Aphasie

1. Das Wichtigste in Kürze

Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung, die nach einer Hirnschädigung auftreten kann, z.B. nach Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma oder bei einem Hirntumor. Davon betroffen sind das Sprechen und das Sprachverständnis, aber auch Lesen, Schreiben, Gestik und Mimik. Verschiedene Therapien und der richtige Umgang mit Betroffenen können die Störungen reduzieren. Das Verständnis für die Aphasie erleichtert Angehörigen, die betroffene Person geduldig zu unterstützen.

2. Diagnose und Formen

Aphasie ist eine relativ komplexe Störung, weil sich das Sprechen und Verstehen aus verschiedenen Vorgängen heraus entwickelt. Es gibt verschiedene Verfahren und Einteilungen, um eine Aphasie zu beschreiben. Am gängigsten ist die "Aachener" Einteilung, die folgende Fähigkeiten testet (Aachener Aphasie-Test AAT):

  • Spontanansprache
  • Nachsprechen
  • Schriftsprache
  • Benennen
  • Sprachverständnis
  • Wortfindung

Mit Hilfe dieses Tests können Form und Schweregrad von Aphasie festgestellt werden. Folgende Aphasieformen werden unterschieden:

  • Globale Aphasie: Bei dieser schwersten Form der Aphasie sind Sprachproduktion und -verständnis stark beeinträchtigt, Lesen und Schreiben kaum möglich. Die betroffene Person kann nur Teile von Worten sprechen und reiht oft sinnlose Silben, z.B. "tatatata“, oder automatisierte Floskeln, z.B. "ohgott ohgott“, aneinander (stereotype Lautäußerungen).
  • Broca-Aphasie (motorische Aphasie): Hier ist die Sprachproduktion stärker beeinträchtigt als das Sprachverständnis. Bei Menschen mit Broca-Aphasie ist das Sprechen langsam, stockend und mit vielen Sprechpausen. Die Sprache erinnert mit kurzen Sätzen und einfacher Grammatik an einen "Telegrammstil". Dies spiegelt sich auch beim Lesen und Schreiben wider. Verstehen können Betroffene Sprache meist gut, komplexere Sätze können Schwierigkeiten bereiten.
  • Wernicke-Aphasie (sensorische Aphasie): Hier steht die Störung des Sprachverständnisses im Vordergrund. Die Sprachproduktion ist zwar normal und die Sprache flüssig, jedoch gelingt es vielen Betroffenen nicht, ihre Gedanken sprachlich eindeutig mitzuteilen (unverständlicher Kauderwelsch). Häufig sind Wort- und Lautverwechslungen, Wortneuschöpfungen und ein fehlerhafter und verschachtelter Satzbau. Auch das Verstehen von Gesprochenem gelingt Betroffenen nur teilweise.
  • Amnesische Aphasie: Bei dieser leichtesten Form findet die erkrankte Person häufig nicht das passende Wort, oft kommt es zu inhaltlich leicht abweichenden Wortersetzungen, Umschreibungen oder zu lautlichen Abweichungen (Wortfindungsstörung). Das Sprachverständnis, die Spontanansprache sowie die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben sind erhalten.

Vereinfacht können die Störungen der vier Formen anhand von Sprachverständnis und Flüssigkeit des Sprechens eingeteilt werden:

  Flüssiges Sprechen leicht Flüssiges Sprechen schwer
Sprachverständnis leicht Amnestische Aphasie Broca Aphasie
Sprachverständnis schwer Wernicke Aphasie Globale Aphasie

Neben diesen 4 bekanntesten Aphasieformen gibt es weitere Sonderformen, z.B. Transkortikale Aphasie oder Leitungsaphasie, und nicht klassifizierbare Aphasien.

 

Ein weiterer Test ist der C-Test. Der C-Test ist ein Sprachtest, um zu erkennen, ob grammatikalisch falsche Sätze gebildet werden. Daneben gibt es noch apparative Verfahren, z.B. die Elektroglottographie (EGG). Dies ist ein Verfahren zur Untersuchung des Kehlkopfs bzw. der Stimmlippen während des Sprechens. Um Informationen über die Funktion der Stimme zu erhalten, werden die Schwingungen der Stimmlippen gemessen.

