Essstörungen sind heilbar, doch der Genesungsprozess ist langwierig und die Gefahr einer Chronifizierung ist groß. Die besten Heilungschancen bestehen, wenn die Betroffenen sich frühzeitig Hilfe suchen. Die Therapiemöglichkeiten reichen von ambulanter Psychotherapie, (Tages-)Kliniken, Selbsthilfegruppen, Selbsthilfemanualen bis hin zu therapeutischen Wohngruppen. Welche Behandlung in Frage kommt, hängt von den Symptomen und der Situation des Betroffenen ab.
Ziele der Psychotherapie sind zum einen die Minderung der Essstörungssymptome (z.B. Normalisierung von Essverhalten und Gewicht), zum anderen die Behandlung der zugrunde liegenden oder parallel existierenden psychischen Probleme (z.B. Selbstwertprobleme, soziale Isolation, Depressionen).
Die Psychotherapie orientiert sich an der Erkrankungsphase und den individuellen Möglichkeiten des Patienten und an seiner Lebenssituation. Die therapeutische Arbeit kann helfen, Situationen und Gedanken zu reflektieren oder sich über seine Gefühle Klarheit zu verschaffen. Langfristig kann sie dazu beitragen, den Ursachen und Auslösern der Essstörung auf die Spur zu kommen und die aufrecht erhaltenden Faktoren zu bewältigen.
Eine ambulante Psychotherapie wird vor allem bei Bulimie und einer Binge-Eating-Störung empfohlen, sofern keine medizinischen oder sozialen Gründe einen vorherigen stationären Aufenthalt notwendig machen. Da bei Magersucht oft eine hohe körperliche Gefährdung besteht, ist häufig zunächst eine stationäre Therapie erforderlich, an die sich dann eine ambulante Psychotherapie anschließt. Ob eine ambulante Therapie ausreichend ist, sollte immer individuell, in Absprache mit dem Arzt und/oder Psychotherapeuten, entschieden werden.
Die Krankenkasse übernimmt die Kosten bestimmter psychotherapeutischer Behandlungen. Details zur Kostenübernahme, Therapeutensuche, Therapieantrag und Dauer unter Psychotherapie.
Eine (teil-)stationäre Therapie sollte durchgeführt werden, wenn die Essstörung mit einer hohen körperlichen Gefährdung einhergeht, wenn eine ambulante Therapie nicht ausreicht oder wenn der psychische Zustand oder die soziale Situation des Betroffenen es erfordern. Oft sind auch mehrere stationäre Aufenthalte nötig (sog. Intervallbehandlung).
Bei einer stationären Therapie in einer Klinik betreut den Betroffenen ein multiprofessionelles Team bestehend aus Psychotherapeuten, Pflegekräften, Sozialpädagogen, Ernährungsberatern sowie Physio- und Ergotherapeuten. Das stationäre Behandlungsprogramm ist oft umfassend und besteht aus Einzel- und Gruppentherapie, Bewegungs-, Kunst- oder Musiktherapie und einer (therapeutischen) Begleitung beim Essen. Zudem können die Patienten medizinisch überwacht werden. Das geschützte Umfeld einer Klinik, die Unterstützung durch das Behandlerteam und die Mitpatienten ermöglichen es vielen Betroffenen erst, sich ihren Ängsten zu stellen und intensiv an ihren Problemen zu arbeiten.
Nach einer stationären Therapie ist der Übergang von einer Klinik in den Alltag häufig sehr schwierig und führt nicht selten zu Rückfällen. Hier kann eine teilstationäre Therapie in einer Tagesklinik sinnvoll sein. In einer Tagesklinik erhält der Betroffene tagsüber eine ähnlich intensive Unterstützung wie in einer Klinik, kehrt aber abends und am Wochenende in sein gewohntes Umfeld zurück. So kann er sich nach und nach an den Alltag herantasten.
Eine teilstationäre Therapie kann auch ohne vorherigen Klinikaufenthalt absolviert werden, z.B. wenn der Patient nicht gänzlich aus seinem gewohnten Umfeld herausgerissen werden möchte. Tageskliniken sind allerdings nicht von jedem Wohnort aus erreichbar, sodass eine teilstationäre Behandlung nicht immer möglich ist.
Jugendliche und junge Erwachsene haben die Möglichkeit, meist im Anschluss an eine stationäre Behandlung, in eine therapeutische Wohngruppe zu ziehen, wenn die Rückkehr in das gewohnte, meist problembelastete Umfeld sie überfordert oder sie zu Hause nicht genügend Unterstützung erfahren. Auch für Betroffene mit chronifizierten Essstörungen und einer ausgeprägten sozialen Isolation kann eine solche Wohngruppe hilfreich sein.
