Essstörungen sind ernst zu nehmende psychosomatische Erkrankungen, die sich in einem gestörten Essverhalten und einem negativen Verhältnis zum eigenen Körper äußern. Es werden 3 Hauptformen unterschieden: Magersucht, Bulimie und Binge-Eating-Störung. Mindestens genauso häufig sind jedoch Mischformen (atypische Essstörungen). Essstörungen sind heilbar, können aber auch einen schweren Verlauf nehmen und sogar zum Tod führen. Mädchen und Frauen sind häufiger betroffen als Jungen und Männer.
Unterschieden werden hauptsächlich 3 Arten von Essstörungen, wobei oft Mischformen und Variationen (sog. nicht näher bezeichnete oder atypische Essstörungen) vorkommen:
Bei der Magersucht (Anorexia nervosa oder Anorexie) schränken Betroffene die Nahrungsaufnahme stark ein und nehmen immer weiter ab. Ihre Körperwahrnehmung ist verzerrt (sog. Körperschemastörung), d.h.: Auch wenn sie im Lauf der Erkrankung schon extrem viel Gewicht verloren haben, überschätzen sie ihren Körperumfang, halten sich für zu dick und haben große Angst vor einer Gewichtszunahme. Schon wenige Gramm mehr auf der Waage können Panik auslösen. In der Folge wird das Essverhalten noch strenger kontrolliert.
Neben der strikten Nahrungseinschränkung treiben viele Betroffene extrem viel Sport und leiden zum Teil unter starkem Bewegungsdrang. Zudem verwenden sie oft zusätzlich Appetitzügler oder Abführmittel, um ihr Gewicht weiter zu reduzieren, oder sie bringen sich selbst zum Erbrechen.
Die Diagnose Magersucht wird gestellt, wenn das Körpergewicht mindestens 15 % unter dem für Geschlecht, Größe und Alter zu erwartenden Gewicht (bei Erwachsenen BMI 17,5) liegt.
Doch Betroffene sollten sich bereits Hilfe suchen, wenn sich ihre Gedanken nur noch ums Essen drehen und die Angst vor bestimmten Nahrungsmitteln und einer Gewichtszunahme das Leben stark beeinflussen.
Magersüchtige haben häufig keine Krankheitseinsicht, was die Behandlung erschwert. Da sie sich selbst trotz Untergewicht als zu dick wahrnehmen und große Kontrolle über ihren Körper ausüben, empfinden sie sich nicht als krank und sehen zunächst keinen Anlass, etwas an ihrem Verhalten zu ändern. Erst wenn die Erkrankung bereits ausgeprägt ist und sich die psychischen und körperlichen Folgen zeigen, entsteht ein zunehmender Leidensdruck.
Durch den Gewichtsverlust und die Mangelernährung kann es zu schwerwiegenden körperlichen Schäden kommen. Aufgrund von hormonellen Störungen bleibt die Menstruation aus (sog. Amenorrhö). Erkranken die Betroffenen noch vor der Pubertät, wird die körperliche Entwicklung stark verzögert. Als Folge der Magersucht kommt es zudem häufig zu Verlangsamung des Herzschlags, niedrigem Blutdruck, Absinken der Körpertemperatur, flaumartiger Behaarung des Körpers (sog. Lanugobehaarung), Muskelschwäche, Haarausfall, Hautproblemen und Wassereinlagerungen im Gewebe (nicht selten auch im Herzen, sog. Perikarderguss). Etwa 10 % der Betroffenen sterben an ihrer Erkrankung.
Magersucht ist bekannt als eine Erkrankung, die bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auftritt. Doch Sie kommt auch bei Menschen im mittleren und hohen Alter über 60 Jahren vor. Tritt die Magersucht erst nach dem 25. Geburtstag auf, wird von einer Spätanorexie gesprochen.
Bei der Bulimie (Bulimia nervosa oder Ess-Brech-Sucht) kommt es zu regelmäßigen Essanfällen, bei denen die Betroffenen nicht mehr steuern können, wie viel Nahrung sie zu sich nehmen. Dabei kann es zur Aufnahme extrem großer Nahrungsmengen kommen, die gesunde Menschen sich schwer vorstellen können. Mit genussvollem Essen hat das meist nichts mehr zu tun. Betroffene sprechen daher meist von Fressanfällen oder Fressattacken. Auch bei der Bulimie haben die Betroffenen extreme Angst, zuzunehmen. Sie ergreifen Maßnahmen, um einer Gewichtszunahme durch die Essanfälle entgegenzuwirken und versuchen meist, außerhalb der Essanfälle durch ein stark kontrolliertes Essverhalten abzunehmen.
Unterschieden werden:
Das Wort Purging kommt aus dem Englischen und heißt Reinigung. Durch Purging-Verhalten versuchen die Betroffenen, ihren Körper von der Nahrung zu reinigen.
Betroffene beschäftigen sich permanent mit Essen, Kalorien und dem eigenen Körpergewicht. Bulimische Menschen können unter-, normal- oder auch übergewichtig sein, sie haben jedoch meist ein sehr schlankes Körperideal. Auch bei Bulimie kommt es häufig zu einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers und Betroffene überschätzen ihren Körperumfang. Mischformen zwischen Bulimie und Magersucht sind häufig. Oft geht der Bulimie eine Phase der Magersucht voraus.
Das Essverhalten von Menschen mit Bulimie ist häufig unregelmäßig. Sie machen permanent Diäten oder lassen Mahlzeiten aus, um das sehr schlanke Körperideal zu erreichen oder zu halten. Die Nahrungseinschränkung begünstigt weitere Essanfälle, was die Symptomatik aufrechterhält.
