dies erst kurzfristiger bekannt wird, unverzüglich). Näheres unter Arbeitslosengeld.
5.2. Unterbrechung
Eine Unterbrechung des Bezugs von Arbeitslosengeld ist sinnvoll, wenn Arbeitslose über längere Zeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen und das Arbeitslosengeld deshalb erst später beziehen wollen. Eine Verschiebung der Arbeitslosmeldung hilft dann nicht mehr weiter, weil die Anwartschaftszeit nicht mehr erfüllt wäre. Für eine Unterbrechung müssen Betroffene zunächst Folgendes tun:
- Sich fristgerecht arbeitssuchend melden
und
- sich arbeitslos melden, solange sie die Anwartschaftszeit noch erfüllen,
und
- Arbeitslosengeld beantragen.
Nach mindestens 1 Tag Arbeitslosigkeit, für den die Arbeitslosen dann Arbeitslosengeld erhalten, können sie sich dann vom Bezug des Arbeitslosengelds wieder abmelden. Dafür müssen sie erklären, dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
Zu einem späteren Zeitpunkt können sie sich erneut arbeitslos melden und mitteilen, dass sie nun ihren Restanspruch in Anspruch nehmen möchten.
6. Fallbeispiele
6.1. Frau Müller meldet sich später arbeitslos und bekommt länger Arbeitslosengeld
Frau Müller verliert ihren Job zum 1.1.2026 und meldet sich fristgerecht zum 1.10.2025 arbeitssuchend.
- Sie wird am 1.7.2027 50 Jahre alt.
- Sie war über 20 Jahre lang durchgehend versicherungspflichtig beschäftigt.
Meldet sie sich gleich am 1.1.2026 arbeitslos, so gilt:
- Sie war innerhalb der letzten 30 Monate mehr als 360 Tage lang versicherungspflichtig beschäftigt und erfüllt damit die Anwartschaftszeit.
- Sie war vor Eintritt der Arbeitslosigkeit mehr als 24 Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt. Ihrem Alter (49 Jahre) entsprechend erwirbt sie deshalb einen Anspruch auf 12 Monate Arbeitslosengeld.
Meldet sie sich erst am 1.7.2027 arbeitslos, so gilt:
- Sie war innerhalb der letzten 30 Monate vor der Meldung (= von 1.1.2025 bis 1.7.2027) 1 Jahr lang versicherungspflichtig beschäftigt, also mehr als 360 Tage und erfüllt damit immer noch die Anwartschaftszeit.
- Sie war vor Eintritt der Arbeitslosigkeit mehr als 30 Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt. Ihrem Alter (nun 50 Jahre) entsprechend, erwirbt sie deshalb einen Anspruch auf 15 Monate Arbeitslosengeld.
Für Frau Müller lohnt es sich, sich erst später arbeitslos zu melden, denn in den eineinhalb Jahren Arbeitslosigkeit bis zum 50. Geburtstag kann sie vom Einkommen ihres Ehemanns leben und ist über ihn in der Familienversicherung krankenversichert. Sie bekommt so 3 Monate mehr Arbeitslosengeld.
6.2. Herr Mayer meldet sich später arbeitslos und bekommt kein Arbeitslosengeld
Herr Mayer verliert seinen Job ebenfalls zum 1.1.2026 und meldet sich fristgerecht zum 1.10.2025 arbeitssuchend.
- Herr Mayer wird am 1.8.2027 50 Jahre alt.
- Er war über 20 Jahre lang durchgehend versicherungspflichtig beschäftigt.
Er hat von Frau Müller gehört, dass es sich für sie lohnt, sich erst am 50. Geburtstag arbeitslos zu melden, und macht das auch. Er meldet sich am 1.8.2027 arbeitslos.
- Er war innerhalb der letzten 30 Monate vor der Meldung (= von 1.2.2025 bis 31.8.2027) 11 Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt, also weniger als 360 Tage. Damit erfüllt er die Anwartschaftszeit an seinem 50. Geburtstag nicht mehr.
- Er war zwar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit über 20 Jahre lang versicherungspflichtig beschäftigt, doch sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ist verfallen, weil er sich nicht rechtzeitig arbeitslos gemeldet hat.
6.3. Frau Yilmaz unterbricht den Bezug von Arbeitslosengeld für ein Studium
Frau Yilmaz verliert ihren Job ebenfalls zum 1.1.2026 und meldet sich fristgerecht zum 1.10.2025 arbeitssuchend.
- Sie ist am 1.1.2026 30 Jahre alt.
- Sie war davor 2 Jahre lang durchgehend versicherungspflichtig beschäftigt.
Frau Yilmaz möchte nun, da sie ihre Arbeit verloren hat, erst einmal studieren und danach auf ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld zurückgreifen. Das Studium dauert voraussichtlich bis Herbst 2029.
Meldet sie sich erst am 1.9.2029 arbeitslos, gilt:
- Frau Yilmaz war innerhalb der letzten 30 Monate vor der Meldung (= 1.2.2027 bis 31.8.2029) nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Sie erfüllt nicht mehr die Anwartschaftszeit.
- Frau Yilmaz hat keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld.
Meldet sie sich am 1.1.2026 arbeitslos, gilt:
- Sie war innerhalb der letzten 30 Monate mehr als 360 Tage lang versicherungspflichtig beschäftigt und erfüllt damit die Anwartschaftszeit.
- Sie war vor Eintritt der Arbeitslosigkeit 24 Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt. Ihrem Alter (30 Jahre) entsprechend erwirbt sie deshalb einen Anspruch auf 12 Monate Arbeitslosengeld.
- Beginnt sie nun zum 1.2.2026 ihr Studium und meldet sie sich zu diesem Tag vom Bezug des Arbeitslosengelds ab, so verbleibt ihr ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von 11 Monaten.
Meldet sie sich dann am 1.9.2029 erneut arbeitslos, gilt:
- Seit 1.1.2026 sind noch keine 4 Jahre vergangen. Ihren Restanspruch auf Arbeitslosengeld kann sie also noch bis 31.12.2029 geltend machen. Sie kann nach ihrem Studium noch 11 Monate lang Arbeitslosengeld beziehen.
- 7 dieser 11 Monate liegen im Zeitraum nach Ablauf der 4 Jahre. Unterbricht Frau Yilmaz den Bezug des Arbeitslosengelds im Jahr 2030 erneut, so kann sie ihn danach nicht mehr fortsetzen. Nimmt sie also zum 1.1.2030 eine Arbeit von mehr als 3 Stunden pro Tag auf, so verfallen die restlichen 7 Monate.
7. Situationen, in denen es sinnvoll sein kann, den Bezug von Arbeitslosengeld zu verschieben bzw. zu unterbrechen
- Es ist eine Reise geplant, die während der Arbeitslosigkeit stattfinden soll.
- Nach dem Verlust einer Anstellung ist eine selbstständige Tätigkeit geplant. Dabei ist bekannt, dass dies nur vorübergehend sein wird, oder unsicher, ob es gelingt, dauerhaft davon zu leben. Währenddessen ist die selbstständige Person nicht auf das Arbeitslosengeld angewiesen. Sinnvoll ist das insbesondere, wenn die Agentur für Arbeit für diese Selbstständigkeit keinen Gründungszuschuss gewähren würde.
- Es ist eine Auszeit (Sabbatical) geplant. Währenddessen will die arbeitslose Person z.B. von Ersparnissen und/oder Einkommen des Ehegatten leben.
- Die Zeit der Arbeitslosigkeit soll für Bildung (z.B. Weiterbildung oder Studium) verwendet werden und die arbeitslose Person finanziert das selbst, z.B. von ihren Ersparnissen oder über ein Stipendium. Sinnvoll ist das insbesondere, wenn bekannt ist, dass die Agentur für Arbeit die jeweilige Bildungsmaßnahme nicht finanzieren würde.
- Die Anspruchsdauer kann sich dadurch verlängern, dass die arbeitslose Person den Anspruchsbeginn durch spätere Arbeitslosmeldung nach hinten verschiebt:
Die Anspruchsdauer richtet sich nämlich nach dem Lebensalter, in dem sich die arbeitslose Person arbeitslos meldet. Näheres unter Arbeitslosengeld.
Wer kurz nach Beginn der Arbeitslosigkeit 50, 55 oder 58 Jahre alt wird und finanziell nicht darauf angewiesen ist, sofort Arbeitslosengeld zu erhalten, kann sich deshalb auch erst nach dem jeweiligen Geburtstag arbeitslos melden. Unbedingt zu beachten ist dabei, dass die Anwartschaftszeit bei der Arbeitslosmeldung noch erfüllt ist. Sonst geht der gesamte Anspruch verloren.
Wer diesen Weg gehen will, sollte das vorab mit der Agentur für Arbeit absprechen, um keine Fehler zu machen.
8. Wer hilft weiter?
Die Agentur für Arbeit.
9. Verwandte Links
Arbeitslosengeld
Rechtsgrundlagen: §§ 137, 141ff, 161 Abs. 2 SGB III