3. Therapie

Standard bei der Behandlung einer Aphasie ist die Logopädie. Immer häufiger werden auch Computerprogramme eingesetzt, mit denen Betroffene z.B. Bilder und Begriffe einander zuordnen, Sätze ergänzen oder vorgegebene Worte und Sätze nachsprechen. Vorteil ist, dass elektronische Medien immer zur Verfügung stehen und deshalb auch ohne Praxisbesuch täglich, möglichst mehrmals, kleinere Übungseinheiten möglich sind.

Musiktherapie bezieht sich primär auf die Sprachfähigkeiten, sie kann aber auch dazu dienen, die Folgen einer Aphasie zu lindern, z.B. psychische Belastungen. Näheres bei der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft unter www.musiktherapie.de > Arbeitsfelder > Neurologische Reha.

4. Umgang mit Betroffenen

Um den Umgang mit Menschen mit Aphasie zu erleichtern und das Verständnis füreinander zu fördern, können folgende Tipps hilfreich sein:

4.1. Ruhe und Geduld

  • Menschen mit Aphasie brauchen mehr Zeit zum Sprechen.
  • Längere Pausen ruhig abwarten.
  • Die betroffene Person nicht unter Druck setzen.
  • Dem Gegenüber nicht mit Wörtern aushelfen und das Gespräch nicht zu sehr in die eigene Richtung lenken.
  • Patienten ernst nehmen, sie haben keine Defizite bezüglich ihrer Intelligenz.
  • Auf den Inhalt achten, nicht auf die Form.
  • Den Menschen mit Aphasie nicht unterbrechen.
  • Langsam und deutlich sprechen.
  • Hintergrundgeräusche und Gespräche mit mehreren Personen vermeiden.
  • Wenn es trotz größter Anstrengung nicht gelingt, einen Gedanken zu formulieren, nicht drängeln, sondern später in Ruhe noch einmal versuchen.

4.2. Zuhören und mitdenken

  • Wenn ein Mensch mit Aphasie um Hilfe bittet, ein Schlüsselwort anbieten und abwarten, ob es richtig ist.
  • Worte können manchmal durch nonverbale Signale ersetzt werden, Gestik, Mimik oder Zeigen von Bildern. Betroffene können hier eine große Bandbreite entwickeln, um den Sprachverlust etwas auszugleichen.
  • Versuchen herauszufinden, worauf sich eine Aussage beziehen könnte. Manchmal führen "unpassende" Wörter doch noch zum Ziel.
  • Ja-Nein-Fragen stellen.

4.3. Alltagsaktivitäten

Menschen mit Aphasie sollten in möglichst viele Alltagsaktivitäten miteinbezogen werden, z.B. Arbeiten im Haushalt, Besuche gemeinsamer Freunde, Ausflüge. Hilfreich ist ein Hobby, bei dem sprachliche Fähigkeiten keine Rolle spielen, z.B. Malen.

5. Praxistipp

Es gibt zunehmend Apps und Online-Angebote (digitale Gesundheitsanwendungen – DiGA), die kostenlos sind oder von der Krankenkasse übernommen werden. Offiziell anerkannte Online-Anwendungen für Aphasie finden Sie im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter www.diga.bfarm.de > DiGA-Verzeichnis öffnen > Suchbegriff: "Aphasie".

6. Wer hilft weiter?

Der Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker – Bundesverband Aphasie – bietet viele Informationen und Termine für Betroffene und Angehörige auf https://aphasiker.de. Aphasie-Zentren vor Ort können individuelle Beratungen durchführen, Kontakte unter https://aphasiker.de > Menü > Unser Service > Landesverbände & Aphasiezentren.

7. Verwandte Links

Schädel-Hirn-Trauma

Schlaganfall

Logopädie

Letzte Bearbeitung: 02.05.2024

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