Meist spielt sich die Erkrankung heimlich ab, weil die Betroffenen unter großen Schamgefühlen leiden. Das führt nicht selten zur sozialen Isolation. Typisch für Menschen mit Bulimie, oder auch anderen Essstörungen, ist ein sehr niedriges Selbstwertgefühl, das durch die oft jahrelange Symptomatik noch weiter belastet wird.
Die Bulimie hat neben den seelischen Konsequenzen (Depressionen, Selbsthass, soziale Isolation usw.) auch körperliche Folgen wie z.B.: Elektrolytentgleisung durch Erbrechen, Abführmittelmissbrauch und Fehlernährung, Vergrößerung der Speicheldrüsen (sog. Hamsterbacken), durch die Magensäure bedingte Zahnschmelzdefekte, Verdauungsprobleme, Verhornungsmale an den Handrücken durch das selbst herbeigeführte Erbrechen, Kreislaufprobleme und Herzrhythmusstörungen.
Die Binge-Eating-Störung (BES oder BED = Binge Eating Disorder) äußert sich durch wiederholte Heißhungerattacken, bei denen Betroffene die Kontrolle über ihr Essverhalten verlieren. Wie bei der Bulimie können die Nahrunsmengen extreme Ausmaße erreichen und die Betroffenen sprechen davon zu fressen statt zu essen. Anders als bei der Bulimie ergreifen Menschen mit Bulimie jedoch keine Gegenmaßnahmen (z.B. Erbrechen, Abführmittelmissbrauch, exzessiver Sport oder Fasten), um eine Gewichtszunahme zu verhindern. In der Folge sind viele übergewichtig oder adipös (BMI > 30), was körperliche Folgeerkrankungen nach sich ziehen kann.
Die Essanfälle treten im Durchschnitt an mindestens 2 Tagen in der Woche während mindestens 6 Monaten auf. Die Betroffenen erleben daraufhin große Schamgefühle und ziehen sich, auch bedingt durch das meist hohe Gewicht, immer weiter zurück. Stimmungsschwankungen, Einsamkeit, Isolation, Unzufriedenheit und Langeweile führen zu weiteren Essanfällen und es entsteht, wie auch bei den anderen Essstörungen, ein regelrechter Teufelskreis.
Atypische Essstörungen sind genauso gefährlich wie Anorexie, Bulimie oder die Binge-Eating-Störung. Doch es sind nicht alle Diagnose-Kriterien einer dieser 3 klassischen Diagnosen erfüllt.
Atypische Essstörungen sind schwer zu erkennen, aber ihre Behandlung ist genauso wichtig. Während z.B. starkes Untergewicht bei einer medizinischen Untersuchung schnell auffällt, bleiben Symptome einer atypischen Magersucht mit Normalgewicht eher unsichtbar.
In den letzten Jahren beschäftigt sich die Medizin viel mehr mit den atypischen Essstörungen. Sie sind wahrscheinlich sogar häufiger als die Essstörungen, die einer klassischen Diagnose entsprechen.
Sonstige Essstörungen sind z.B. die Orthorexie, bei der ein Zwang vorliegt, gesund zu essen oder bestimmte Nahrungsmittel zu vermeiden, und das Pica-Syndrom, bei dem eigentlich nicht essbare Dinge wie z.B. Erde oder Papier gegessen werden.
Besonders gefährlich sind Essstörungen, wenn sie im Zusammenhang mit Diabetes auftreten. Gleichzeitig kommen Essstörungen bei Diabetes häufiger vor als bei Menschen ohne Diabetes. Das unregelmäßige Essverhalten macht eine gute Einstellung des Blutzuckerspiegels oft unmöglich, was schwere Folgen haben kann. Leicht kann es zu Stoffwechselentgleisungen wie schwerer Unterzuckerung oder einem diabetischen Koma kommen.
Manche Menschen mit Diabetes zeigen nicht nur das typische Verhalten von Bulimie, Magersucht, Binge-Eating oder Mischformen dieser Essstörungen: Um abzunehmen, reduzieren sie bewusst ihre Insulindosis oder lassen das Insulin weg und riskieren dadurch schwere Folgeschäden und Stoffwechselentgleisungen, die lebensgefährlich sein können. Das Verhalten heißt Insulin-Purging.
Näheres zu Stoffwechselentgleisungen und Folgeschäden unter Diabetes > Allgemeines.
Alle Essstörungen betreffen häufiger Mädchen und Frauen als Jungen und Männer. Am stärksten ist der Unterschied bei der Magersucht und am schwächsten bei der Binge-Eating-Störung. Bei Jungen und Männern werden Essstörungen deshalb oft später oder gar nicht erkannt, besonders bei Magersucht und Bulimie. Denn sie entsprechen nicht der üblichen Vorstellung von einer essgestörten Person.
Die Ursachen einer Essstörung sind vielfältig. Oft wirken verschiedene Komponenten zusammen:
Das Therapienetz Essstörung bietet umfangreiche Informationen für Betroffene, Angehörige und pädagogisches Personal.
Telefon: 089 720 13678-0 (Mo–Do 8–18 Uhr, Fr 8–16 Uhr)
Fax: 089 720 13678-11
E-Mail: beratung@tness.de
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Essstörungen BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) informiert und berät online, vor Ort sowie telefonisch unter der Nummer 0221 892031 (Mo–Do 10–22 Uhr, Fr–So 10–18 Uhr)
E-Mail: essstoerung@bzga.de
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