Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

1. Das Wichtigste in Kürze

Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit (drohenden) Behinderungen sollen diesen Menschen ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Beispiele für solche Leistungen sind eine Kur in einer Reha-Klinik, eine Umschulung, wenn der bisherige Beruf wegen einer Behinderung nicht mehr ausgeübt werden kann, Schulbegleitung für Kinder mit Behinderungen und Assistenzleistungen, damit Menschen mit Behinderungen in einer eigenen Wohnung leben können. Die Leistungen werden z.B. von den Krankenkassen, von der Rentenversicherung, von der Unfallversicherung oder vom sog. Träger der Eingliederungshilfe finanziert. Während viele Leistungen schon bei leichteren Behinderungen oder sogar bei einer nur drohenden Behinderung in Betracht kommen, kommen andere nur für Menschen mit Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung mit einer Schwerbehinderung in Frage.

2. Änderungen des Behinderungsrechts

Die Änderungsgesetze Bundesteilhabegesetz (BTHG) und Teilhabestärkungsgesetz (TeilhStG) haben das Behinderungsrecht deutlich reformiert. Es ist im 9. Sozialgesetzbuch (SGB IX) geregelt. Eingeführt wurden z.B. Verfahrenserleichterungen, unabhängige Teilhabeberatungsstellen und mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten. Die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gehört nicht mehr zur Sozialhilfe und für sie gelten deutlich höhere Freibeträge für Einkommen und Vermögen, Näheres unter Eingliederungshilfe > Einkommen und Vermögen. Ziele des BTHG und des TeilhStG sind mehr Selbstbestimmung und Teilhabe. Grund für diese Veränderung ist, dass Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen beachten muss.

Der letzte Reformschritt des BTHG sollte neu definieren, wer Anspruch auf Eingliederungshilfe hat. Er ist nie in Kraft getreten, sondern das TeilhStG regelt, dass eine sog. Verordnung über die Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe (VOLE) künftig den anspruchsberechtigten Personenkreis definieren soll. Vorübergehend gilt noch die Definition aus der früheren außer Kraft getretenen Verordnung. Näheres unter Eingliederungshilfe-Verordnung.

Ab 2028 sollen alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen ihre Eingliederungshilfe vom Jugendamt bekommen. Bisher ist das Jugendamt nur bei rein seelischen Behinderungen zuständig. Näheres unter Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen.

3. Was bedeutet Rehabilitation?

Rehabilitation bedeutet Wiederherstellung von Fähigkeiten und Wiedereingliederung in den normalen Alltag nach einer Krankheit bzw. Verletzung oder psychischen Störung, die einen Menschen aus dem bisherigen Leben herausgerissen hat.

Rehabilitation kann nicht nur dann gelingen, wenn ein Mensch wieder gesund wird, sondern auch, wenn ein Mensch für lange Zeit oder sogar lebenslang gesundheitliche Beeinträchtigungen behalten wird. Denn auch damit ist es meistens möglich, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Viele Menschen mit Behinderungen können z.B. arbeiten, Sport treiben, am kulturellen Leben teilnehmen, soziale Kontakte haben und in einer eigenen Wohnung leben, aber brauchen dafür zum Teil technische Hilfen und/oder Unterstützung durch andere Menschen.

4. Was sind Leistungen zur Teilhabe?

Leistungen zur Teilhabe von Menschen mit (drohender) Behinderung sind zum einen die Leistungen zur Rehabilitation (Reha-Leistungen). Aber diese Leistungen sind auch für Menschen gedacht, die schon immer auf eine Weise anders waren, für die eine medizinische Diagnose vergeben werden kann. Die Betroffenen wurden nicht aus ihrem früheren Alltag herausgerissen, sondern für sie ist es seit jeher Alltag, an sichtbare und unsichtbare Barrieren in ihrer Umwelt und in den Köpfen ihrer Mitmenschen zu stoßen.

Egal, ob ein Mensch schon immer, oder erst seit einer Erkrankung oder Verletzung Hilfe braucht, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können und als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft leben zu können, immer stehen dafür die Leistungen zur Teilhabe zur Verfügung. Teilhabe und Eingliederung (bzw. Wiedereingliederung) sind andere Wörter für Inklusion und Integration.

Folgende großen Bereiche von Leistungen zur Teilhabe von Menschen mit (drohender) Behinderung gibt es:

Dazu gehören vielfältige Leistungen, von z.B. einer Kur nach einer Erkrankung oder einem Unfall oder ambulanten Leistungen wie Krankengymnastik (Heilmittel), Reha-Sport oder Funktionstraining über Maßnahmen zur Berufsvorbereitung, Berufsausbildung bzw. Umschulung oder Schulbegleitung bis hin zu umfassenden Assistenzleistungen in allen Lebensbereichen.