In der Wohngruppe können die Betroffenen in einem unterstützenden Umfeld und in Zusammenarbeit mit einem therapeutischen Team (bestehend aus Psychotherapeuten, Sozialpädagogen und Ernährungsberatern) langsam Schritte in ein gesundes Leben gehen und im Alltag Fuß fassen. Die Angebote reichen von einer 24-Stunden Betreuung mit begleiteten Mahlzeiten bis hin zu freieren Modellen, bei denen die Betroffenen nur zeitweise Hilfestellungen erhalten. Auch ein ambulant betreutes Einzelwohnen ist möglich. Hier wohnt der Patient in einer eigenen Wohnung und wird von Sozialpädagogen zu Hause besucht, die ihn im Alltag unterstützen.
Eine rein medikamentöse Behandlung führt bei Essstörungen nicht zur Genesung. Eine Psychotherapie ist in jedem Fall die Behandlung der ersten Wahl. Medikamente können diese begleiten.
Bei Patienten mit Bulimie kann begleitend zur Psychotherapie ein Antidepressivum verschrieben werden, denn im Zusammenhang mit Essstörungen treten häufig auch Depressionen auf. Es gibt aber auch nachgewiesene positive Effekte auf die Symptome einer Bulimie. Derzeit ist in Deutschland nur der Wirkstoff Fluoxetin für die Behandlung von bulimischen Patienten über 18 Jahren zugelassen.
Bei ausgeprägtem Bewegungsdrang und zwanghaftem Gedankenkreisen bei Magersüchtigen verschreiben Ärzte bisweilen auch niedrig dosierte Neuroleptika.
Auch verschiedene andere Medikamente wie z.B. das in den USA für die Behandlung der Binge-Eating-Störung zugelassene Lisdexamphetamin werden von manchen Ärzten im sog. Off-Label-Use eingesetzt: Das heißt ein für die Behandlung anderer Erkrankungen zugelassenes Medikament wird ausnahmsweise zur Behandlung der Essstörung verwendet.
In jedem Fall sollte eine medikamentöse Behandlung gründlich mit einem fachkundigen Psychiater besprochen werden, der diese dann individuell abstimmen kann.
Für viele Betroffene ist der Schritt zu einer Therapie sehr groß. Das Schamgefühl und die Angst, sich zu öffnen, verhindern häufig, dass sie sich professionelle Hilfe suchen. Hier kann die Selbsthilfe ein erster Schritt sein, um sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann eine entlastende Wirkung haben und neue Wege aufzeigen.
Selbsthilfegruppen werden häufig von Beratungsstellen für Essstörungen angeboten. Dort treffen sich die Betroffenen etwa einmal pro Woche und tauschen sich über Themen rund um ihre Erkrankung aus. Meist ist ein Sozialpädagoge anwesend, der die Gruppe leitet. Der Austausch kann dazu beitragen, dass die Betroffenen sich verstanden fühlen und merken, dass sie mit ihrem Problem nicht alleine sind. Zusammen können alternative Bewältigungsstrategien erprobt werden, die Gruppe kann emotionalen Halt geben und die Betroffenen können von den Erfahrungen und Tipps anderer Betroffener profitieren.
Selbsthilfegruppen gibt es auch im Internet. Selbsthilfeforen bieten eine Plattform zum anonymen Austausch mit anderen Patienten.
Es gibt aber auch unseriöse Webseiten, auf denen sich Essgestörte nicht mit dem Ziel der Genesung austauschen, sondern um kranke Verhaltensweisen noch zu verstärken. Von solchen Seiten sollten Betroffene unbedingt Abstand nehmen!
Zu empfehlen sind Foren, die von Moderatoren betreut werden und die keine detaillierten Angaben zu Gewicht, Größe und genauem Essverhalten gestatten. Das ermöglicht einen sinnvollen, unterstützenden Austausch unter Menschen mit Essstörungen.
Studien konnten nachweisen, dass die Arbeit mit einem Selbsthilfeprogramm, das nach einem speziellen Manual durchgeführt wird und auf Elementen der kognitiven Verhaltenstherapie beruht, vor allem bei Patienten mit Bulimie und Binge-Eating-Störung hilfreich sein kann.
Wissenschaftlich fundierte Manuale zur angeleiteten Selbsthilfe bieten u.a. folgende Bücher: