1. Das Wichtigste in Kürze
Medizinische Rehabilitation ist ein Teilbereich der Rehabilitation. Ziel der medizinischen Reha ist, die Folgen gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu mindern. Sie soll verhindern, dass Menschen eine Behinderung bekommen, pflegebedürftig werden, nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr arbeiten können und/oder auf Sozialleistungen angewiesen sind. Wenn es dafür zu spät ist, soll medizinische Reha diese Probleme beseitigen, verringern, ausgleichen oder zumindest verhindern, dass sie schlimmer werden.
Medizinische Reha verbessert in der Regel das psychische Wohlbefinden und die körperliche Fitness, z.B. durch Gesprächs- und Therapieangebote, Muskelaufbau und Ausdauertraining. Viele Menschen fühlen sich nach einer medizinischer Reha psychisch stabiler und fitter, auch wenn die Besserung der gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht gelingt. Medizinische Reha wird ambulant oder stationär erbracht, ambulant hat meist Vorrang. Zwischen 2 Maßnahmen müssen in der Regel 4 Jahre Wartezeit liegen.
2. Leistungen medizinischer Reha
Zur medizinischen Rehabilitation zählen z.B.:
Im Zusammenhang mit der medizinischen Reha oder als Teil der medizinischen Reha können viele Behandlungen und Leistungen erbracht werden, z.B. Krankenbehandlung, Psychotherapie, Zahnbehandlung, Arznei- und Verbandmittel, Heilmittel oder Hilfsmittel. Macht eine Pflegeperson medizinische Reha, kann die sonst von ihr gepflegte Person währenddessen Kurzzeitpflege erhalten.
3. Ziele medizinischer Reha
Medizinische Reha hat folgende Ziele:
- Verhindern, dass es zu einem oder mehreren der folgenden Probleme kommt:
- Behinderungen inklusive chronischer Krankheiten
- Pflegebedürftigkeit
- Verminderte Erwerbsfähigkeit (wesentlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit, die dazu führt, dass die versicherte Person ihren Beruf nicht mehr normal ausüben kann)
- auf Sozialleistungen angewiesen sein
- Falls schon eines oder mehrere dieser Probleme vorliegen, soll die medizinische Reha sie
- verringern,
- ausgleichen
- oder zumindest verhindern, dass sie schlimmer werden.
4. Ähnliche Leistungen
4.1. Beispiele ähnlicher Leistungen
Es gibt verschiedene Leistungen, die einer medizinischen Reha ähnlich sind, aber nicht unter den Begriff medizinische Reha fallen.
Beispiele:
4.2. Unterschied zwischen Vorsorge und Rehabilitation
Leistungen zur Vorbeugung haben etwas andere Ziele als Reha, auch wenn sich die Ziele zum Teil mit den Zielen medizinischer Rehabilitation (siehe oben) überschneiden:
- Beseitigung einer Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde
- Gegen eine Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes wirken
- Verhütung von Krankheiten oder Vermeidung von deren Verschlimmerung
- Vermeidung von Pflegebedürftigkeit
Sowohl die stationäre Vorsorgekur als auch die stationäre medizinische Reha werden umgangssprachlich oft als Kur bezeichnet, weshalb es teils nicht leicht fällt, diese Leistungen zu unterscheiden.
Fallbeispiel:
Herr Maier leidet unter Burnout, zu dem noch keine Krankheiten wie z.B. Depressionen oder Rückenschmerzen hinzugekommen sind. Burnout kann krank machen oder durch Krankheit verursacht werden, ist aber selbst keine Krankheit. Außerdem drohen ihm derzeit weder Behinderung noch Pflegebedürftigkeit noch Erwerbsminderung oder Abhängigkeit von Sozialleistung. Ihm kann deshalb noch keine medizinische Reha bewilligt werden. Für eine Vorsorgekur reicht es aber aus, dass eine Krankheit droht und die Gesundheit nur geschwächt ist. Herr Maier kann also trotzdem zeitnah auf Kur fahren und muss nicht warten, bis es schlimmer geworden ist.
5. Zuständigkeit für medizinische Reha
Medizinische Reha wird meist über die Krankenkasse, den Rentenversicherungsträger oder den Unfallversicherungsträger finanziert, seltener durch einen Träger der sozialen Entschädigung, den Träger der Eingliederungshilfe oder den Träger der Jugendhilfe:
Näheres unter Rehabilitation > Zuständigkeit.
6. Voraussetzungen für medizinische Reha
6.1. Allgemeine Voraussetzungen für medizinische Reha
Folgende Voraussetzungen müssen bei jedem Träger einer medizinischen Reha erfüllt sein:
- Die Reha-Maßnahme ist aus medizinischen Gründen erforderlich.
- Die Reha-Maßnahme muss ärztlich verordnet sein und vom Kostenträger vorher genehmigt werden.
- Die Ziele der Reha sind voraussichtlich erreichbar.
- Die Person ist dazu in der Lage, an der Reha teilzunehmen (= Rehafähigkeit).
6.2. Wartezeit zwischen zwei medizinischen Reha-Maßnahmen
Für Leistungen der Krankenversicherung oder des Rentenversicherungsträgers gilt:
Zwischen 2 Reha-Maßnahmen – egal ob ambulant oder stationär – muss in der Regel ein Zeitraum von 4 Jahren liegen. Nicht anzurechnen sind Leistungen zur medizinischen Vorsorge (Vorsorgeleistungen und Vorsorgekuren).
Ausnahmen macht die Krankenkasse nur, wenn es medizinisch erforderlich ist, dass die Reha vorher stattfindet. Dies muss mit ärztlichen Berichten oder einem medizinischen Gutachten bei der Krankenkasse begründet werden. Auch gilt die Wartezeit nicht bei Minderjährigen.
Der Rentenversicherungsträger genehmigt medizinische Reha-Maßnahmen vor Ablauf der 4-Jahres-Frist, wenn vorzeitige Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich sind.
6.3. Persönliche Voraussetzungen der Rentenversicherung für medizinische Reha
Unter folgenden persönlichen Voraussetzungen trägt der Rentenversicherungsträger die medizinische Rehabilitation (§ 10 SGB VI):
- Die Erwerbsfähigkeit ist wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert
und
- voraussichtlich kann eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewendet werden
oder
die Erwerbsfähigkeit kann gebessert oder wiederhergestellt werden oder es kann verhindert werden, dass sie sich wesentlich verschlechtert
oder
der bisherige Arbeitsplatz kann erhalten werden oder, wenn das nicht geht, kann ein neuer Arbeitsplatz erlangt werden.
6.4. Versicherungsrechtliche Voraussetzungen der Rentenversicherung für medizinische Reha
Unter folgenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen trägt der Rentenversicherungsträger die Rehabilitation (§ 11 SGB VI):
- 6 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen in den letzten 2 Jahren vor Antragstellung (bei Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld innerhalb eines um diese Anrechnungszeiten verlängerten Zeitraums)
oder
- innerhalb von 2 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung wird eine versicherte oder selbstständige Beschäftigung bis zur Antragstellung ausgeübt oder nach einer solchen Beschäftigung liegt Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit bis zur Antragstellung vor
oder
- Bezug einer Erwerbsminderungsrente
oder
- Anspruch auf große Witwen/Witwer-Rente (Rentenversicherung) wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 11 Abs. 3 SGB VI)
oder
- Erfüllen der Wartezeit von 15 Jahren (die Zeiten, in denen Beiträge gezahlt wurden, bzw. Zeiten, in denen Rentenanwartschaften erworben wurden, z.B. Kindererziehungszeiten)
oder
- Erfüllen der allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI) bei verminderter Erwerbsfähigkeit oder absehbarer verminderter Erwerbsfähigkeit.