Die Leistungen sind sowohl dafür da, dass Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben können, als auch dafür, dass es gar nicht erst zu einer Behinderung kommt.

5. Behinderung und Schwerbehinderung

Anders als früher spricht das heutige SGB IX noch nicht von einer Behinderung, wenn bei einer Person nur bestimmte medizinische Diagnosen gestellt werden können, z.B. bei chronischen Krankheiten, psychischen Störungen, einer Intelligenzminderung oder genetischen Besonderheiten. Hinzukommen muss immer, dass dadurch in Verbindung mit Barrieren in der Umwelt und/oder in den Einstellungen der Mitmenschen die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft behindert wird.

Ein Teil der Nachteilsausgleiche für Menschen mit Behinderungen wird nur dann gewährt, wenn bei den Betroffenen auf deren Antrag ein Grad der Behinderung (GdB) festgestellt wurde. Für die GdB-Feststellung kommt es auf objektive Kriterien an, das heißt ein GdB kann zum Teil auch dann festgestellt werden, wenn die Betroffenen selbst sich nicht oder kaum behindert fühlen.

Eine Schwerbehinderung liegt ab einem GdB von 50 vor. Näheres zu den Begriffen Behinderung und Schwerbehinderung unter Behinderung.

6. Wofür gibt es Leistungen zur Teilhabe?

Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX sollen

  • Behinderungen möglichst abwenden, beseitigen, mindern, ihrer Verschlimmerung vorbeugen oder ihre Folgen mildern,
  • Erwerbsminderung oder Pflegebedürftigkeit vermeiden, überwinden, mindern oder einer Verschlimmerung vorbeugen,
  • vermeiden, dass andere Sozialleistungen (vor allem Leistungen der Sozialhilfe) in Anspruch genommen werden müssen,
  • den Bedarf an laufenden Sozialleistungen vermindern,
  • die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft sichern,
  • die persönliche Entwicklung ganzheitlich fördern,
  • die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft  ermöglichen oder erleichtern und
  • Betroffenen ermöglichen bzw. erleichtern, ihr Leben so selbstständig und selbstbestimmt wie möglich zu führen.

7. Eingliederungshilfe

Über die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen bekommen Menschen mit (drohender) Behinderung die notwendigen Leistungen zur Teilhabe, wenn ihnen diese nicht schon auf Grund von anderen Regelungen zustehen. Dafür sind die sog. Träger der Eingliederungshilfe zuständig.

Alle Menschen mit (drohender) Behinderung sollen dadurch ihr Leben so führen können, dass es der Würde des Menschen entspricht und sie voll, wirksam und gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben können.

Vorrangig vor der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen sind:

Für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige wird die Eingliederungshilfe wegen (drohender) seelischer Behinderung vom Träger der Kinder- und Jugendhilfe geleistet und muss beim Jugendamt beantragt werden, Näheres unter Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen.

Leistungen der Pflegeversicherung und der Hilfe zur Pflege werden neben den Leistungen der Eingliederungshilfe zusätzlich gewährt, Näheres unter Eingliederungshilfe > Abgrenzung zur Pflege.

8. Teilhabeplanverfahren

Benötigen Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen mehrere unterschiedliche Reha- und/oder Teilhabeleistungen von einem oder mehreren Trägern, ist seit 1.1.2018 im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ein einziger Reha-Antrag ausreichend. Der sog. leistende Träger, z.B. die Agentur für Arbeit, die Rentenversicherung oder der Träger der Eingliederungshilfe, koordiniert alle Maßnahmen im sog. Teilhabeplanverfahren. Dadurch werden bei Bedarf mehrere Leistungen wie aus einer Hand gewährt und die individuelle Situation der Antragstellenden wird berücksichtigt.

Wer der richtige Reha-Träger ist und wie lange die Entscheidung über einen bereits eingereichten Reha-Antrag maximal dauern darf (Fristen), wird im Rahmen der Zuständigkeitsklärung beantwortet.

9. Durchsetzung der Ansprüche

In der Praxis ist es nicht unüblich, dass Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe abgelehnt werden, obwohl ein Anspruch darauf besteht. Außerdem werden die Fristen oft nicht eingehalten und Anträge bleiben unbearbeitet liegen, obwohl die Leistung dringend notwendig ist. Betroffene müssen eine Ablehnung oder Verzögerung nicht hinnehmen, sondern haben das Recht, dagegen vorzugehen.

Gegen eine Ablehnung können Betroffene kostenfrei Widerspruch einlegen. Einen Musterwiderspruch und weitere Informationen gibt es unter Widerspruch im Sozialrecht. Für einen Widerspruch können Bedürftige über die Beratungshilfe anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Wird auch der Widerspruch abgelehnt, können Betroffene gerichtskostenfrei dagegen klagen. Die Anwaltskosten können bei Bedürftigen von der Prozesskostenhilfe übernommen werden. Näheres unter Widerspruch Klage Berufung und unter Prozesskostenhilfe und Verfahrenskostenhilfe.

Wenn über einen Antrag, einen Widerspruch oder eine Klage nicht rechtzeitig entschieden wird, können sich die Menschen mit (drohender) Behinderung ggf. die Teilhabeleistungen vorläufig selbst beschaffen und sich hinterher die Kosten erstatten lassen. Wer sich das nicht leisten kann, kann über ein gerichtliches Eilverfahren vorläufige Leistungen erhalten. In diesen Fällen besteht aber ein Risiko, auf den Kosten sitzen zu bleiben, oder die vorläufigen Leistungen später erstatten zu müssen. Näheres unter Selbstbeschaffung von Teilhabeleistungen.

10. Leistungen von A–Z

Nachfolgend eine alphabetische Linkliste von Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe:

Alternativen zu Werkstätten für behinderte Menschen

Anschlussrehabilitation nach Krankenhausaufenthalt

Arbeitsassistenz

Arbeitstherapie und Belastungserprobung

Assistenzleistungen

Behinderung > Ausbildungsgeld

Begleitperson

Behinderung > Berufsleben

Behinderung > Bildung und Ausbildung

Behinderung > Flugverkehr

Behinderung > Leistungen zur Mobilität

Behinderung > Steuervorteile

Berufliche Reha > Leistungen

Beschäftigungssicherungszuschuss Minderleistungsausgleich

Budget für Arbeit

Budget für Ausbildung

Demenz > Medizinische Reha

Eignungsabklärung und Arbeitserprobung

Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen

Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen

Elternassistenz für Eltern mit Behinderungen

Entwöhnungsbehandlung für Menschen mit Suchterkrankungen

Ergänzende Leistungen zur Reha

Fahrdienste

Frühförderung von Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohten Kindern

Frührehabilitation

Geriatrische Rehabilitation für ältere Menschen

Gründungszuschuss

Haushaltshilfe

Inklusionsbetriebe

Kinderbetreuungskosten

Kinderheilbehandlungen

Kosten für Weiterbildung und berufliche Reha

Kraftfahrzeughilfe

Kraftfahrzeugsteuer-Ermäßigung bei Schwerbehinderung

Leistungen zur Beschäftigung

Medizinische Rehabilitation

Reha und Kur für Mütter und Väter

Merkzeichen

Behinderung > Öffentliche Verkehrsmittel

Onkologische Nachsorgeleistungen

Parkerleichterungen

Persönliches Budget

Pauschbetrag bei Behinderung

Rehabilitation

Rehabilitation > Phasen

Rehabilitation > Zuständigkeit

Reha-Sport und Funktionstraining

Reisekosten

Rundfunkbeitrag Befreiung Ermäßigung

Schulbegleitung

Schwerbehindertenausweis

Leistungen zur sozialen Teilhabe

Sozialversicherung bei beruflicher Reha und WfbM

Sozialmedizinische Nachsorge für Kinder bis 14

Sozialpädiatrische nichtärztliche Leistungen

Stufenweise Wiedereingliederung

Teilhabe an Bildung

Teilhabeplanverfahren

Telefongebührenermäßigung

Unabhängige Teilhabeberatung

Übergangsgeld

Verletztengeld

Werkstätten für behinderte Menschen

Wohngeld

Wohnraumförderung

Wohnungshilfe

11. Wer hilft weiter?

Der zuständige Reha-Träger und die unabhängige Teilhabeberatung.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR) bietet unter www.ansprechstellen.de eine Adressdatenbank mit Ansprechstellen für Fragen und Informationen zur Rehabilitation und Teilhabe.

12. Verwandte Links

Behinderung

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR)

Teilhabeplanverfahren

Rehabilitation

 

Rechtsgrundlagen: SGB IX

Letzte Bearbeitung: 18.07.2024

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