6.5. Ausschluss von Reha-Leistungen der Rentenversicherung
Der Rentenversicherungsträger übernimmt die medizinische Reha nicht (§§ 12, 13 SGB VI)
- in der Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit (vgl. auch Frührehabilitation).
Ausnahme: bei Behandlungsbedürftigkeit während der medizinischen Rehabilitation.
- anstelle einer ansonsten erforderlichen Krankenhausbehandlung.
- wenn sie nicht dem allgemein anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse entspricht.
- wenn ein Unfallversicherungsträger oder Träger der sozialen Entschädigung zuständig ist.
- bei Bezug oder Beantragung einer Altersrente (Rente > Rentenarten) von mindestens zwei Drittel der Vollrente, d.h.: kein Ausschluss bei Bezug/Antrag einer Teilrente von bis zu 66,6 %. Kostenträger bei Bezug/Antrag einer Teilrente ab 66,7 % ist in der Regel die Krankenkasse.
- bei Anwartschaft auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften.
- bei Versicherungsfreiheit als Bezieher einer Versorgung wegen Erreichens einer Altersgrenze, sog. Versorgungsbezügen.
- bei Bezug einer Leistung, die regelmäßig bis zum Beginn einer Altersrente gezahlt wird, sog. Vorruhestandsleistungen, z.B. Altersübergangsgeld.
- während Untersuchungshaft oder Vollzug einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehender Maßregeln oder einstweiliger Unterbringung (§ 126 a StPO).
7. Ambulante und stationäre medizinische Reha
Es gibt 2 Arten medizinischer Reha-Maßnahmen, ambulante und stationäre. Letztere werden umgangssprachlich oft Kuren genannt, genau wie die Vorsorgekuren.
7.1. Ambulant vor stationär - Grundsatz der Krankenversicherung
Ist die Krankenkasse zuständig, gilt grundsätzlich: ambulant vor stationär (§§ 23 Abs. 4, 40 Abs. 2 SGB V).
Das heißt: Erst wenn ambulante Maßnahmen nicht ausreichen, werden stationäre Leistungen erbracht. Das gilt nicht nur für medizinische Reha, sondern auch für Vorsorgeleistungen und Vorsorgekuren.
Ausnahmen: "Ambulant vor stationär" gilt nicht bei
Sind andere Kostenträger wie z.B. die Rentenversicherung zuständig, sind stationäre und ambulante medizinische Reha gleichrangig. Medizinische Reha-Maßnahmen der Rentenversicherung finden in der Praxis meist stationär statt und erst langsam entstehen mehr ambulante Angebote.
7.2. Ambulante Reha-Maßnahmen
Ambulante Reha-Maßnahmen finden wohnortnah statt und ohne Übernachtung in einer Reha-Einrichtung:
- Wenn die Reha ganztägig stattfindet und lediglich zu Hause übernachtet wird, wird von teilstationärer Reha gesprochen. Sie ist eine Form der ambulanten Reha, bei der das Angebot so umfangreich ist wie bei einer vollstationären Reha.
- Ambulante Reha findet ansonsten meist im Umfang von 4–6 Stunden pro Tag in einer Reha-Einrichtung statt. Danach wird der normale Alltag weitergeführt.
- Möglich ist auch die Versorgung zu Hause durch mobile Reha-Teams.
7.2.1. Voraussetzungen der Krankenversicherung für ambulante Reha
- Die medizinische Reha ist notwendig, um
- Behinderung oder Pflegebedürftigkeit zu verhindern
oder
- bestehende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.
- Eine ambulante Krankenbehandlung reicht nicht aus, um diese Ziele zu erreichen.
7.2.2. Dauer ambulanter medizinischer Reha als Krankenkassenleistung
Die ambulante Reha-Maßnahme als Krankenversicherungsleistung dauert in der Regel nicht länger als 20 Behandlungstage. Eine Verlängerung ist aus medizinischen Gründen möglich.
7.3. Stationäre Reha-Maßnahmen
Stationäre Reha-Maßnahmen werden umgangssprachlich oft als Kur bezeichnet. Stationär ist die Reha, wenn die Übernachtung in der Reha-Einrichtung stattfindet.
7.3.1. Voraussetzungen stationärer Reha als Krankenkassenleistung
- Die medizinische Reha ist notwendig, um
- Behinderung oder Pflegebedürftigkeit zu verhindern
oder
- bestehende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.
- Eine ambulante Reha-Maßnahme (s.o.) reicht nicht aus.
- Die stationäre Aufnahme ist aus medizinischen Gründen erforderlich.
7.3.2. Dauer stationärer Reha als Krankenkassenleistung oder Rentenversicherungsleistung
Sie dauern in der Regel 3 Wochen, bei Kindern bis zum 14. Geburtstag 4–6 Wochen. Eine Verlängerung aus medizinischen Gründen ist möglich.
7.4. Praxistipps
- Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Haushaltshilfe gewährt werden.
- Wenn Sie als Pflegeperson eines Angehörigen stationäre medizinische Rehabilitation benötigen und dabei auch eine gleichzeitige Unterbringung und Pflege des Pflegebedürftigen erforderlich ist, besteht seit 1.7.2024 ein Rechtsanspruch auf eine Versorgung in derselben Rehaeinrichtung. Die Einrichtung kann, wenn die Versorgung dort nicht sichergestellt ist, auch zugelassene ambulante Pflegedienste zur Versorgung heranziehen oder vollstationäre Pflegeeinrichtungen in Anspruch nehmen.
8. Antrag und Finanzielles
8.1. Antrag auf medizinische Reha
Wer medizinische Reha beantragt, sollte das mit ärztlicher Hilfe tun. Informationen und Praxistipps zur Antragstellung und zur Wahl der Reha-Einrichtung unter Medizinische Rehabilitation > Antrag.
Der Antrag ist an den zuständigen Träger zu richten, im Zweifel an die Krankenkasse. Es ist nicht schlimm, den Antrag beim falschen Träger zu stellen, weil dieser ihn dann an den richtigen Träger weiterleiten muss. Passiert das nicht, muss er die Leistung selbst finanzieren. Näheres unter Rehabilitation > Zuständigkeit.
8.2. Urlaub
Ambulante und stationäre medizinische Reha-Maßnahmen dürfen nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Es besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber (§§ 3, 9 EntgeltfortzahlungsG).
8.3. Anreise
Näheres unter Reisekosten.
8.4. Finanzielle Leistungen während der Reha
Während einer ambulanten oder stationären Reha-Maßnahme kann, abhängig vom für die Reha zuständigen Träger und den individuellen Voraussetzungen, Anspruch auf eine der folgenden Leistungen bestehen:
8.5. Zuzahlung
Versicherte ab dem 18. Geburtstag müssen bei ambulanten und stationären Reha-Maßnahmen als Krankenkassenleistung oder Rentenversicherungsleistung in der Regel Zuzahlungen leisten. Näheres unter Zuzahlungen Krankenversicherung und Zuzahlungen Rentenversicherung.
9. Praxistipps
10. Wer hilft weiter?
11. Verwandte Links
Rehabilitation
Medizinische Rehabilitation > Antrag
Rehabilitation > Zuständigkeit
Berufliche Reha > Leistungen
Rehabilitation > Phasen A - F
Schädel-Hirn-Trauma > Kinder
Frührehabilitation
Krankenbehandlung
Rechtsgrundlagen:
- Krankenversicherung: § 40 SGB V
- Rentenversicherung: §§ 15, 32 SGB VI i.V.m. § 42 SGB IX
- Unfallversicherung: §§ 26, 33 SGB VII
- Träger der sozialen Entschädigung: § 62 S. 1 Nr. 4 und S. 4 i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB XIV i.V.m. § 40 SGB V
- Träger der Eingliederungshilfe: § 109 i.V.m. § 42 SGB IX
- Träger der Jugendhilfe: § 35a SGB VIII i.V.m. § 109 i.V.m. § 42 SGB IX